*Prolog*

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"Wenn ich endlich ein Teenager bin, möchte ich die schönste Zeit meines Lebens haben!"

Belustigt schaute meine Mutter mich an, während ich vom Sofa sprang und auf sie zu lief. "Wieso möchtest du nicht jetzt schon die schönste Zeit deines Lebens haben?", fragte sie mich, als ich meine Arme um ihren Bauch schlang und mit großen Augen zu ihr rauf sah. "Jetzt kann ich viel zu wenig machen! Wenn ich groß bin werde ich auf ganz viele lustige Partys gehen! Ich werde tausend Freunde haben und weißt du was?" Ich löste mich von ihr und drehte mich mit ausgestreckten Armen im Kreis. "Ich werde total hübsch sein! Alle werden mich mögen und ich werde jeden Tag mit meinen Freunden spielen! Und dann fahren wir zusammen in den Urlaub, an den Strand, oder vielleicht in die Berge. Wir werden überall hinfahren, wo wir hin wollen, weil wir dann endlich erwachsen sind und machen können, was wir wollen!" Lachend hörte ich auf mich im Kreis zu drehen und guckte verträumt aus dem Fenster. Dicke Schneeflocken flogen vom Himmel und bedeckten den eh schon weißen Boden. Grinsend senkte ich meinen Kopf auf meine Hände und stützte meine Ellenbogen auf der Fensterbank ab. Gedankenverloren sah ich nach draußen, seufzte fasziniert auf und kicherte leise, als meine Mutter mich spielerisch in die Seite pikste.

"Du bist ein wunderbares Mädchen, Scarlet.", flüsterte meine Mutter kaum hörbar und stellte sich neben mich ans Fenster. Einen ihrer schlanken Arme legte sie um meinen kleinen Körper und zusammen betrachteten wir das Schneetreiben. Mit meiner Stirn lehnte ich mich an das kühle Glas. "Ich werde wie eine Schneeflocke sein. Die sind frei, niemals alleine und wunderschön.", flüsterte ich schon fast andächtig und streifte eine Strähne meiner kupferfarbenen Haare hinters Ohr. "Ich hab dich lieb, Letti.", sagte meine Mutter daraufhin liebevoll und drückte  mir einen Kuss auf die Wange. "Ich hab dich auch lieb, Mami."

Noch einige Minuten standen wir einfach schweigend am Fenster. "Du solltest jetzt schlafen gehen, Mäuschen.", unterbrach Mama jedoch irgendwann die Stille. "Aber ich werde morgen doch schon Acht! Da kann ich doch ein bisschen länger aufbleiben!", protestierte ich schmollend und verschränkte die Arme vor der Brust. "Morgen darfst du länger aufbleiben, versprochen.", versprach mir meine Mama jedoch. Und da ich ja ein liebes Mädchen sein wollte, nickte ich schließlich und ließ mich von ihr in mein Zimmer führen. Einen letzten sehnsüchtigen Blick schenkte ich den weißen Flocken noch, dann konnte ich sie nicht mehr erkennen.

Mein Bett spendete mir wohlige Wärme und schlagartig wurde ich müde und gähnte einmal herzhaft. Lächelnd beugte sich meine Mutter zu mir runter. "Bitte bleib für immer mein kleines, glückliches, verrücktes Mädchen. Versprich mir das, Letti.", flüsterte sie und hauchte mir einen liebevollen Kuss auf die Stirn. Warum sollte ich das denn irgendwann nicht mehr sein? Später, in ein paar Jahren würde ich sogar noch glücklicher sein. Ein seeliges Lächeln umspielte meine fein geschwungenen Lippen. Erschöpft schloss ich meine Augen und murmelte noch ein leises "Versprochen.", bevor ich friedlich einschlief und von Zuckerwatte und Einhörnern träumte.

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Knochentrocken's Song: Alessia Cara, Scars to Your Beautiful.

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