16. Kapitel

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Die Fesseln an seinen Handgelenken scheuern, als er auf dem klapprigen Holzwagen hin und her rutscht. Seine Hände sind mit einem groben Strick an Davids Hände gefesselt, seine Beine an den Seiten des Wagens. Neben ihnen sitzen einige der Banditen und grinsen ihn ab und zu hämisch an.

Seine Gedanken rasen und die Angst macht es ihm unmöglich, einen klaren Gedanken zu fassen. Nur ein Gedanke taucht in dem Sturm immer wieder auf: Sie haben ihn nicht erkannt. Sie wissen nicht, wer er ist.

Seine Entführer haben nicht daran gedacht, David ein Hemd zu geben, damit er seinen nackten Oberkörper bedecken kann. Aber auch nicht daran, ihm den getrockneten Schlamm von der Haut zu waschen. Zu unserem Glück. Diese verdammte Tätowierung könnte uns noch ins Verderben stürzen.

David rührt sich nicht. Doch Flo spürt, dass er wach ist. Mit starrem Blick beobachtet er die vorbeiziehende Landschaft. Flo merkt, dass er zittert. Die Nächte in Egemin sind besonders kalt, selbst im Sommer. Und er ist eindeutig nicht warm genug angezogen. Oder hat er Angst?

"Wer seid ihr?", fragt einer der Banditen nach einer Weile. Seine Kleidung ist etwas gepflegter als die der anderen, aber sein Gesicht ist hässlich, schief und voller Narben. Flo wagt nicht, in seine schmalen Augen zu schauen. "Ihr habt eine ganz schöne Eskorte. Und die Kleider sind auch teuer, jedenfalls seine!" Er deutet mit dem Finger auf Flo.

David antwortet nicht.

"Seid ihr von Adel? Oder Neureiche und Bürgerliche?"

Keine Antwort.

Der Mann faucht wütend. "Redet ihr jetzt, oder soll ich meinen Männern sagen, sie sollen euch die Nase ins Arschloch stecken?" Er beugt sich zu Flo hinunter, sein Mund ist direkt an seinem Ohr. Flo wird schlecht, als er den Mundgeruch des Mannes bemerkt. Wann hat mich Mundgeruch schon mal gestört? Ich glaube, die Hälfte meiner Kunden hat schon mal aus dem Mund oder an anderen Stellen gestunken. Ein Monat in einem besseren Leben, und ich werde sensibel wie ein verwöhntes Kind.

"Meine Männer würden sich freuen, euch eine Lektion zu erteilen." Er dreht sich zu David um. "Du hast viele meiner Männer in den Tod geschickt. Einen hast du beim Pinkeln erstochen. Seinen Bruder." Er deutet auf einen Mann, der mit grimmiger Miene an der Wagenwand sitzt und sein Messer schärft. "Du hast seinen Bruder beim Pissen umgebracht. Man tötet keinen Mann beim Pissen! Das gehört sich nicht, verstanden?"

Er zieht ein Messer und hält es David an den Hals. Flo zuckt zusammen, woraufhin sich das dicke Seil noch tiefer in seinen Hals bohrt. David verzieht keine Miene. Der Mann faucht wie ein Tier: "Vielleicht muss ich dir erst ein paar Schritte in dein hübsches Gesicht machen, bevor du meine Fragen beantworten kannst. Also zum letzten Mal: Wer bist du? Wohin gehst du? Und wo hast du gelernt, so zu kämpfen?"

Flo spürt, wie sich Davids Rückenmuskeln anspannen. Aber er schweigt weiter. Der stinkende Mann lässt das blanke Messer an seinem schlammigen Körper entlang gleiten und bleibt mit der kleinen Klinge an seiner Brustwarze stehen. "Mal sehen, ob du sprichst, wenn ich dir deine verdeckte Brustwarze abschneide!" Dann zeigt er seine gebleckten Zähne und grinst fies. "Wie er Angst hat!"

Davids Atem geht schneller und sein Zittern wird stärker. Er hat Angst, denkt Flo. Er will es verbergen, er will stark bleiben - aber Angst hat er trotzdem. Wie jeder Mensch in seiner Situation. Er spannt seinen ganzen Körper an, als wolle er den Schmerz aushalten.

"Wir sind Kaufleute aus Wandershaven", bricht es aus Flo heraus. "Wir haben viel Geld."

Der Mann grinst zufrieden, lässt seine Klinge aber weiter auf Davids zitterndem Körper ruhen. "Immerhin ein Anfang. Wie heißt ihr?"

Der EINE (bxb)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt