Kapitel 4.2 „... nur eine Lektion."

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Ich brauche einen Moment, um den Mann zwischen Noah und mir zu erkennen, der vor Kraft nur so strotzt und sich wie eine massive Schutzmauer vor mir aufgebaut hat.

Geschockt fixiere ich den gebräunten, muskulösen Rücken meines Schutzengels. Obwohl sein Kopf sich langsam zu mir nach hinten neigt, bleibt sein intensiver Blick auf Noah gerichtet.

„Bleib hinter mir", befiehlt er nüchtern.

Wie in Zeitlupe bahnt sich ein Wassertropfen seinen Weg von Aivens dunklen Haaren über seine Schläfe, seinen leicht markanten Wangenknochen und schließlich den definierten Hals. Dann wendet er sich wieder Noah zu.

Sein nasser, glänzende Rücken, setzt jeden Muskel in Szene und mir wird schlagartig bewusst, wie unglaublich attraktiv mein Schutzengel ist.

Die letzte Woche habe ich mir mühsam eingeredet, dass er nur eine Einbildung sei. Eine Folge meiner Kopfverletzung. Schließlich ist das um einiges einfacher, als an Engel zu glauben. Aber jetzt steht er vor mir und meine Knie geben vor Erleichterung fast nach. Ich muss mühevoll den Impuls unterdrücken, mich an Aivens Arm zu heften.

Aiven hat Noahs erhobenen Arm fest im Griff und er macht keine Anstalten, diesen zu lockern. Die beiden haben in etwa dieselbe Körpergröße, doch Noah wirkt gegenüber Aivens kräftigen Muskeln etwas dürr.

Noahs kurzzeitige Verwirrung verfliegt in Rekordzeit und blanker Zorn spiegelt sich in seinen Augen. Die beiden schauen sich an und... Moment mal?! Noah kann ihn sehen? Sie können sich berühren? Was zum Teufel geht hier nur vor? Noch eine weitere Frage auf meiner endlosen Liste, die er mir erklären muss.

Beide stehen regungslos da und fechten einen Kampf mit ihren Blicken aus. Keiner bewegt sich, keiner sagt was. Ist das so ein Männer-Hormon-Ding? Dürfen Schutzengel überhaupt einen Dominanz-Kampf ausfechten?

Rabiat lässt Aiven Noahs Arm los. „War das gerade eine Nötigung, oder eine Körperverletzung mit versuchtem Totschlag? Ich frage nur aus Neugier, ob du dir deiner Dummheit bewusst bist. Denn ich tippe auf alle drei Vergehen."

Noah schnalzt mit der Zunge. „Bleib mal locker", und sieht zu mir rüber, „ich wollte meiner Kleinen nur eine Lektion in Sachen Höflichkeit und Respekt erteilen. Zieyana kennt mich, ich würde ihr niemals etwas antun, wenn sie es selbst nicht will. Und ich weiß genau, was für Vorlieben in ihr schlummern", zwinkert er mir zu.

Mir wird schlecht. Ich schnappe nach Luft um zu protestieren, werde aber von einer Welle Reizhusten davon abgehalten. Aivens Finger ballen sich zu Fäusten.

„Du bist noch gestörter als du aussiehst. Wie wäre es, wenn ich dir stattdessen eine Lektion erteile?", kontert Aiven ruhig, dennoch mit Nachdruck.

Noah geht ein Schritt auf uns zu. „Wer zur Hölle bist du überhaupt?! Misch dich nicht in Dinge ein, die dich einen Scheiß angehen. Und jetzt geh mir aus dem Weg, du Penner."

Er rempelt Aiven mit seiner Schulter an und ich weiche instinktiv ein Stück zurück. Reflexartig nimmt Aiven Noah in die Mangel und dreht seinen Arm hinter den Rücken und verdreht die Handfläche in eine schmerzhafte Position. Noah zischt wutschnaubend durch seine zusammengepressten Zähne und zieht eine schmerzverzerrte Fratze.

Aiven drückt noch fester zu und spricht mit knurrender Stimme: „Ich schwöre bei Gott, wenn du nicht auf der Stelle verschwindest, verliere ich meine sowieso schon knapp bemessene Beherrschung."

Aiven drückt Noah rabiat von sich weg, der den Halt verliert und ins Wasser stolpert.

Mein Schutzengel dreht sich zu mir und seine Hand gleitet zärtlich an meinen Hals. Sein Daumen bleibt auf meiner Wange ruhen.

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