Ungekannte Liebe

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"Warum muss es so verdammt wehtun?!" Mit einem Seufzen sah die Frau auf ihre Tochter, die schluchzend auf dem Bett lag und scheinbar gar nicht mehr aufhören wollte zu weinen. Sie setzte sich neben das zusammengekauerte Mädchen auf das Bett und strich ihr über den Rücken. "Sieh es doch so, ihr hattet wenigstens eine Chance. Du musst zugeben, dass du und Theo eine gute Zeit hatten oder?"

Immer noch schluchzend legte sie und sah ihre Mutter aus verweinten Augen an. "Aber wenn ich nie auf sie zugegangen wäre, dann wären wir vielleicht nicht zusammengekommen und es hätte nicht so verdammt wehgetan wie es gerade tut!" Die Frau lächelte traurig.

"Oh nein glaub mir, wenn du jemanden liebst, dann zerreißt es dich innerlich, wenn du so tust als würdest du es nicht. Zwei Junge, mit denen ich viel zu tun hatte, haben vor fünfundzwanzig Jahren genauso gedacht wie du..."

-fünfundzwanzig Jahre zuvor-

Grinsend ging der Blonde auf seinen besten Freund zu und sprang ihn schon beinahe in die Arme. "Ey du Stegosaurus, nicht so stürmisch, wir haben uns doch gestern erst noch gesehen!", lachte der Schwarzhaarige neben seinem Ohr. Sein Herz fing an zu rasen und in ihm fing alles an zu kribbeln. Er stellte sich wieder auff seine eigenen Füße und verschränkte gespielt trotzig die Arme. "Na und, dass ist schon viel zu lange her!"

Sein Gegenüber schenkte ihm ein verschwörerisches Grinsen und zwinkerte mit den Augen, was wieder einmal dazu führte, dass dem Blonden das Blut in den Kopf stieg und er zur lebenden Tomate wurde. Er wußte warum er ihn so ansah, denn niemand außer den Beiden kannte ihr kleines Geheimnis. Fast jeden Abend um Mitternacht klopften kleine Steinchen gegen seine Balkontür und wenn er sich dann an einem Seil herunter ließ, stand dort sein bester Freund Basti und lächelte ihn freudig an. Bis kurz bevor ihr Wecker klingelte, waren sie unterwegs diese Nacht, haben ein Spaziergang gemacht und zusammen auf einer Lichtung mitten im Wald nebeneinander gelegen und die Sterne beobachtet. Beim ersten Morgengrauen hatte er ihn nach Hause gebracht, ist extra noch das Seil mit hochgeklettert, um ihn zu zudecken und ihm Gute Nacht zu wünschen.

"Seit ihr fertig oder wollt ihr euch noch weiter mit den Blicken ausziehen?", lachte Veni. "For real Bro, sucht euch 'nen Zimmer!", stimmte Kevin Veni lachend zu. Stegi verdrehte die Augen. "Freut mich auch euch zu sehen", seufzte er und setzte sich auf die Tischtennisplatten, an denen sie sich fast jeden Tag nach der Schule trafen. Es war ein bisschen blöd, dass er der Einzige war, der auf eine andere Schule ging und somit die anderen, insbesondere Basti erst am Nachmittag sah.

Neidisch sah er auf Kevin, der seinen Arm um seine Freundin gelegt hatte.  Er wünschte er könnte das auch bei Basti machen, doch der Typ war der straightste Mann, denn er je gesehen hatte, deswegen ließ er es einfach komplett sein, sich in irgendeiner Weise Hoffnungen machen zu machen und genoß einfach die Momente, in denen Basti ihn umarmte oder ihn berührte oder ihm sein wunderschönes Lachen schenkte. Er würde ihm mit Sicherheit nie sagen was er fühlte, dafür war er sich zu sicher, dass Basti danach nichts mehr mit ihm zu tun haben möchte.

-ein Jahr später-

Hilflos strich eine jüngere Version der Frau Basti über den Rücken. Sie wusste, dass ihr kleiner Bruder unsterblich in seinen besten Freund verliebt war und sie wusste auch, dass der es auch war, aber sie konnte keinen der Beiden dazu bringen den ersten Schritt zu tun. Zu groß war die Angst der zwei besten Freunde, dass der jeweils Andere danach nichts mehr mittlerweile ihm zu tun haben wollte. So konnte sie Basti und Stegi nur trösten, wenn sie mal wieder komplett verzweifelten und nicht mehr wussten, wie sie ihrem besten Freund am nächsten Tag sehen sollten, ohne ihr Bedürfnis befriedigen zu können, ihn in den Arm zu nehmen und zu küssen.

Sie wusste, dass sie sich noch immer um Mitternacht trafen, wenn auch nur noch selten, denn jedes Mal klopfte Basti danach an ihrer Tür, weil es ihn innerlich zeriß und am nächsten Tag war das Gleiche mit dem Blonden, für den sie wie eine große Schwester war, die er nicht hatte.

-ein weiteres halbes Jahr später-

Die beiden Jungen lagen mal wieder auf ihre Wiese, in ein gemeinsames Schweigen gehüllt, was bei ihnen noch nie unangenehm war.

Plötzlich schluchzte der Kleiner auf und klammerte die Arme um seinen besten Freund. "Es t-tut mi-mir so unfa-assbar leid, bitte verzeih m-mir Basti", brachte er zwischen mehreren Schluchzern hervor. Überfordert sah der ihn an und legte ebenfalls die Arme um ihn. "Stegi, was ist denn? Pscht, es ist alles gut, bitte beruhige dich, ich bin doch da und das werde ich auch immer bleiben!" Doch das Schluchzen des Blonden wurde noch lauter und er sah ihn verzweifelt aus seinen blau-grünen Augen an. "Da-das ist es ja! Wir ziehen weg Basti. In ein anderes Land auf einem anderen Kontinenten, wir ziehen irgendwo nach Minnesota! Wir werden uns nicht mehr sehen, vielleicht sogar nie wieder! Ich will das nicht, ich will hier bleiben bei dir!" Das Schluchzen wurde noch schlimmer und es zerriss ihm förmlich da Herz, diesen Jungen, den er so verdammt doll liebte, so unglücklich zu sehen.

''Wir werden uns vielleicht nie wieder sehen!" Sein Herz schien auf einmal Tonnen zu wiegen bei diesem Gedanken.

So lagen sie also da, Arm in Arm, liebten einander, ohne es zu wissen oder wahrhaben zu wollen. Der Größere strich seinem besten Freund, der weinend in seinen Armen, nur bedrückt über den Rücken und die vorher noch lockere Stimmung war verflogen.

Irgendwann wurde das Schluchzen leiser, bis es schließlich aufhörte. "Wir fliegen morgen, unsere Sachen sind bis auf die Matratzen und ein paar Klamotten schon in Minnesota. Bringst du mich noch einmal nach Hause?", murmelte der Blonde gegen Basti's Brust. Der nickt nur und schwerfällig richteten sie sich auf.

Schweigend gingen sie den Weg, denn sie in den letzten zwei Jahren so oft gemeinsam langgegangen waren, zu Stegis Balkon. Nacheinander kletterten sie das Seil hoch, dass sie damals zusammen festgebunden hatten, mit irgendeinem Seemannsknoten, den Basti von seinem Vater gelernt hatte. Oben angekommen standen sie in der Glastür des Balkons und sahen das Zimmer, das bis auf eine Matratze und einen Klamottenstapel leer war. Ein letztes Mal ließ sich Stegi zudecken, ein für sie uraltes Ritual. Der Schwarzhaarige beugte sich vor, ihre Gesichter waren so nahe, dass sie den Atem des jeweils Anderen spüren konnten. "Kann ich noch eine Sache tun, die ich schon so verdammt lange tun will?" Der Blonde nickte und nur Sekunden später lagen ihre Lippen aufeinander. Es war ein kleiner, unschuldiger Kuss, ohne Lust oder Ähnliches, doch voller Sehnsucht, die sich über die Jahre in ihnen angestaut hatte. Ihre Lippen lösten sich, Basti flüsterte noch ein leises "Gute Nacht" und verschwand. Noch lange lagen die Beiden wach und fragten sich, ob sie alles richtig getan hatten.

-Gegenwart-

Das Mädchen ah ihre Mutter mit großen Augen an. "Haben sie sich je wieder gesehen?" Die Frau schüttelte nur den Kopf und lächelte traurig. "Es zerreißt Basti bis heute, doch der Kontakt verlor sich an diesem Abend. Er ist immer noch nicht darüber hinweg. Über ihre ungekannte Liebe..."

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Morddrohungen und Ähnliches werden nur in Papierflieger-Form angenommen!

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