Kapitel 6

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Thadchaini war am frühstücken, als Feyre mit Mor und Amren in die Küche gekommen waren. Sie hatte nicht mehr mit Jessica gesprochen. Ihr tat es leid, dass sie sie so fertig gemacht hatte, aber es war von beiden die Schuld, dachte sie sich. Jessica hätte auch was sagen können. Heute hatte sie weder Cassian noch Azriel angetroffen. Sie fragte sich, ob die beiden am trainieren waren. Sie wollte auch bald mitmachen.
„Wie geht es dir?", fragte Feyre Thadchaini.
„Ganz okay so weit", antwortete sie. Nebenbei trank sie ihr Glas Saft aus.
„Ich habe das gestern mitbekommen", sagte Feyre zu ihr uns setzte sich gegenüber von Thadchaini hin. „Ich wollte nichts sagen beim Abendessen", fügte sie hinzu und Thadchaini schaute sie an.
Sie wollte darüber jetzt nicht sprechen, dachte sie. Thadchaini stand vom Hocker auf und ihr Teller und Glas waren verschwunden. „Das wird wieder", sagte sie bloß und drehte sich um.
„Okay", sagte Feyre und fing an auch ihr Essen zu essen.
Thadchaini ging ins Wohnzimmer und dort sah sie, wie Azriel auf dem Sessel eingenickt war. Seine Schatten schienen auch zu ˋschlafenˋ. Sie ging ganz leise und schnell die Treppen rauf. Azriel sah immer so müde aus. Sie dachte sich, dass er wohl kaum schlaf findet. Sie drehte sich auf den Treppen um und bewunderte ihn. Er sah so friedlich auch. Sonst war sein Gesicht immer angespannt oder von den Schatten halb verdeckt. Sie fragte sich, was er wohl immer am machen ist, dass er morgens so müde war, dass er auf dem Sessel einnickt. Sie würde ihn das fragen, sobald sich die Situation mal ergeben sollte. Am ihren Zimmer angekommen schaute sie zu ihren offenen Kleiderschrank, wo die vielen Kleider und T-Shirts und Hosen drinnen waren. Sie musste sich dafür noch bedanken und das würde sie auch tun.
                                                                  ~
Auf der Terrasse angekommen ließ Lucien sie los. Und Jessica drehte sich zu ihn um.
„Wir fangen langsam an", sagte Lucien und ging in die Mitte von der Terrasse.
Jessica folgte ihn. Lucien hatte seine Haare zu einem Zopf geflochten und vorne hingen ein paar Strähnen raus. Er hatte auch die selbe Rüstung an wie sie und er hatte sein Schwert und einen Dolch an seinen Hüften hängen.
„Erstmal aufwärmen", sagte er und kreiste seine Arme. Jessica machte ihn nach. Danach waren die Beine dran und wurden gestretcht.
„Wie würdest du dich in Kampfposition stellen?", fragte er sie und Jessica stellte sich Hüftbreit auf und winkelte vorne ihre Arme an und ballte ihre Hände zu Fäusten.
Lucien nickte und kam näher zu ihr.
„Darf ich?", fragte er und Jessica nickte. Lucien legte eine Hand an ihren Rücken und an ihren Bauch. „Du brauchst hier mehr Spannung", sagte er und Jessica nickte. Dann fuhr Lucien mit seiner Hand zu ihren Armen.
Er positionierte sie so, dass sie vor ihrem Gesicht waren.
„Denk dran dein Gesicht immer zu schützen", sagte er und dann schaute er sich an, wie sie ihre Faust bildete.
Lucien nahm ihre Hand „Dein Daumen darf niemals innen sein", sagte er und Jessica legte ihren Daumen an die Seite ihrer Faust. „Ja, genau so", sagte er.
Lucien ging einen Schritt nach hinten und schaute Jessica ganz genau an. Ihr wurde mulmig. „Stehe ich richtig?", fragte sie nach und Lucien legte seinen Kopf schief. „Gehe ein wenig in die Knie", sagte er und sie tat es. „Nicht zu viel", fügte er hinzu und Jessica passte sich an. Er nickte.
„Stell deine Füße parallel zueinander", sagte er und machte es vor.
Nun stand Jessica in der perfekten Kampfposition. Lucien lächelte leicht.
„Gut", sagte er und griff zu seinem Schwert. Jessica schaute ihn an. Er wollte ihr am Anfang schon sein Schwert geben.
„Hier", sagte er und kam zu ihr. Er stellte sich neben ihr in der gleichen Position. Lucien hielt sein Schwert nach oben. „Schau auf meine Arme", sagte er und sie tat es. „Siehst du, wie ich mich mit meinen Armen ausbalanciere?", fragte er sie und Jessica nickte.
Er gab ihr sein Schwert und sie versuchte das selbe zu machen. „Gehe ein paar Schritte nach vorne und tue so, als ob du jemanden angreifen willst", sagte er.
Jessica ging ein paar Schritte nach vorne und hielt das Schwert nach oben. Sie versuchte ihre Knie angewinkelt zu lassen und sich mit ihren Armen zu stabilisieren.
„Sehr gut", sagte Lucien und lächelte sie an. „Sehr gut", murmelte er zu sich selbst leise. Jessica lächelte leicht. Es gefiel ihr, dass es ihr bis jetzt so leicht gefallen war. Das wird wahrscheinlich nicht lange so bleiben, dachte sie sich. Aber für den Anfang tat das ihr gut. Sie fühlte sich in diesen Moment schon nicht mehr so hilflos. Sie fühlte sich in diesen Moment stärker. Mutiger und besser.
Als hätte Lucien geahnt, was in ihr gerade vorging fragte er
„Wie fühlt sich das an?"
„Gut", sagte Jessica und drehte sich zu ihn um.
„Sehr gut", sagte sie und lächelte leicht. Dieser Moment gab ihr Hoffnung auf ein stärkeres Selbst. Auf ein sicheres Selbst.
„Okay", sagte Lucien und kam zu ihr. „Mehr machen wir heute erstmal nicht", sagte er. Jessica nickte. Sie wusste, dass er ihr nicht das schöne Gefühl rauben wollte, dass sie sich besser fühlte.
„Ich erstelle einen Plan", sagte er und Jessica sah ihn an. Sie gab ihn sein Schwert wieder. Er nahm es dankend an und steckte es zurück in die Scheide.
„Einen Plan?", fragte sie ihn und er nickte.
„Ich konnte jetzt sehen, wo du noch Kraft aufbringen musst. Wo die Spannung fehlte, um dich stabiler zu machen. Ich werde Übungen raussuchen und wir beide werden dann anfangen zu Trainieren damit du das Kämpfen lernen kannst", sagte er und Jessica wusste nicht so recht was sie sagen sollte. Er schaute sie an. Sein goldenes Metall Auge klickte und er beugte sich zu ihr runter.
„Ist das in Ordnung für dich?", fragte er sie und sie nickte. Natürlich war das in Ordnung für sie. Lucien wusste gar nicht, wie dankbar sie war. Sie schaute ihn an.
„Natürlich", sagte sie „Danke", fügte sie noch hinzu.
„Ich werde mich nochmal mit Cassian auseinandersetzen und wahrscheinlich wirst du eher mit ihn das Kämpfen lernen. Er macht ja nichts anderes", sagte er und lächelte. „Höchst wahrscheinlich werde ich auch noch viel dazu lernen die nächsten Wochen", sagte Lucien mit einen Lächeln.
Jessica kratzte sich am Hinterkopf und schaute auf den Boden.
„Du sagtest ich könnte versuchen zu lernen wie man den Wind teilt", fing sie an und Lucien nickte. Sie schaute ihn wieder an. Er sah sie gespannt an, als wüsste er schon, was sie fragen wollte.
Lucien hatte nur darauf gewartet, dass sie fragt. Er würde es gerne versuchen ihr beizubringen. Er wusste nämlich wie geschockt sie gewesen war, als sie erfahren hatte, dass sie nicht alleine vom Haus der Winde wegkommen konnte.
„Würdest du es mir vielleicht-"
„Natürlich", schnitt er sie ab, als sei es Selbstverständlichkeit, dass er es ihr beibringen müsste.
„Ich weiß wie beengend es sein kann, wenn man von einem Ort nicht ohne Hilfe wegkommt. Ich kann dir aber nicht versprechen, dass du das auch wirklich kannst", sagte er und Jessica und nickte. „Ich weiß", sagte sie.
Er merkte sofort, dass bei ihr die Anspannung weniger wurde und er legte den Kopf schief.
„Ich habe gehört du arbeitest in der Bibliothek?", fragte er sie und sie nickte.
„Ja. Ich gehe da gleich hin. Ich... ich war mit Mor Klamotten einkaufen und als sie mir gesagt hatte, das Rhysand alles bezahlte, da... ich will das nicht. Ich möchte es abbezahlen. Deswegen mache ich das", sagte sie und er verstand sie.
„Ich verstehe", sagte er. Er musste an die Zeit zurückdenken, als er das gleiche getan hatte. Nur deswegen ist er an diesem Hof angestellt. Er mochte es genau so wenig wie Jessica, wenn man Sachen aus Mitleid geschenkt bekommt. Er wollte es ihr sagen, aber Jessica drehte sich halb um.
„Ich sollte gleich los", sagte sie und er nickte.
„Danke Lucien", sagte sie wieder und er verbeugte sich.
„Ich habe zu danken", sagte er und Jessica schnaubte. Sie schüttelte leicht ihren Kopf und sie hatte ein ganz leichtes Lächeln auf ihren Lippen.
„Wir sehen uns später", sagte sie und drehte sich um.
Er schaute ihr noch nach. Ihre Haare waren aus ihrer Hochsteck-Frisur leicht rausgekommen. Der Anzug saß eng an ihren Körper... er schaute auf den Boden und schüttelte den Kopf.
Als Jessica schon lange weg war, lächelte Lucien bei dem Gedanken, dass sie morgen wieder Trainieren würden. Es machte ihn spaß und er merkte, dass es ihr genau so ging.
                                                         ~
„Jessica", sagte Thadchaini. Sie drehte sich zu ihrer jüngeren Schwester um. Thadchaini lächelte „Dankeschön", sagte sie. Thadchaini wusste, dass Jessica nicht mehr hören musste. Sie wusste das Jessica wusste, für war sie sich bedankte. Für die Kleidung. Jessica nickte ihr zu. Kein lächeln. Kein bitte. Nichts. Aber das war Thadchaini gewohnt. Wenn Jessica sich zurück zog, dann war das so. Da konnte niemand was ändern. Thadchaini ging wieder nach unten. Sie war nur nach oben gekommen, weil sie hörte, dass Jessica wieder zurückgekommen war.
In der Zwischenzeit war auch Azriel gegangen. Sie war alleine im Wohnzimmer. Feyre und Rhysand waren unterwegs. Armen und Mor trieben sich in der Stadt rum. Lucien betrat das Wohnzimmer. Er lächelte sie leicht an „Hallo", sagte er und Thadchaini nickte ihn zu. Lucien ging in die Küche und Thadchaini konnte ihn noch sehen, wie er sich ein Glas Wasser trank und dann in Richtung Wohnzimmer wieder ging. Er setzte sich schräg gegenüber von ihr auf einen Sessel. Den gleichen auf den Azriel gesessen hatte. Er schloss die Augen. Warum war jeder so müde hier, fragte sie sich.
„Wieso sind alle so müde?", fragte sie ihn. Er öffnete die Augen und schaute sie an. „Es ist eine schwierige Zeit momentan. Jeder muss sich um vieles kümmern.  Es darf nichts mehr aus dem Ruder laufen", sagte er und schloss dann wieder seine Augen.
„Wird es Krieg geben?", fragte sie leise und Lucien zuckte mit den Schultern. Seine Augen blieben geschlossen. „Wir alle beten zur großen Mutter, dass es keinen Krieg geben wird", sagte er und stand vom Sessel auf.
„Entschuldige mich", sagte er und ging die Treppe wieder nach oben.
Hatte sie ihn verjagt? Stellte sie die falschen fragen? Sie versuchte nicht mehr daran zu denken. Einen Krieg mit zu erleben, wäre das schlimmste, was sie sich vorstellen könnte. Nach ein paar Minuten ging Thadchaini auch wieder in ihrem Zimmer.
                                                            ~
„Hallo Clotho", sagte Jessica zu der Priesterin am Tresen. Die Priesterin schaute zu ihr auf und lächelte sie an.
„Hallo Jessica", schrieb sie auf den Zettel mit ihren magischen Stift.
„Wenn du die Treppe hoch gehst, steht dort ein Bücherwagen. Bitte sortiere die Bücher ein", schrieb sie auf dem Zettel. Jessica nickte.
„Wenn du fertig bist, dann komm einfach wieder zu mir", schrieb sie.
„Wenn du Fragen hast, komm dann auch gerne zu mir und frage mich"
Jessica nickte. „Dankeschön", sagte sie und ging die Treppe rauf. Die Bibliothek war riesen groß. Es fühlte sich wie eine art Grotte an, die voller Bücher war. Sie konnte die Etagen nicht zählen. Die Bibliothek erstreckte sich nach oben und nach unten. Es war unvorstellbar.
Jessica erblickte den Bücherwagen. Der war voll mit unzähligen Büchern, dessen Sprache sie nicht ausfindig machen konnte. Dort waren Zeichen als Buchstaben. Einige Bücher konnte sie auch entziffern, aber den Großteil dieser Bücher, die auf den Wagen waren, konnte sie weder lesen noch in einer Kategorie einteilen.
Sie ging Regal um Regal. Immer wieder sortierte sie Bücher in die Regale ein und begegnete keinem. Es war, als wäre sie alleine. Aber sie erinnerte sich daran was Rhysand ihr gesagt hatte. Auch wenn sie dachte sie wäre alleine, war sie es nie. Manchmal schaute sie sich abrupt um, da sie die Hoffnung hatte sie würde weitere Priesterinnen sehen. Aber ohne Erfolg. Ab und zu hörte sie wohl was Rascheln, aber wenn sie sich umdrehte, sah sie nichts.
Sie versuchte alles auszublenden. Sie versuchte die Bücher einfach einzusortieren, so wie es von ihr verlangt worden war.
Die ganzen Bücher, die sie auf ihren Wagen hatte, mussten quer auf der ganzen Etage einsortiert werden. Sie frage sich, wer solche Bücher wohl lesen mag? Wozu die gut waren. Welche Sprache die hatten. Sie fragte sich, wer sonst zutritt zu dieser Bibliothek hatte. Wer würde sich so viele Bücher ausleihen?
Erschöpft ging sie zu Clotho zurück. Das hatte länger gedauert, als sie erwartet hatte. Aber ihr gefiel es. Sie konnte komplett abschalten. Sie hatte keinen Gedanken an ihrer jetzigen Situation gehabt. Sie hatte nicht einmal mehr an die Situation mit dem Kessel denken müssen.
„Ich bin fertig", sagte sie zu Clotho.
„Wunderbar. Ich danke dir. Du siehst erschöpft aus", schrieb sie auf dem Zettel. Jessica nickte. „Ich hatte heute morgen noch Training gehabt in Windhaven", sagte sie und Clotho nickte. „Ich danke dir. Du darfst gehen. Bis morgen", schrieb sie „Bis morgen", sagte Jessica und drehte sich um. Links von ihr sah sie zum ersten mal eine weitere Priesterin. Sie hatte orangenes Haar und strahlend blaue Augen. Sie drehte sich um, als Jessica sie erblickte.
Jessica ging die Stufen wieder herauf, um zum Haus der Winde zu gelangen.
Als sie wieder im Haus der Winde war, sah sie Mor in der Küche.
„Jessica!", sagte sie ein wenig besorgt. „Ich habe mitbekommen was passiert ist", sagte sie und stand nun vor ihr. Jessica sah sie verwirrt an.
„Von wem?", fragte sie und Mor schaute sie an.
„Cassian sagte zu mir, dass er mitbekommen hatte, wie andere darüber gesprochen haben", sagte sie und sie schaute sie eindringlich an. „Er möchte später auch nochmal mit dir sprechen", fügte sie hinzu und Jessica konnte nicht anders, als mit den Augen leicht zu rollen.
„Geht es dir gut?", fragte sie und musterte sie ganz genau.
„Alles bestens", sagte Jessica
„Das nächste mal bitte ich dich mich zu warnen", sagte Jessica zu ihr.
„Hätte ich gewusst wie-"
„Es tut mir leid", sagte Mor „Ich hatte die Hoffnung es würde anders laufen"
Jessica hätte am liebsten mehr gesagt. Sie hätte am liebsten gesagt, dass es
ihr egal war, dass sie es trotzdem gerne gewusst hätte, aber sie zuckte bloß mit ihren Schultern. „Halb so schlimm", sagte sie und Mor sah sie an.
„Iss was", sagte Mor zu ihr und Jessica wollte ablehnen. Sie verspürte keinen Hunger, aber Lucien betrat in den Moment die Küche.
„Setz dich", sagte er und sie schaute ihn an. „Iss etwas", fügte er hinzu.
Sie schaute zwischen den beiden hin und her. Hatten die sich abgesprochen?
„Ich-"
„Setz dich", forderte Mor sie auf und Jessica wurde von ihr auf den Hocker gedrückt.
Sofort kamen Pancakes auf einen Teller und ein Glas Saft. Jessica sah sie an.
„Ich kann dir dabei echt nicht zusehen, wenn du diese ekligen Haferflocken isst", sagte sie lachend. Jessica lächelte leicht.
Lucien setzte sich gegenüber von ihr. Bei ihn erschien zwei Scheiben Brot mit Käse und ein Glas Wasser.
„Guten Appetit", sagten Lucien und Jessica zur selben Zeit und schmunzelten.
Mor lachte und ging aus der Küche raus.
Jessica schnitt ihren letzten Pancake an und trank ihren letzten Schluck Saft aus, als Lucien sie ansah. Sie sah ihn auch an. Er hatte sich umgezogen, wie sie auch.
„Möchtest du, dass ich dir die Stadt zeige?", fragte er sie. Sie hatte es komplett vergessen. Sie war nur in diesen Haus und von hier aus konnte sie nur Berge und Wälder sehen. Sie nickte. „Gerne", sagte sie. „Hauptsache ich komme aus diesen Haus raus", sagte sie leiser und Lucien nickte.
„Ich erledige dann eben noch in der Menschenwelt meine Angelegenheit mit Jurian und dann-"
„Jurian?", fragte sie sofort nach
„Genau", sagte er und nickte.
„Du kennst ihn", stellte sie fest und er nickte wieder.
„Er ist in Moment sehr wichtig für uns. Er stellt quasi die Verbindung zwischen den Menschen und uns Fae her. Aber ich bin auch mit ihm befreundet", erklärte er und Jessica nickte.
Lucien schaute hinter Jessica und Jessica drehte sich um. Thadchaini stand auch in der Küche.
„Du kennst Jurian?", fragte sie ihn und er nickte.
„Ihr seid Befreundet?", fragte sie ihn und wieder nickte er.
„Können wir mitkommen?", fragte sie erneut und nun schaute Jessica sie mit weiten Augen an.
„Du willst ihn sehen?", fragte Jessica sie und sie nickte.
„Natürlich will ich das", stellte Thadchaini klar und schaute zu Lucien rüber.
Jessica drehte sich wieder zu Lucien um. Sie schaute ihn mit einen Blick an, der alles sagte.
Lucien schaute zwischen den beiden Schwestern hin und her.
„Das kann ich arrangieren", sagte er und stand vom Hocker auf.
Er hatte nicht aufgegessen.
„Warte", sagte Jessica und hon seinen Teller an.
„Iss erstmal auf", sagte sie und Lucien sah sie an. Er nahm sich seine letzte halbe Scheibe Brot auf die Hand.
„Keine Sorge", sagte er und lächelte leicht. „Ich werde meine Angelegenheit mit ihn jetzt klären. Dann komme ich zurück und hole euch beide, okay?", sagte er und beide nickten.
Jessica fühlte sich schlecht. Lucien schien immer nur am arbeiten zu sein.
„Aber bitte stress dich nicht", sagte sie leiser und schaute ihn an. Ihr war es wichtig, dass er wusste, dass er sich Zeit lassen konnte.
Er verbeugte sich und schaute sie an. „Ich hole euch später ab", sagte er und ging aus der Küche.
Jessica drehte sich zu Thadchaini um. „Musste das sein?", fragte sie und Thadchaini sah sie an „Wenn du in meiner Situation wärst, dann würdest du genau so handeln", sagte sie und drehte sich um. Sie hatte recht. Thadchaini und Jurian waren oft zusammen gewesen. Sie hatten viel Zeit miteinander verbracht. Jessica dachte immer, dass sie ineinander verliebt waren. Thadchaini hatte Glück, dass sie Jurian kennengelernt hatte, nachdem deren Mutter verstorben war. Denn sie hätte nie zugelassen, dass sie sich mit so einen Mann einlässt. Thadchaini sollte Reich heiraten. Jurian war nicht Arm, aber einen Adelstitel besaß er auch nicht.
                                                  ~
Jessica musste eingeschlafen sein, denn sie hörte einem Gespräch zu, wo sie nie den Anfang mitbekommen hatte.
„Sie sollte auch mitkommen", sagte Thadchaini. Es kam aber keine Antwort. Jessica schaute auf und sah wie Lucien und Thadchaini in der Küche standen.
Jessica stand vom Sessel auf und ging rüber.
„Ah du bist wach", sagte Thadchaini zu ihr und drehte sich zu Lucien um
„Er wollte, dass wir alleine gehen", sagte sie vorwurfsvoll
„Aber ich dachte du möchtest bestimmt mitkommen. Er wollte dich nicht wecken", sagte sie ein wenig genervt.
Jessica schaute sich die beiden an. Lucien sah sie neutral an, als würde er ihr signalisieren, dass er sich daraus halten will. Sie verstand.
„Okay", sagte Jessica und schaute ihre Schwester an. „Es wäre auch in Ordnung gewesen wärt ihr sofort losgegangen. Aber jetzt bin ich wach", sagte sie. Sie schaute zu Lucien. Sie versuchte in ihrem Blick zu zeigen, dass es ihr leid tat. Lucien wollte anfangen zu sprechen, aber Jessica fing an
„Wann gehts los?", fragte sie
„Jetzt", sagte Thadchaini und Jessica nickte.
„Ich kann immer nur einen mitnehmen", meldete Lucien sich und Jessica nickte.
„Du gehst als erstes", sagte sie zu Thdchaini. Sie nickte und ging aus der Küche raus und sprintete die Treppen nach oben.
Lucien lächelte leicht „Sie kann es kaum abwarten", sagte sie zu ihn und er nickte.
„War die Arbeit in der Bibliothek anstrengend?", fragte er sie als sie die Treppen nach oben gingen. Sie schüttelte ihren Kopf.
„Nein eigentlich nicht", sagte sie und beließ es dabei. Sie wollte nicht, dass er weitere Fragen stellte. Ob sie gut schlafen würde, nach dem Vorfall gestern. Sie konnte nicht gut schlafen. Sie hatte angst, dass sie wieder einen Traum hat, der sich als Wahr erweist.
Thadchaini wartete oben auf Lucien und er zwinkerte Jessica zu „Lauf nicht weg", sagte er und lächelte leicht „Ich bin in ein paar Sekunden wieder zurück", fügte er hinzu und Jessica schnaubte. Sie schüttelte lächelnd ihren Kopf und Lucien ging zu Thadchaini und in der nächsten Sekunde waren sie verschwunden.
Ihr blieb nicht lange Zeit bis Lucien wieder zurück kam. Er schaute sie an und streckte seine Hand zu ihr aus. Sie nahm seine Hand und er zog sie näher zu sich ran. Das hatte er gerade bei Thadchaini nicht gemacht, stellte sie fest.
„Gut festhalten", sagte er und schon spürte sie den Wind an ihren Körper.
Einen Wimpernschlag später war sie in der Menschenwelt. Sofort schaute sie sich um. Sie waren vor Jurians riesigen Haus. Thadchaini war schon drinnen.
Jessica spielte mit ihrem Saum vom T-Shirt. Sie hätte nicht gedacht, dass sie sich unwohl fühlen würde wieder in der Menschenwelt zu sein. Das sie nicht mehr dahin gehörte, fühlte sich falsch an.
„Es fühlt sich komisch an", sagte Lucien und sie schaute ihn an. Wieso wusste er immer, wie sie sich fühle, fragte sie sich.
„Wenn man zu seiner Heimat zurückkommt, sich aber nicht wohl fühlt geschweige denn willkommen", sagte er leiser und schaute auf den Boden.
Sie wollte ihn fragen, wieso er das Gefühl kannte. Dann fiel ihr das Gespräch wieder ein, was sie angehört hatte. Als Lucien mit Feyre gesprochen hatte. Sie wollte ihn so viele Fragen stellen, aber im nächsten Moment war er ein paar Meter vor ihr. Er hatte den Wind geteilt und streckte seinen Arm zu ihr aus. Sie sah ihn an. Er wollte, dass sie sich bei ihn einhakt. Er wollte, dass sie beide zusammen in das Haus reingingen. Einer stützte den anderen.
Es schien, als würde die beiden etwas verbinden. Etwas starkes, aber sie wusste nicht was. Und sie konnte nur erahnen, dass er es auch nicht wusste. Sie hakte sich bei ihn ein und beide gingen in das Haus hinein.
Das Haus war riesig. Es war hell und dunkel eingerichtet. Thadchaini und Jurian saßen auf dem Sofa im Wohnzimmer. Jurian schaute auf und stand auf.
„Jessica", sagte er bestimmt und stoppte vor ihr. Sie löste sich von Lucien und schaute Jurian an. Die beiden hatten nie viel gesprochen. Sie hatten sich nur manchmal gesehen und sich begrüßt.
„Es tut mir leid", sagte er „Ich habe sofort mitbekommen, was passiert war und ich konnte es nicht glauben", sagte er und schaute Lucien an.
„Ich wusste nicht, dass der Kessel die Kraft nochmal aufbringen könnte, um euch beide", er schaute nach hinten zu Thadchaini „zu verwandeln", sagte er und verstummte. Jessica nickte nur. Was sollte sie sonst machen, fragte sie sich.
Lucien signalisierte Jessica, dass sie sich setzen sollte. Jurian ging wieder zu Thadchaini. Sie hatten ihre Hände verschränkt. Sollte sie jetzt zuschauen, wie die beiden wieder zu sich finden? Warum war sie mitgekommen? Brauchte Thadchaini sie, um sich zu vergewissern, dass alles wirklich passiert war?
                                                          ~
Sie konnte es kaum glauben. Jurian hatte sie weder anders behandelt noch anders angesehen. Er sah sie sogar mit mehr verlangen in den Augen an. Er nahm ihre Hand in seine und streichelte mit dem Daumen dadrüber.
„Wie geht es dir?", fragte er und Thadchaini lächelte. „Jetzt? Jetzt geht es mir gut", sagte sie und das stimmte. Sie lebte die ganze Zeit in dieser Ungewissheit. Mochte er sie noch? Würde alles anders verlaufen? Aber alles war gut.
Er lächelte sie an. Sie hatte ihn vermisst. Er war vorher schon eine weile weggewesen. Sie überlegte, ob er mit Lucien zusammengearbeitet hatte. Sie schaute zu Lucien rüber und sie sah, wie er Jessica von der Seite anschaute. Jessica war vom Sofa aufgestanden und schaute sich ein Gemälde an. Anstatt, dass Lucien sich das Gemälde auch ansah, sah er ihre Schwester zu.
„Lucien", sagte sie und er erschreckte sich leicht. Er schaute zu ihr und sie konnte ihn ansehen, dass er sich entdeckt fühlte.
Thadchaini schaute zu Jurian und Lucien.
„Habt ihr zusammengearbeitet kurz bevor das passiert ist mit dem Kessel?", fragte sie und sie sah in ihrem Augenwinkel, dass Jessica auch zu ihr schaute.
„Ja", bestätigte er und schaute zu Jurian.
„Du hast mir nie gesagt, dass du mit den Fae zusammen arbeitest", sagte sie zu Jurian. Aber es war nicht als ein Vorwurf gemeint.
„Ich darf nichts sagen", sagte er und drückte ihre Hand.
„Lucien und ich arbeiten seit längere Zeit zusammen", fügte er hinzu sie konnte sehen, dass Lucien nickte. Sie fragte nicht weiter. Es war nicht ihre Angelegenheit.
Thadchaini sah wie Jessica sich weiter umschaute. Sie wusste, dass sie das bloß machte, damit sie alleine sein konnte mit Jurian. Oder weil sie sich nicht wohl fühlte. Sie konnte den Unterschied nicht erkennen. Sie hoffte natürlich auf ersteres.
Lucien stand auch vom Sofa auf und folgte Jessica langsam. Sie schaute ihm hinterher. Jurian lächelte. „Er hat mir von euch erzählt", sagte er und sie schaute ihn an. Sie schaute ihn richtig an. Seine braunen Haare waren leicht verwuschelt und seine braunen Augen sahen sie an, nur sie.
„Ich habe immer nach dir gefragt", sagte er. „Ich wollte sogar zu dir", sagte er
„Aber Lucien war sich nicht sicher, ob du bereit warst", gestand er „Er wollte nichts überstürzen", sagte er und Thadchaini nickte.
„Lucien scheint ein guter Mann zu sein", sagte sie und Jurian nickte.
„Er gehört zu der Nobleren Sorte, wenn du verstehst was ich meine", sagte er und lachte und zum ersten mal seit Tagen lachte Thadchaini auch. Ein echtes Lachen. Sie wischte sich eine Träne aus ihren Auge und Jurian lächelte sie an.
„Ich habe mir Sorgen gemacht", gestand er „Ich bin fast verrückt geworden. Ich wollte dich unbedingt sehen. Schauen ob es dir gut geht", sagte er und Thadchaini nickte.
„Mir ging es genau so", sagte sie und drückte seine Hand.
„Es tut mir leid, dass sagen zu müssen, aber wir müssen wieder zurück", sagte Lucien, als er wieder ins Wohnzimmer kam. Jessica stand hinter ihn.
„Wieso?", fragte Thadchaini und stand vom Sofa auf. Sie schaute Jurian an. Sie wollte jetzt nicht weg. Es fühlte sich an wie 5 Minuten. War es wegen Jessica? Wollte sie wieder zurück? Konnte sie nicht mehr länger bleiben?
Thadchaini schaute zu ihrer Schwester. Sie sah nachdenklich aus.
„Wegen dir?", fragte sie und Jessica schaute sie an. „Was?", fragte sie und Thadchaini schüttelte mit dem Kopf. „Ich seh es dir doch an. Du wolltest nicht mitkommen. Du kannst nichtmal in diesen Raum bleiben!", sagte Thadchaini und sie wurde sauer.
„Ich glaube nicht, dass das der Grund ist", sagte Jurian und Lucien nickte.
„Wir müssen nach Velaris", sagte er „Rhysand und Feyre treffen sich gleich mit Kier", sagte er und Jurian sah ihn verwundert an. Wer war dieser Kier? Kannte Jurian Kier?
Jessica sagte nichts. Sie schaute Thadchaini bloß an.
„Entschuldige", sagte Thadchaini zu ihr
„Ich dachte, dass du hier weg möchtest-"
„Lass es einfach", sagte Jessica zu ihr und schaute Lucien an. Er nickte.
„Ich bringe Jessica als erstes weg, dann komme ich sofort wieder", sagte er und ging mit Jessica raus.
„Tschüss Jurian", sagten beide gleichzeitig.
„Ist alles in Ordnung zwischen euch beiden?", fragte Jurian Thadchaini und sie schüttelte den Kopf. „Nein. Nicht wirklich", gestand sie und schaute auf den Boden.

A court of fire and shadow | ACOTARWhere stories live. Discover now