*Kapitel 16-Begin again*

1.8K 145 3
                                    

"Wann hast du das letzte mal vernünftig gegessen?", mit gerunzelter Stirn steht der Arzt vor meinem Krankenhausbett und schaut mich ernst an. Ich schlucke. "Ich weiß es nicht." "Wie lange ritzt du dich schon?", fragt er weiter, nachdem er etwas auf seinem Klemmbrett notiert hat. "Seit zwei Wochen, glaube ich.", antworte ich ehrlich. "Regelmäßig?" "Nein, phasenweise." Er nickt und schreibt wieder ein paar Worte auf sein Klemmbrett. "Hast du dich nach dem Essen übergeben?", fragt er weiter. Er spricht sanft, doch da ist auch diese Dringlichkeit und der Ernst in seiner Stimme, was mich dazu zwingt, ihm ehrlich zu antworten. "Ja.", hauche ich merke, wie meine Sicht verschwimmt. Einen kurzen, zögerlichen Blick werfe ich meinem Vater zu, der auf der Bettkante sitzt und meine Hand hält. Auch er hat Tränen in den Augen. Sanft streichelt meine Mutter mir über den Rücken. "Scarlet. Du bist krank. Das was du hast, nennt man Magersucht und da du dich gleichzeitig auch noch übergibst, um abzunehmen, hast du auch Bulimie. Das du dich auch noch ritzt bedeutet nicht sofort, dass du Depressionen hast, aber ich möchte dir trotzdem raten, eine Therapie zu starten." Er warf mir ein kurzes aufmunterndes Lächeln zu und ich nicke zaghaft. "Dein Kreislauf hat nicht mehr mitgemacht. Das Hungern, das Übergeben und der starke Blutverlust beim letzten Mal, als du dich geritzt hast, das wwar einfach zu viel für deinen Körper. Ich werde ihnen eine Therapeutin empfehlen, von der ich selbst sehr überzeugt bin, vielleicht sollten wir ihre Tochter noch einmal mit ihren Freunden alleine lassen." "Danke.", meine Mutter lächelt gezwungen, drückt mir einen Kuss auf die Wange und dann verlassen die drei das Zimmer, lassen mich einfach mit diesen ganzen Informationen zurück. Krank. Ich wollte das alles doch nicht. Ich wollte es den anderen doch nur recht machen.

Die Tür geht erneut auf und Luke, Jade und Mandy, die anscheinend grade erst gekommen ist, betreten das Zimmer. Es ist kurz still im Raum und die drei setzen sich auf die Bettkante meines Bettes. "Was hat der Arzt gesagt?", fragt Jade schließlich, also beginne ich damit, ihnen alles zu erzählen.

Zwei Tage bleibe ich zur Beobachtung und Stabilisierung im Krankenhaus. Es ist schrecklich langweilig, weswegen ich mich tierisch freue, als ich endlich nach Hause darf. Am Freitagmorgen steht also mein Vater lächelnd im Zimmer. "Wollen wir?", fragt er und räumt meine wenigen Sachen zusammen. Ich nicke und ergreife seine ausgestreckte Hand. Der Arzt verabschiedet sich am Empfang noch von uns, wir kriegen meine Krankenkarte und alles wieder und dann darf ich endlich das Krankenhaus verlassen. Als wir wenige Minuten später um die Ecke biegen und das weiße Gebäude hinter uns lassen, atme ich erleichtert auf. Gestern habe ich mit meinen Eltern über alles gesprochen und Mum hat vorgeschlagen, dass ich vielleicht die Schule wechseln sollte, doch das möchte ich einfach nicht. Hier sind meine Freunde und Luke. Ich habe eine andere Idee, was ich gegen Nico und seine Freunde machen kann.

Als ich etwa eine Stunde später endlich zu Hause bin führt mein erster Weg mich ins Badezimmer. Das Erste was ich tue, ist mich zu wiegen. 56 kg. Ist es falsch zu sagen, dass ich auf eine gewisse Weise stolz auf mich bin? Schließlich ziehe ich mich aus und steige  unter die Dusche, um einfach alles von mir zu waschen. Sofort entspannt das warme Wasser meine Muskeln. Ich stehe ewig da, denke über alles nach. Zurück in meinem Zimmer stelle ich mich vor den Ganzkörperspiegel und lasse das Handtuch fallen. Ich bin blass, habe Narben und bin nicht dünn. Ich habe eine normale Figur, worüber ich eigentlich ganz froh bin. Ich krame meine alte Lieblingsjeans aus dem Schrank und schlüpfe hinein. Sie sitzt wie angegossen. Grinsend ziehe ich mich vollständig an und föhne meine Haare, bevor ich die Treppe runterspringe. "Mum, tust du mir einen Gefallen?"

KnochentrockenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt