Der EINE (bxb)

10. Kapitel

Das Wasser dampft und Flo lässt seine Hand auf der Oberfläche treiben, als wäre es nicht seine eigene. Er fühlt sich schmutzig, aber das Wasser kann ihm nicht helfen. Unweigerlich überkommt ihn das Bedürfnis, seinen Körper zu verbergen, und so verschränkt er die Arme fest vor der Brust, senkt den Kopf und starrt auf die ruhige Wasseroberfläche. Er wagt es nicht, aufzublicken und David anzusehen, der sich neben der Wanne entkleidet, bevor er in einigem Abstand ebenfalls in die Steinwanne steigt, deren Wasserspiegel plötzlich deutlich ansteigt und die Oberfläche in gleichmäßige Schwingungen versetzt. Geschmeidig lässt er sich ins Wasser gleiten und mit einem tiefen Atemzug streckt er seinen langen Körper ins Wasser. Die Hitze scheint ihm nichts auszumachen. Die Wanne ist breit und tief, eher wie ein kleines Schwimmbecken, so dass beide genug Platz haben, um sich auf dem Wasser treiben zu lassen. Flo hat in seinem Leben noch nie so viel heißes Wasser auf einmal gesehen. Er hat sich immer nur mit kaltem Wasser, Seife und einem Schwamm gewaschen, und selbst wenn ein Kunde ein Bad genommen hat, war die Eisenwanne nicht einmal halb so groß wie die, in der er jetzt liegt.

Flo spürt Davids prüfenden Blick auf sich, sieht aber nicht auf. Er fühlt sich zu schmutzig. Obwohl er mit den Händen heftig über seine Haut reibt, will sie nicht sauber werden. Es ist kein neues Gefühl für ihn. Er weiß selbst nicht, warum er heute so viel empfindlicher ist als all die Jahre zuvor. David hat ihn besser behandelt als die meisten, auch wenn es ihn immer noch schüttelt, wenn er daran denkt, wie animalisch er aussah, als er sich an Flo vergnügte. Noch schockierender ist, dass Flo bei diesem Gedanken spürt, wie sein Glied im Wasser zuckt und er sich langsam aufrichtet.

"Woran denkst du?", fragt David nach einer Weile des Schweigens.

"Nichts Wichtiges", murmelt Flo ohne aufzublicken und verschwindet mit den Beinen unter Wasser. Hoffentlich bekommt er nicht mit, was unten mit mir passiert.

"Erzählst du es mir trotzdem?"

"Es ist ein schönes Bad."

"Mir gefällt es auch. Die Wanne ist so groß, dass es sich wie das Meer anfühlt." Er schaut zur Wand und Flo folgt seinem Blick zu einem kleinen Ölgemälde, das einen sonnigen Strand zeigt. "Da muss es schön sein." Seine Stimme klingt verträumt, als stelle er sich in diesem Moment vor, wie es wäre, dort im Wasser zu treiben und nicht in einer steinernen Badewanne.

"Fahr doch hin! Eine Reise ist bestimmt nicht zu teuer für dich", sagt Flo mit lockerer Stimme und freut sich über das leichte Thema. Er träumt lieber von fernen Stränden, als über die Geschehnisse der letzten Tage nachdenken zu müssen.

Doch Davids Lächeln verhärtet sich und seine Augen werden kalt. Trotz des warmen Wassers spürt Flo die Kälte, die von seinem Blick ausgeht. "Vielleicht", murmelt er leise. "Nach dem Krieg." Er wendet den Blick vom Bild ab und schaut ins Wasser.

"Du wirst den Krieg gewinnen, nicht wahr?"

"Ich werde ihn gewinnen."

"Ist das nicht dasselbe?"

"Im Krieg gibt es keine Sieger."

"Wie dem auch sei, wir gehen an den Strand auf dem Bild dort, wenn du willst." Er geht durch das Wasser auf ihn zu und berührt seinen Arm. Sein Blick starrt ins Leere, als wäre er an einem anderen Ort.

"Wenn ich noch lebe." Seine Stimme schneidet klar wie eine Messerklinge durch die feuchte Luft. "Die Prophezeiung gibt keine klare Antwort darauf, ob ich überleben werde. Zumindest nicht die Teile, die noch übrig sind."

Das ist neu für Flo. Jedes Kind kennt die Prophezeiung von dem Einen, der sich irgendwo in Egemin aufhalten soll und der eines Tages den Krieg mit Kataké zu Gunsten Egemins entscheiden wird, auch wenn viele sie für Aberglauben halten. In alten Zeiten hatte es Prophezeiungen, Helden und Ungeheuer gegeben, doch nach der Weltenwende war diese wundersame Zeit klaren Strukturen und Regeln gewichen. Doch einzelne Prophezeiungen sind aus jener Zeit erhalten geblieben, auch wenn sie in der alten Sprache verfasst und nur mit viel Mühe zu übersetzen sind. So auch die Legende von der Flamme des Krieges zwischen den Völkern Egemin und Kataké.