4. Kapitel

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Er zittert. Der Mann hinter ihm schweigt. Flo versucht, sich zusammenzureißen, aber immer mehr stille Tränen folgen, und sein Körper zittert vor Schmerz. Er hasst sich, er schämt sich, vor einem Kunden so zu sein. Sich zu zeigen. Er ist ein Schauspieler, der in eine andere Haut schlüpft, das ist sein Sinn und Zweck. Ein anderer Mensch zu werden und den Kunden für ein paar Stunden alle Sorgen vergessen zu lassen, auch wenn beide wussten, dass alles nur eine Lüge war - aber die Tränen waren echt.

So echt wie seine Liebe zu Mona.

So echt wie ihr Tod und ihr Grab.

"Willst du, dass ich gehe?", fragt der Mann. Er klingt ein wenig besorgt.

Flo möchte nicken. Er möchte schreien. "Ja, geh weg und alle anderen auch. Ich will nie wieder einen Menschen sehen." Er will um sich schlagen und schreien und weinen und sich verletzen und dann zu Mona gehen und für immer bei ihr bleiben.

"Nein. Bleib", sagt er stattdessen.

Der Mann lächelt zufrieden, zieht seinen grünen Mantel aus, legt ihn aufs Bett und setzt sich. Zum ersten Mal muss Flo nicht zu ihm aufblicken, um ihn anzusehen. Im Sitzen wirkt er nicht mehr so gefährlich wie im Stehen, aber einschüchternd war er trotzdem.

Er zieht seine Schuhe aus und stellt sie sorgfältig neben das Bett. "Ich bin David."

Flo antwortet nicht.

Nach einer Weile streckt David ihm seine Hand entgegen, als wüsste er genau, was einschüchternd wirkt.

Flo nimmt die Hand nicht. "Wollen Sie so genannt werden oder ist das Ihr richtiger Name?"

"Mein richtiger Name."

"David. David was?"

Er schaut etwas irritiert. "Wie meinst du das? David eben."

"Nach David kommt noch etwas. Wie du aussiehst und wie alle dich behandeln."

"Und?"

"Sie müssen ein wichtiger Adliger oder Politiker sein. Ihr Name muss so lang und kompliziert sein, dass ihn sich niemand merken kann." Flo spricht schnell und merkt erst, als er am Ende seines Satzes Luft holt, dass er sich völlig unangemessen und respektlos verhält. Schnell fügt er noch ein "Nicht wahr, Herr?" hinzu, aber da ist es schon zu spät. Seine Worte hängen im Raum. Flo hat gegen eine der Grundregeln verstoßen: Wie der Kunde sich vorstellt, so wird er genannt. Und keine persönlichen Fragen.

David sieht ihn mit einem Blick an, den Flo nicht deuten kann, und Schamesröte und Angst steigen ihm ins Gesicht. Wenn der Mann wirklich so mächtig wäre, wie er dachte, könnte ihn ein solches Verhalten die Zunge kosten - oder das Leben.

Doch der Mann ist nicht wütend. "Du bist neugierig." Er lächelt breit. Ein freundliches, warmes Lächeln. "Vielleicht ein bisschen zu neugierig für dein eigenes Wohl. Aber gut, wie du willst. Mein voller Name ist Satuett David Edekat aus Egemin. Aber ich würde mich freuen, wenn du mich David nennst."

Flo schluckt.

Dann fällt er auf die Knie und senkt seinen Kopf, bis er zu Füßen des Mannes liegt. Zu Füßen des Mannes, der vielleicht wichtiger war als der König selbst. Der vielleicht der wichtigste Mann auf dem ganzen Kontinent war.

Satuett David Edekat aus Egemin.

Die Flamme des Krieges.

Der Träger der Hoffnung.

Jeder in Egemin kennt die geschriebenen Worte. Es war prophezeit.

Es würde Krieg geben, einen gewaltigen, blutigen Krieg. Er allein würde ihn beenden. Er würde über Sieg und Niedergang ganzer Völker entscheiden.

Der EINE (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt