Kapitel 9

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Panisch rannten die Menschen auf den rand des Dorfplatzes, während das riesige Monstrum gemütlich in die Mitte des Platzes schlenderte.
Der Schattenwandler hatte wohl zuletzt die Gestalt eines Bären angenommen.
Das Tier war nun nahezu fünfmal so groß wie ein gewöhnlicher Grizzly, und seine Rot glühenden Augen zeigten eindeutig seine Besessenheit.

Ein Schrei riss meine Aufmerksamkeit an sich, und ich erkannte hinter dem flackernden Licht der sich mir nähernden Flammen, die Siluette des kleinen Mädchens, das mich vorhin angeschrien hatte am Boden.
Offenbar war sie im Chaos der fliehenden Menge gestürzt.
Ich lies meinen Blick suchend durch die Menschen am Rande des Dorfplatzes schweifen, doch es dauerte eine Weile, bis ich die Bäckerin entdeckt hatte.
Mit panischem Gesichtsausdruck hielt sie die Hand ihres Sohnes umklammert, und konnte nichts tun, als zu zu sehen, wie das Monster sich der Kleinen näherte.

Ich konnte ihr ihren inneren Konflikt vom Gesicht ablesen.
Dass sie mit sich kämpfte, doch sie wusste genauso gut wie ich, dass sie nichts ausrichten konnte, und bloß sich und ihren Sohn auch noch in Gefahr bringen würde, wenn sie wieder auf den Dorfplatz zurück rennen würde, um ihre Tochter zu hohlen.

Unentschlossen, biss ich die Zähne zusammen. Ich musste etwas tun. Der Bär hatte das Mädchen nun entdeckt. schnüffelnd drehte er den Kopf in ihre Richtung. Seine Augen leuchteten kurz auf und er näherte sich ihr mit gefletschten Zähnen.

Warum rennt sie nicht weg?!

Doch als die Kleine aufstehen wollte, brach sie immer wieder zusammen. scheinbar hat sie sich in dem Chaos das Bein verletzt.
Der Qualm des Feuers brannte in meinen Augen, und ich blinzelte wie verrückt, und trotzdem sehen zu können, was vor sich ging. Wieder schrie das kleine Mädchen auf.

Okay, das reicht jetzt.
Ich muss was tun.

„Hey du!" rief ich dem Schattenwesen zu, und versuchte, so seine Aufmerksamkeit von den Mädchen abzulenken.
Was kurzzeitig auch funktionierte.
Gierig wandte er den Kopf in meine Richtung.
Doch als er erkannte, dass ich von Feuer eingeschlossen war, schnaufte er entrüstet und schwenkte seinen gewaltigen Kopf wieder in Richtung des hilflosen Mädchens.

Ich drehte meinen Kopf, so gut es mit den Fesseln ging in Richtung Schloss:

„Sky!!!!"

Dann nutze ich zum zweiten Mal an diesem Tag den Spruch:
„erit Aer"
Sofort war es mir möglich, mich durch die Fesseln zu bewegen.
„Ignis exeat!"
eine Druckwelle breitete sich aus mir heraus aus, und löschte das Feuer mit einem Schlag.

„Lasst die Hexe nicht entkommen!"

Schrie der König vom anderen Ende des Dorfplatzes, und die beiden verbliebenen Wachen, die trotz des Chaoses neben meinem Scheiterhaufen stehen geblieben waren, zogen ihre Schwerte, und richteten diese drohend auf mich.

Ich ignoriere die beiden einfach, und sprang über den halb verkohlten Haufen Holz.
Erst als ich gelandet war, löste ich den Spruch, der mich so leicht wie die Luft gemacht hatte wieder.
Länger als wenige Sekunden konnte er einfach nicht anhalten.

Die Wachen kamen von beiden Seiten auf mich zu, ihre Schwerter angriffsbereit erhobenen.
Ich breitete die Arme aus, die Handflächen auf je eine der Wachen gerichtet.
„Ich habe nicht vor jemanden etwas zu tun. Ich möchte nur helfen."
erklärte ich mit ruhiger Stimme.

Die Wachen wechselten einen Blick, rührten sich aber nicht von der Stelle.

„Bringt lieber die Zivilisten in Sicherheit"
drängte ich.
„Am besten auf die Hausdächer.
Solange das Schattenwesen in dieser Form verweilt, sind die Menschen da oben am sichersten."
schlug ich vor.

Einer der beiden trat zögernd einen Schritt zurück , sein Kollege folgte seinem Beispiel.
Doch ich gestattete es mir noch nicht, aufzuatmen.
Der Bär kam dem Mädchen immer näher, die Augen rot glühend auf das weinende Kind gerichtet.

Die Wachen waren für einen kurzen Augenblick unaufmerksam geworden, und diesen nutzte ich sofort aus.

Ich rannte los, direkt zwischen den Beiden hindurch, die mir empört hinterherriefen, und auf die Mitte des Dorfplatzes zu.

Ich hatte Glück, dass das Schattenwesen sich seines Sieges bereits sicher war, wodurch es sich nicht wirklich beeilte, aber ich wusste, wenn ich so weiterrennen würde, wäre ich trotzdem nicht rechtzeitig da.

Innerlich verfluchte ich die schiere Größe des Platzes.

„Sky!"
rief ich erneut gen Schloss, meine Füße trommelten auf den lehmigen Boden, und mein Herz hämmerte in meinen Ohren. Mein Besen war meine einzige Hoffnung.

Arulas SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt