*Kapitel 14-Girlfriend*

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Am Donnerstagmorgen weckt Mum mich und sagt mir zum Glück, dass ich zu Hause bleiben darf. Ich fühle mich wirklich schrecklich und ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, woher das kommen könnte. Ich bin mal wieder alleine zu Hause, Dad ist vor zehn Minuten gefahren, hat es sich aber nicht nehmen lassen, mir Frühstück ans Bett zu bringen. Doch mir ist schlecht, weswegen ich nichts anrühre. Ich muss mich nicht mal bemühen, nichts zu essen, denn mittlerweile geht das fast schon von selbst. Ich beschließe einen kleinen Beauty-Tag zu machen und mich mal richtig zu entspannen. Ich starte mit einem heißen Bad, was meine Muskeln entspannt, nie hätte ich gedacht, dass sich das so gut anfühlen würde. Nachdem ich aus der Badewanne gestiegen bin, creme ich meinen Körper mit einer Lotion ein, die wunderbar nach Kokos duftet. Ich mache mir eine Haarmaske, da meine Haare noch ein wenig strapaziert vom Färben sind und werfe mich schon mal in kuschelige Klamotten. Dann tapse ich in meinen Wollsocken die Treppe herunter und mache mir einen Tee. Während das Wasser kocht, sitze ich gelangweilt am Küchentisch, doch ich zucke erschrocken zusammen, als mein Handy einen lauten Ton von sich gibt und damit eine SMS ankündet. Es ist ein Foto, welches Mandy mir geschickt hat. Es ist etwas verwackelt, doch man kann es trotzdem recht gut erkennen und als ich verstehe, was mir das Bild sagen soll, schießen mir sofort die Tränen in die Augen. Man kann die Tafel in unserem Klassenraum erkennen. An sich nichts Schlimmes, doch das Gekritzel darauf ist das, was mich zum Weinen bringt. Scarlet ist eine hässliche Schlampe! In leuchtend gelben Buchstaben. Wütend und doch gleichzeitg traurig knalle ich mein Handy auf den Tisch. Zuerst versuche ich noch mich zusammenzureißen, doch ich bin alleine und keiner sieht mich. Also weine ich meine Trauer heraus und schreie meinen Frust durchs gesamte Haus. Zweimal stolpere ich, als ich die Treppe hochstürme, da meine Sicht so sehr verschwommen ist, doch ich lasse mich nicht beirren und reiße die Tür zum Badezimmer auf.

An der Rasierklinge klebt schon Blut, was mich eigentlich abschrecken sollte, doch das tut es nicht. Ich setzte an meinem Schulterblatt an, da es an meinen Armen langsam zu auffällig wird. Mit zittriger Hand drücke ich das kalte Metall in mein Fleisch und sofort spritzen ein paar Bluttropfen auf meinen Rücken. Mit jedem Millimeter fühle ich mich erbärmlicher, doch auch befreiter und so schreie ich jedesmal, wenn ich die Klinge weiterbewege. Am Ende ist der Schnitt etwa so lang wie mein Zeigefinger und es strömt in kleinen Bächen Blut. Zischend drücke ich Papiertücher auf die Wunde, immer mehr, doch es hilft nichts. Schließlich habe ich das komplette Klopapier durch das  Blut meiner Wunde verbraucht. Immer noch weinend sammel ich es zusammen, um es in der Toilette herunter zu spülen. Schluchzend lehne ich schließlich an der gefliesten Wand und denke über mein Leben nach. Was habe ich denn getan, um so bestraft zu werden? Habe ich einen Fehler gemacht? Diese Gedanken zerfressen mich, doch was sollte ich schon tun. Ich werfe einen kurzen Blick auf meine Wunde und fahre mit zitternden Fingern über die zukünftige Narbe. Sofort sind meine Finger voller Blut. Mein Blick ist etwas verschwommen, als ich fasziniert meine Finger betrachte, aber ich weine gar nicht mehr. Plötzlich werde ich ganz schrecklich müde und versuche mich aufzurappeln, doch ich schwanke und schon nach wenigen Sekunden geben meine Beine nach und ich sacke auf dem kalten Badezimmerboden zusammen. Mein Kopf schlägt auf den Fliesen auf und das gibt mir den Rest. Flatternd schließen sich meine Augen und dann sehe ich nichts mehr und fühle nur noch so eine komische Benommenheit. Oh bitte, bitte lass mich sterben. Ich kann nicht mehr, erlös mich doch irgendjemand, wenn ich es schon nicht selbst schaffe.

Ein grelles Licht blendet mich, als sich meine schweren Augenlieder fast wie von selbst wieder öffnen. Ich bin nicht zu Hause, so viel steht fest. Ich liege in einem weichen Bett und höre Stimmengewirr. Seid ruhig, ich hab tierische Kopfschmerzen! Will ich am liebsten schreien, doch mein Hals ist schrecklich trocken und ich bekomme meinen Mund nicht auf. Hart schluckend sehe ich mich in meiner fremden Umgebung um und endlich finde ich heraus, wo ich bin. Ich bin im Krankenhaus. Ich drehe meinen Kopf zu meiner linken Seite und hätte fast erschrocken geschrien, als ich die Gestalt auf dem Stuhl sitzen sehe. Es ist Luke und er sieht mich aus stumpfen Augen enttäuscht an. "Was machst du hier?", krächze ich und räusper mich. "Warum?" Verwirrt runzle ich die Stirn. "Ich versteh nicht.", murmel ich und sehe ihn fragend an. "Nein! Das tust du ja ganz offensichtlich nicht!", ruft er pötzlich laut und kurz schließe ich vor Schmerzen die Augen. "Ich kann nicht fassen, dass du dich ritzt! Wieso hast du mir nichts erzählt, du kannst doch mit mir reden, oder etwa nicht?!", ruft er wütend aus und hebt verzweifelt die Hände. "Woher weißt du, dass ich hier bin und was machst du hier?", frage ich erneut und diesmal bestimmt und mit scharfer Stimme. " "Jade hat mich angerufen. Sie weiß es von deinem Vater, er hat dich im Badezimmer gefunden. Jade wollte dir die Hausaufgaben bringen, als sie den Krankenwagen sah. Sie ist auch hier und holt uns grade was zu trinken.", erklärt er endlich und sieht mich wieder an. Seine Augen sind gerötet und geschwollen, was mich noch viel mehr verwirrt. "Hast du geweint?", frage ich vorsichtig und fühle mich sofort schuldig. "Nein, weißt du? Meine Freundin liegt bewusstlos im Krankenhaus und es geht mir am Arsch vorbei, weißte!", schnaubt er und schüttelt langsam den Kopf. "Deine Freundin?", frage ich beinahe schon atemlos nach. Er hat mich seine Freundin genannt. Und es hat sich so verdammt gut aus seinem Mund angehört. Er seufzt. "Ich gehe mal nachsehen, wo Jade bleibt und einen Arzt holen.", meint er und steht auf. Langsam kommt er aufs Krankenbett zu und drückt mir aufeinmal einen leichten Kuss auf die Stirn. "Geh nicht weg.", haucht er gegen meine blasse Haut. Haha, als ob ich weg könnte. Ich verdrehe die Augen und sehe ihn schmunzeln, dann verlässt er den Raum und lässt mich mit meinem dröhnenden Kopf zurück.

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