Kapitel 3

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Jessica hasste dieses Zimmer. Sie hasste alles daran. Sie hasste nicht nur dieses Zimmer, sondern dieses ganze Haus. Sie hasste die vielen Etagen. Sie hasste die vielen Zimmer. Sie hasste den vielen Platz. Sie ging in ihr eigenes kleines Badezimmer. Aber klein war es nicht. Im Gegenteil, es war das größte Badezimmer, was sie je gesehen hatte. Und sie hasste es. Ihr stiegen vor Wut Tränen in die Augen. Sie ging rüber zum Spiegel. Und was sie da sah, machte sie umso mehr wütender. Sie stützte sich am Rand von dem Waschbecken ab und schaute sich im Spiegel an. Sie ballte ihre Hände zu Fäuste und schaute wieder nach unten. Sie konnte diesen Anblick im Spiegel nicht ertragen. Diese spitzen Ohren. Das zu perfekte Gesicht einer High Fae.... Ihren strahlenden grünen Augen. Nein. Sie konnte es nicht.
Sie schaute wieder in den Spiegel. Ihre Augen voll mit Tränen. Ihre Hände noch immer zu Fäusten geballt. Ihre Atmung ging schneller und die Tränen kullerten ihr über die Wange. Sie hasste diesen Anblick. Sie hasste sich. Sie hasste, dass sie weinte.
Jessica verabscheute alles was sie war. Wie könnte sie auch nicht? Ihr ganzes Leben wurde zerstört. Sie wurde aus ihrem Leben gerissen. Und in dieses Leben hineingeworfen. Unfreiwillig.
Sie wischte sich die Tränen weg und schloss die Augen. Sie drehte sich vom Spiegel weg und ging aus dem Badezimmer raus. Sie schaute sich nochmal ihr Zimmer an. Sie hasste es. Es war zu dunkel. Sie mochte es hell. Das einzig schöne an ihrem Zimmer war das Fenster. Eventuell noch das Bücherregal, solange es vollgestellt war mit Büchern, dachte sie sich.
Sie schmiss sich regelrecht auf ihr Bett und starrte an die Decke. Sogar die Decke war dunkel. Sie fühlte sich eingeengt. Sie musste aus diesem Zimmer raus. Es war schon später geworden. In der Zwischenzeit hatte sie Mor einmal abgewimmelt, da sie mit ihr zusammen zu Abend essen wollte, aber Jessica hatte keinen Hunger.
Sie machte leise die Tür auf und schaute einmal nach links und rechts. Niemand war auf dieser Etage zu sehen. Sie ging langsam und leise die Treppen runter. Sie wollte sich ein Wasser holen aus der Küche. Als sie ins Wohnzimmer schaute, war da auch niemand mehr. Alle schliefen, dachte sie sich. Als sie in die Küche ging und sich auf einen Hocker gesetzt hatte erblickte sie ihn.
Er lehnte an der Küchentheke und hielt ein Glas Wasser in der Hand. Er hatte seine Augen geschlossen und öffnete diese sofort als sie angefangen hatte zu sprechen.
„Du..", sagte sie zu den Mann mit den roten langen Haaren.
Jessica schaute ihn an. Er war in der gleichen Rüstung gekleidet wie Azriel und Cassian. War er auch ein Krieger? Er hatte nicht wie einer gewirkt.
„Hallo", sagte er zu ihr und hob sein Glas an und trank wieder einen Schluck.
Sie konnte nicht anders. Sie musste wissen wer er war. Was er machte.
„Wer bist du?", fragte sie leiser, als sie wollte.
„Mein Name ist Lucien", erklärte er und stellte sein Glas ab und stellte sich aufrecht hin. Er verbeugte sich. Sein Blick war aber immer auf Jessica geheftet.
„Tut mir leid, dass ich mich nicht vorher schon vorgestellt hatte"
„Lucien..", sagte sie nachdenklich und da fiel es ihr ein „Ein Freund", sagte sie und er nickte. „Ich bin der siebte Sohn vom Highlord des Herbsthofes. Ich bin Höfling und ein Gesandter des Nachthofes", sagte er und lächelte leicht. Aber sie spürte, dass es ein aufgesetztes Lächeln war. Sie wusste nicht warum, aber es fühlte sich nicht echt an.
Der siebte Sohn eines Highlords? Würde er eines Tages mal über den Herbsthof regieren? Warum war er hier und nicht an seinen Hof?, fragte sie sich.
„Kannst du nicht schlafen?", fragte er und schaute sie an. Ihr viel wieder sein goldenes Metall Auge auf und die Narben an seinem linken Auge.
                                                                   ~
Zu dünn, dachte er sich. Sie sollte mehr essen. Als Lucien Jessica das erste mal gesehen hatte am Tag, wo sie in eine Fae verwandelt worden ist, war sie nicht so dünn gewesen. Sie war schlank, aber jetzt sieht sie abgemagert aus. Wie viele Tage sind vergangen? Fragte er sich...vier?
„Nein nicht wirklich", beantwortete sie seine Frage. Er konnte auch nicht schlafen. In Windhaven gab es immer wieder Probleme. Neue Regelungen werden nicht eingehalten und die sturen Illyrianer wollen sich nicht bessern. So sei es schon seit Jahrhunderten gewesen, hatte ihn Rhysand gesagt.
„Es ist viel passiert", sagte er, um die Stille zu überbrücken. Er sah wie Jessica nickte „Zu viel", erwiderte sie daraufhin.
Er fragte sich, ob sie ihn erkannt hatte. Ob sie wusste, dass er es war, der ihr einen Mantel umgelegt hatte. Er wollte wissen, ob sie wusste, dass er sie von diesen schrecklichen Ort weggetragen hatte. Aber er schwieg. Sie würde ihn darauf ansprechen, wenn sie es wüsste oder bereit dazu wäre.
„Bist du nebenbei auch ein Krieger?", fragte sie ihn und er begann zu lachen. Ein echtes warmherziges Lachen kam aus seiner Kehle. Noch nie hatte ihn jemand für einen Krieger gehalten. Erst recht nicht die Illyrianer in Windhaven. Nichtmal seine Brüder sahen ihn als fähigen Krieger an, wenn er trainierte.
„Nein", sagte er und lachte immer noch. Jessica schaute ihn mit großen Augen an.
„Ich bin alles, aber wirklich kein Krieger"
„Auf mich machst du einen soliden Eindruck", sagte sie und zeigte auf sein Schwert und die Rüstung. Ein ganz leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen.
Er hob das Schwert an und legte es auf die Küchentheke.
„Damit kann ich wohl umgehen", sagte er und zeigte dann auf seine Rüstung „Aber diese Rüstung trage ich nur, damit mich die Illyrianer ernst nehmen, wenn ich mal wieder dahin muss". Er merkte wie sie ihre Augenbrauen zusammen zog und ihn fragend anschaute.
„Hast du Cassian und Azriel kennengelernt?", fragte er und sie nickte „Die beiden sind Illyrianer. Aber von der guten Sorte", stellte er klar
„Wegen den Flügeln?", fragte Jessica nach und Lucien nickte. Er setzte sich gegenüber von ihr auf den anderen Hocker. Er bemerkte wie sie es sich gemütlicher machte und wie ihr Blick nie von seinem abweicht.
„Die Illyrianer sind eine eigene Rasse und nicht wirklich beliebt unter den Fae...", sagte er „Aber das spielt keine Rolle", stellte er sofort fest und Jessica nickte. Er wollte ihr kein falsches Bild vermitteln. Nicht jeder Illyrianer ist ˋschlecht'.
„Wie gefällt es dir hier?", fragte er und bei dieser Frage fühlte es sich an, als hätte er die falsche gestellt. Er merkte wie ihr Körper sich anspannte und wie sie seinem Blick auswich. Er wusste, dass er die falsche Frage gestellt hatte, da sie vom Hocker aufgestanden war und sich umdrehte.
„Danke Lucien", sagte sie leiser als zuvor. Er merkte wie sie sich beherrschen musste, da sie ihre Hände zu Fäusten geballt hatte.
„Danke für heute morgen. Das hat mir sehr geholfen", fügte sie noch hinzu.
Jessica war gerade an der Tür angekommen, als Lucien sich entschied ihr eine letzte Frage zu stellen.
„Möchtest du deine Wut rauslassen?", fragte er sie und sie stoppte. Sie drehte sich nicht zu ihm um.
„Welche Wut?", fragte sie ihn und drehte sich dann halb zu ihm um. Sie schaute ihn herausfordernd an mit zusammengekniffenen Augen.
Lucien ignorierte die Gegenfrage und antwortete „Trainiere mit Cassian auf den Übungsplatz", sagte er und stand auf. Er hob sein Schwert an und zeigte es mit der Spitze auf sie. „Lerne wie du dich verteidigen kannst und wie du mit einem Schwert kämpfst", erklärte er ihr. 
Jessica antwortete erst nicht. Sie sah sich genau sein Schwert an.
                                                            ~
„Kämpfen?", fragte Jessica ihn und er nickte.
„Das habe ich immer getan, wenn ich wütend war", sagte er und sie schüttelte den Kopf. Sie konnte es sich nicht vorstellen ein Schwert jemals in die Hand zunehmen. Damit zu kämpfen. Könnte sie das überhaupt?
„Hier", sagte er und kam ihr mit dem Schwert nahe. Er wollte das sie es nimmt. Jessica verstand sofort. Sie sah ihn an. Er war mehr als einen Kopf größer als sie und sie reichte ihn gerade mal bis zu seinen Schultern.
Luciens Schwert war lang und das Griffstück war mit Leder und Metalldraht umwickelt. Zusätzlich hatte es einen grünen und einen roten Stein eingearbeitet.
„Ich weiß nicht..", sagte sie und schaute zwischen Lucien und sein Schwert hin und her. Luciens Metall Auge klickte, als er zu ihr runterschaute und Jessica schaute zu ihm nach oben. Sie musste fast den Kopf in den Nacken legen, um ihn richtig ansehen zu können, wenn er so nah bei ihr steht.
„Ich-", fing Lucien an, wurde aber dann von Feyre unterbrochen.
„Lucien!", sagte sie erfreut „Du bist wieder zurück. Wie war es?", fragte sie ihn und lächelte ihre ältere Schwester an. Feyre stand im Wohnzimmer und blickte in die Küche hinein.
„Es war mir ein Vergnügen mich mit dir zu Unterhalten, Jessica", sagte er zu ihr und nahm sein Schwert wieder an sich. Er verbeugte sich wieder vor ihr und Jessica sah ihn verwirrt an.
„Die Arbeit ruft", erklärte er ihr und sie verstand. Er musste Bericht erstatten und würde dann erst schlafen gehen. Jessica hatte Lucien in seiner freien Minute erwischt, die er hatte, als er angekommen war.
Feyre stand im Wohnzimmer und wartete darauf, dass Lucien ihr folgte.
Jessica ging aus der Küche heraus und schaute Feyre und Lucien an „Gute Nacht", sagte sie und ging die Treppe hinauf. Feyre lächelte sie leicht an und nickte ihr zu und Lucien schaute ihr hinterher. Sein Metall Auge klickte wieder.
Oben am Ende der Treppe angekommen, konnte Jessica das Gespräch von Feyre und Lucien weiterhin hören. Eigentlich wollte sie das nicht, aber was konnte sie dafür, dass sie jetzt ein solches Gehört hatte, fragte sie sich.
„Ich dachte, jetzt wo du dir die Wohnung gemietet hast, bleibst du mal länger hier und arbeitest bei uns", sagte Feyre zu Lucien.
„Tue ich das denn nicht?", fragte er „Schicke ich nicht zweimal die Woche meinen Bericht zu euren Meister Spion?", fragte er sie und Feyre erwiderte
„Ja ich weiß, dass du das machst. Ich weiß auch, dass es dir nicht leicht fällt hier zu sein-"
„Leicht fallen?", unterbrach Lucien Feyre
„Ich kann nicht zurück zum Herbsthof, damit habe ich mich abgefunden", sagte er leiser
„Aber die Sache mit dem Frühlingshof...da kann ich auch nicht mehr hin", erklärte er ihr.
Und ab diesen Punkt war sich Jessica nicht mehr sicher, ob sie zuhören sollte. Ob es nicht doch zu Privat war.
„Aber du kannst hier Leben, Lucien", sagte Feyre
„Hier mit uns allen im Stadthaus in Velaris. Du kannst länger bleiben als nur ein paar Tage am Stück" Lucien antwortete nicht.
„Wir können dir ein größeres Zimmer geben-"
„Ich brauche kein größeres Zimmer", unterbrach Lucien Feyre.
Beide verstummten. Ein paar Sekunden war es still.
„Ich überlege es mir", sagte Lucien dann.
Jessica hörte nur noch wie Feyre ihn umarmte und ging dann schnell in ihrem Zimmer.
Gegenüber von ihrem Zimmer wurde die Tür aufgemacht und sofort wieder verschlossen. War das sein Zimmer?
                                                        ~
Das Elternhaus steht in Flammen. Überall war Rauch. Überall waren hohe Flammen. Jessica und Thadchaini waren noch dadrin gefangen. Die Möbel kippten um und die Luft wurde immer stickiger. Die Wände krachten ein. Thadchaini hatte sich verletzt und ist am humpeln. Jessica musste sie stützen und schaffte es gerade noch so aus dem Haus zu kommen mit ihrer Schwester.

A court of fire and shadow | ACOTARWhere stories live. Discover now