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Noch nie hatte ich so eine starke Bindung mit einem Menschen, wie mit ihm. Auch wenn es anfangs nur auf freundschaftlicher Basis war, änderte sich unsere Beziehung von heute auf morgen. Als ich mir eingestehen musste, dass ich mich in ihn verliebt hatte, geriet ich in Panik. Ich wollte unsere Freundschaft nicht damit gefährden, jedoch wurde es mit der Zeit schlimmer und schwerer. Jedes Mal musste ich mit zusammenreißen, nicht eifersüchtig zu werden, wenn Mädchen versuchten, seine Aufmerksamkeit zu bekommen. Manchmal fragte ich mich, ob er nicht fühlen konnte, dass etwas sich verändert hatte. Ich gab mir bei jedem Treffen mehr Mühe, gut für ihn auszusehen. Ich verbrachte mehrere Stunden vor dem Spiegel, um ihm gerecht zu werden. Langsam verlor ich mich selber und merkte, wie ungesund es wurde. Und trotzdem machte ich es so lange mit, nur um von ihm einfach so verlassen zu werden. Nach unserem letzten Treffen kam ich mit einem schweren Herzen zu Hause an. Als hätte ich unterbewusst es irgendwie erahnt, dass dies unser letztes Treffen war. Ich erinnerte mich, wie ich einfach in mein Bett ging und weinte. Dieser Schmerz und dieses Stechen in meinem Herzen ... ich konnte nicht mehr.

"Mir ist natürlich bewusst, dass ich alles nicht nur mit einem Kompliment gut machen kann."

Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung. Meine Sicht verschwommen wegen des Alkohols. Er setzte sich zu mir auf die Stufen und sah mich an.

"Glaubst du, ich habe dich nicht vermisst?" Du warst meine beste Freundin." Er klang verletzt. Doch dieses "beste Freundin" verletzte mich.

Ich schwieg. Was sollte ich sagen? Eigentlich hatte ich so einiges zu sagen, jedoch wollte ich mich ihm gegenüber nie wieder so verletzlich zeigen wie damals.

"Deine Augen verraten mir, dass du mich auch vermisst hast. Auch wenn du nichts sagst, weiß ich es. Damals war es genauso. Du hast so selten über das geredet, was du wirklich gefühlt hast, aber deine Augen haben dich immer verraten." setzte er fort.

Wenn er doch meine Augen lesen konnte, wieso wusste er nicht, was ich für ihn empfand? Oder wollte er es sich einfach nicht eingestehen?

"Für jemanden, der meine Gefühle durch meine Augen lesen konnte, bist du ziemlich dumm gewesen dann." brachte ich gerade so raus.

Ich trank einen großen Schluck aus der Flasche und stellte diese neben mich hin.

"Aylin ..."

"Ich denke, du warst zu egoistisch, um es zu sehen ... um mich zu sehen"

Ich blickte hoch auf den Himmel, welcher mit Sternen übersät war. Der Mond strahlte auf uns runter und ich bemerkte, wie dies mich beruhigte.

"Ich habe dich gesehen. Und zwar nur dich." meinte er und ich konnte im Augenwinkel sehen, dass er mich immer noch ansah, weshalb ich ihn nun auch ansah. Unsere Augen trafen sich zum zweiten Mal an diesem Abend. Ich konnte den Schmerz in seinen Augen sehen und es tat mir genauso weh.

"Wenn du nur mich gesehen hast, wie konntest du mich so im Stich lassen?" meine Stimme zitterte, aus Angst vor der Wahrheit.

"Fußball schien mir damals wichtiger zu sein und ..."

"Und trotzdem hattest du Zeit für ein anderes Mädchen." unterbrach ich ihn.

"So war das nicht, Aylin. Sie kam einfach aus dem Nichts und ich dachte ... Ich weiß nicht, was ich dachte. Es tut mir doch so Leid, bitte."

Ich spürte, wie meine Wangen nass wurden. Weinte ich echt vor ihm jetzt? Er legte seine Hand auf meine, jedoch zog ich meine Hand schnell weg.

"Wage es nicht, mich anzugreifen. Dir ging es immer nur um dich und bei mir ging es genauso nur um dich. Und hier war mein Fehler. Ich habe mich selber vergessen, indem ich nur für dich da war. Bei jeder Kennenlernphase habe ich dir geholfen, als du alles aufgeben wolltest, war ich da, bei jedem Erfolg war ICH da. Wo warst du, als ich dich gebraucht habe?" Ich wurde lauter und stand auf. Mir wurde schwindelig von dem Alkohol und zudem hatte ich heute nicht viel gegessen. Er stand schnell auf und hielt mich an der Hüfte fest. Wir waren so nah, dass ich seinen Atem spüren konnte. Ich versuchte mich von seinem Griff zu lösen, doch er war stärker. Er zog mich in eine Umarmung und legte seinen Kopf auf meine Schulter. Und schon flossen meine Tränen.

"Du hast mit allem recht. Es tut mir leid."

Nach einer Zeit versuchte ich mich von der Umarmung zu befreien, was mir gelang.

"Hier, dir ist sicher kalt." meinte er und zog sein Hemd aus und legte mir diese um meine Schultern.

"Wir sollten auf Abstand gehen. Es bringt sich nichts mehr, etwas zu versuchen, was zum Scheitern verurteilt ist, Kenan."

Und somit ging ich wieder rein und ließ ihn alleine stehen. In mir war noch ein Funken Hoffnung, aber ich musste dies verdrängen.

Yeşil GözlümWo Geschichten leben. Entdecke jetzt