Wurde das wahre Evangelium Christi gefunden? VON: DR. CHRISTINE SCHIRRMACHER

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Wurde das wahre Evangelium Christi gefunden?

VON: DR. CHRISTINE SCHIRRMACHER

Das Barnabasevangelium

Seit ein paar Jahren liegt das sogenannte „Barnabasevangelium" auch auf deutsch vor. Es trägt den Titel: „Das Barnabasevangelium. Wahres Evangelium Jesu, genannt Christus, eines neuen Propheten von Gott, der Welt gesandt, gemäß dem Bericht des Barnabas, seines Apostels" (Turban Verlag: Bonndorf, 1994. 319 S.).

Muslime als Herausgeber der deutschen Ausgabe

Die deutsche Herausgabe dieses Textes wurde von einem zum Islam konvertierten deutschen Ehepaar unternommen. Beide sind Mitglieder des mystischen Derwischordens der Naqshbandiyya, dessen Wurzeln in das 14. Jahrhundert zurückreichen. Der erst in den neunziger Jahren von ihnen gegründete Turban-Verlag, in dem auch das Barnabasevangelium erschien, führt größtenteils Titel muslimischer Autoren. Die Übersetzung des Barnabasevangeliums ins Deutsche ist vom Sprachlichen her ebenso gut gelungen wie die solide äußerliche Gestaltung des Buches.

Was hat es mit diesem Barnabasevangelium auf sich?

Wenn der Leser das kurze Vorwort und den Klappentext des Buches studiert, erhält er den Eindruck, eine Originalquelle des frühen Christentums sei nach vielen Jahrhunderten endlich wieder aufgetaucht.

Die Christlich-islamische Kontroverse um das Buch

Die Herausgabe des Barnabasevangeliums auf deutsch (es erschien bis heute in mindestens 6-8 weiteren Sprachen) ist eine Fortsetzung der christlich-muslimischen Kontroverse um eine Schrift, die für sich selbst den Anspruch erhebt, das einzig wahre Evangelium zu sein. Von muslimischen Apologeten wird es auch fast durchgängig für das wahre Evangelium Jesu Christi gehalten, während Nichtmuslime es fast ebenso ausschließlich als Fälschung aus dem Mittelalter ablehnen. Diese Kontroverse begann bereits Anfang des 18. Jahrhunderts, als die ersten Stellungnahmen pro und contra Barnabasevangelium in Europa und in Indien veröffentlicht wurden.

Das älteste bekannte Exemplar

Lange war nur ein einziges Exemplar dieses Evangeliums in italienischer Sprache bekannt, das heute für jeden Interessierten in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien einzusehen ist. Bekommt man in Wien dieses kleine Bändchen in die Hand, kann man kaum glauben, daß dieses Buch in den letzten 100 Jahren zwischen Christen und Muslimen so viel Unruhe ausgelöst hat. Außer dem italienischen Manuskript sind aus dem 18. Jahrhundert zwei spanische Manuskripte bekannt, von denen eines als vollkommen verschollen gelten muß, während das andere als unvollständiges Manskript erst 1976 erneut in Sydney aufgefunden wurde, wo es sich noch heute befindet. Außer dem italienischen und den beiden spanischen Handschriften wurde nie eine griechische, lateinische oder hebräische Handschrift aufgefunden und niemals ein echter historischer Beweis dafür erbracht, daß das Barnabasevangelium vor dem 16. Jahrhundert existiert hat.

Christen geben die erste Edition heraus

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden Christen in der islamischen Welt mit so vielen Gerüchten über dieses angeblich wahre Evangelium konfrontiert, von dessen Text zu diesem Zeitpunkt lediglich Bruchstücke veröffentlicht waren, daß sich zwei Mitarbeiter der Anglikanischen Kirche, Lonsdale und Laura Ragg, zu einer vollständigen Edition und Übersetzung des italienischen Textes auf englisch entschlossen. 1907 erschien die zweisprachige italienisch-englische Edition. 1908 wurde das Barnabasevangelium bereits auf arabisch übersetzt. Danach hat es in der islamischen Welt eine ungeheure Rolle als Waffe gegen das Christentum gespielt.

Der Islam und das Barnabasevangelium

Warum treten Muslime derart vehement für dieses Evangelium ein?Weil es vorgibt, das einzige Evangelium von einem Augenzeugen des Lebens Jesu zu sein, und den Anspruch erhebt, die Wahrheit über das Christentum zu enthalten. Gleichzeitig lehnt es die grundlegenden christlichen Glaubenssätze ab, die auch der Islam verwirft: Leugnung von Jesu Gottessohnschaft, Kreuzigung und Auferstehung Das Barnabasevangelium leugnet die Gottessohnschaft Jesu, seinen Erlösertod am Kreuz und seine Auferstehung. Damit wird es als 'christliches' Evangelium zum Kronzeugen gegen das - wie Muslime meinen, entartete und verfälschte - paulinische Christentum, während es gleichzeitig die Aussagen des Korans bestätigt. Daß die wahre christliche Offenbarung also nicht mit dem Islam im Widerspruch steht, sondern mit ihr harmoniert ist ein immer wieder vorgebrachtes muslimisches Dogma, das - aus muslimischer Sicht - durch das Barnabasevangelium bestätigt wird. Jüdische, christliche und muslimische Elemente Das Evangelium, das jüdische, christliche und muslimische Elemente in sich vereinigt, schildert die Lebensgeschichte von Jesus Christus und seinen Jüngern von der Ankündigung der Geburt Jesu bis zu seinem Tod, es berichtet von Jesu Wundern, seinen Gleichnisse und Belehrungen, vom letzten Abendmahl, dem Verrat, dem Prozeß und der Kreuzigung, der das Barnabasevangelium eine islamische Deutung gibt: nicht Jesus, sondern Judas stirbt am Kreuz.

Christentum aus islamischer SichtWo Geschichten leben. Entdecke jetzt