Es ist das erste Mal für mich, das ich bei einem Jungen übernachtet habe. Zum Glück konnte ich mich gestern Abend noch bei Jade und Mandy verabschieden, bevor sie nach Hause fahren, so mussten diese sich keine Sorgen machen und meine Eltern denken, ich hätte bei Jade übernachtet. Luke's und mein gemeinsamer Morgen startet alles andere als romantisch, denn wir werden von dem Klingeln seines Weckers geweckt. "Sorry, hab vergessen, ihn auszuschalten.", entschuldigt Luke sich sofort grummelnd, nachdem er seinen Wecker zum Schweigen gebracht hat. "Kein Problem.", antworte ich mit müder Stimme. Ich reibe mir kurz über die Augen, um besser sehen zu können. Luke und ich liegen in seinem Zimmer, in seinem Bett. Luke's Arm liegt um mich, mein Kopf war bis eben an seine Brust gekuschelt. "Scheiße, hab ich Kopfschmerzen.", jammer ich und halte mir vor Schmerz den Kopf. Ich habe deutlich mit dem Alkohol übertrieben, gestern Abend, doch anscheinend hatte er mich nicht nur für gestern gelockert, sondern auch für heute. "Komm, wir holen uns was zu trinken und eine Tablette.", schlägt Luke vor, der auch schlimme Kopfschmerzen zu haben scheint. Ich nicke zustimmend und nachdem Luke mich losgelassen hat, rappel ich mich auf und schwanke leicht, als ich aus dem Bett krabbel. Luke's Pyjamahose ist mir ein wenig zu lang und zu weit, doch sie ist urgemütlich, genauso wie sein T-Shirt. Ich liebe es schon jetzt seine Klamotten zu tragen, obwohl ich nicht mal weiß, ob ich das jemals wieder tun werde. "Danke.", nuschel ich, als er mir ein Glas Wasser und eine Kopfschmerztablette reicht, als wir unten in der Küche stehen. "Sollten wir über Gestern reden?", fragt er und setzt sich an den Küchentisch, ich tue es ihm gleich und zucke als Antwort mit den Schultern. "Ich wusste was ich tat, als ich dich geküsst habe, ich wollte es.", fängt er schließlich an. Ich hatte vor, ihm in die Augen zu schauen, doch als er diese Worte ausspricht werde ich sofort rot und schaue auf die Tischplatte. "Ich auch.", antworte ich schließlich und hebe langsam wieder meinen Blick. Seine Lippen verziehen sich zu einem Lächeln, genauso wie meine.
Der nächste Schultag ist für mich die Hölle. Eigentlich mag ich Dienstage von meinen Stunden her, doch es gibt ein paar Zwischenfälle. Erstens sind Luke, Mike und Jonas nicht da, da sie mit ihrem Technikkurs auf einem Ausflug sind. Zweitens: Nico beleidigt mich jetzt nicht nur als Schlampe, sondern meint auch, ich wäre ungepflegt. Er lästert über meine Figur, meinen Charakter und mein Gesicht. Er hat definitiv sein Gesicht gewechselt, das ist nicht mehr der Nico, der einst mein bester Freund war. Es tut so unglaublich weh. Ich hätte das alles wahrscheinlich nicht mal mitgekriegt, doch Mandy hat es mir erzählt und ich weiß ehrlich gesagt nicht, ob ich froh darüber sein soll, oder mir wünschen sollte, dass sie es mir nie gesagt hätte. Glücklicherweise bin ich alleine zu Hause, als ich von der Schule wiederkomme. Mein Weg führt mich direkt ins Badezimmer, essen will ich eh nicht, obwohl ich Hunger habe. Ich krame die Rasierklinge hervor und kremple den Ärmel meines Pullovers hoch. Die drei Narben vom ersten Mal springen mir sofort ins Auge, doch irgendwie will ich sie sehen. Fünf schmerzvolle Schnitte schenke ich mir selbst. Einen dafür, dass ich eine Schlampe bin, einen für mein Gesicht, der nächste für meine Ungepflegtheit. Dann für meinen Körper und schließlich für meinen Charakter. Fünfmal zucke ich vor Schmerz zusammen. Dann betrachte ich mein Werk und bin stolz auf mich, als ich das dunkle Blut über meinen Arm rinnen sehe. Ich brauche euch nicht, ich will euch nicht. Ich kann mich auch selbst verletzten, ihr braucht das also nicht übernehmen. Doch während ich mir den Arm abwasche, fällt mir auf, dass Nico mich immer seelisch verletzt und ich mich selbst körperlich. Bin ich jetzt komplett kaputt?
Wie genau ich es geschafft habe am Mittwoch nicht in die Schule zu müssen weiß ich auch nicht so recht. Ich habe schreckliche Kopfschmerzen und Bauchschmerzen, mein ganzer Körper scheint weh zu tun, ich kann kaum gehen. Als Mum mich zusammengekauert in meinem Zimmer findet, beschließt sie also, dass ich zu Hause bleiben kann. Ich verbringe den Morgen mit Schlafen und am Mittag gucke ich mir meinen Körper genau an. Meine Hände und generell meine ganze Haut ist kaputt und rau geworden. Und so blass. Meine Lippen sind spröde und meine Haare strähnig. Was ist bloß passiert? Ich fühle mich so unendlich schwach, als wäre ich in der letzten Zeit um Jahre gealtert. Ich lecke mir über die trockenen Lippen und spüre plötzlich eine salzige Flüssigkeit. Leicht zucke ich zusammen. Ich habe gar nicht bemerkt, dass ich begonnen habe zu weinen. Erneut zucke ich zusammen, als die Zimmertür aufgeht und Mum den Kopf durch den enstandenen Spalt schiebt. "Ach Letti, was ist nur los?", fragt sie besorgt und schlüpft durch die Zimmertür. Sie setzt sich auf die Bettkante und wischt mir die Tränen von den Wangen. "Du solltest den Rest der Woche hier bleiben. Nimm es mir nicht übel, aber du siehts überhaupt nicht gut aus.", ihre Hand streicht sanft über meine Wange. "Ja, das höre ich oft.", stoße ich hervor und lache einmal trocken auf. Mum seufzt. "Willst du mir davon erzählen?" Sofort schüttel ich den Kopf. Erneut seufzt sie. "Wie geht es dir und dem Baby?", frage ich zögerlich und vermeide es dabei in ihre Augen zu sehen. Doch trotzdem fällt mir auf, wie sehr sie sich über diese Frage freut. Kein Wunder, bis jetzt habe ich ja auch kein Interesse an meinem Geschwisterchen gezeigt. "Es ist alles super. Falls du mal mit zum Ultraschall möchtest kannst du das gerne tun.", sie lächelt und steckt mir eine schwarze Haarsträhne hinters Ohr. "Ich habe deine roten Haare geliebt.", seufzt sie. "Aber Schwarz steht dir, obwohl du dadurch noch blasser aussiehst. Naja, nicht so blass wie jetzt.", scherzt sie und ein kleines Lächeln schleicht sich auf meine Lippen. "Mum?" "Ja, Letti?" "Ich hab dich lieb." "Ich dich auch, Kleine."
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Knochentrocken
Teen Fiction! Dies ist nur ein Re-Upload. Das Buch wurde vor fünf Jahren geschrieben und seitdem nicht bearbeitet. ! Mit Sieben träumte Scarlet von einer perfekten Zukunft. Partys, Urlaub, Liebe. Doch mit 16 muss das arme Mädchen feststellen, dass das Leben nic...