5- Sorgen

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Corbin's POV:

Meine Schwester ist wieder da.

Ich kann es nicht glauben.

Es fühlt sich so surreal an.

Aber ich weiß das irgendwas passiert ist. Sie benimmt sich so komisch. Und sie ist so verändert. Sie sieht so kaputt und müde aus.

„Irgendwas ist mit ihr", war das erste was ich zu meiner Freundin sagte, als ich wieder in unserem Zimmer ankam.

„Baby, bitte. Sie hat dich seit 6 Jahren nicht gesehen und sie ist komplett umringt mit fremden Menschen".

Lynn lag schon mit ihrem Schlafanzug im Bett. Und ich lief zum Kleiderschrank um mich ebenfalls umzuziehen.

„Ich spüre was. Und sie ist so... so anders. Sie sieht so-", „Traurig aus?", ergänzte sie für mich.

„Ja", gab ich zu.

„Vielleicht hatte sie nur einen schlechten Tag? Oder sie konnte die Nacht nicht gut schlafen. Und natürlich sieht sie anders aus, Baby. Du hast sie auch 6 Jahre lang nicht gesehen. Sie ist jetzt ein Teenager, der durch die Pubertät geht".

„Und warum hat mir Mom dann nicht geschrieben? Meine Schwester ist abgehauen, wahrscheinlich ohne etwas zu sagen, und meine Mutter hat nicht in Erwägung gezogen mir zu schreiben, dass meine Schwester verschwunden ist? Was wäre wenn sie nicht zu uns gekommen wäre? Sondern irgendwo anders hin?".

Lynn antwortete mir nicht auf meine Fragen. Sie wusste, dass es nur meine Gedanken waren und ich nicht wirklich eine Antwort drauf haben wollte.

Nachdem ich mich zu ihr ins Bett gelegt hatte, schwiegen wir uns an.

Nach ein Paar Minuten aber, drehte sie sich zu mir und fing an zu sprechen.

„Sie sieht so einsam und verloren aus, Corbin. Wie ein kaputter Teddy den man so lange drücken möchte bis er wieder heile ist".

Ich sah drüber hinweg, dass sie meine Schwester als kaputten Teddy bezeichnete und antwortete ihr mit meinen Gedanken.

„Sie hat gesagt das es Mom doch nicht besser geht. Und das sie nicht Klassenbeste ist. Was ist wenn sie auch über andere Sachen gelogen hat? Was ist wenn ich sie in diesem Haus zurück gelassen habe? Allein gelassen habe?"

„Baby, hör auf so negativ zu denken. Vielleicht hat sie über ihre eigene Gesundheit gelogen, damit du dir keine Sorgen machst? Und selbst wenn du sie zurückgelassen hast, du kannst es nicht rückgängig machen, du kannst es jetzt nur versuchen wieder gut zu machen. Sie ist erst 16 Jahre alt, noch hast du Zeit".

„Also sollen wir sie hier behalten? Ich soll nicht meine Eltern anrufen und sie zurück bringen. Nach Hause?", fragend sah ich sie an.

Lynn seufzte auf. „Du hast sie gesehen. Sie sieht nicht gut aus und vor allem nicht glücklich. Und von dem was sie, und du damals, von deinen Eltern erzählt hat, wird es dort kein gutes Umfeld für eine 16 jährige sein. Wenn deine Mutter krank ist und wie Rue gesagt hat, auf hohen Medikamenten ist, ist sie dort nicht sicher. Vielleicht hättest du sie sogar schon früher zu uns holen sollen. Als wir uns eingelebt hatten und du einen Job hattest?"

„Und was ist wenn sie nach ihr suchen? Und sie, sie hier finden? Dann bin ich dran wegen Kindesentführung!"

„Du bist bei der Polizei, Baby. Dann sagst du denen das es kein sicheres Umfeld für sie war. Wir schaffen das schon, okay?". Mit einem aufmunternden Blick sah die Liebe meines Lebens mich an.

Oh Gott womit habe ich sie nur verdient.

„Ich liebe dich baby", flüsterte ich, als ich ihren Kopf ranzog und sie zu küssen.

„Ich dich auch".



Es ist der nächste Tag und wir haben 12 Uhr. Rue ist immer noch nicht aus dem Zimmer gekommen.
Heute ist Mittwoch, der 12. Oktober und ich habe mir für den Rest der Woche freigekommen, um mich voll und ganz auf Rue konzentrieren zu können.

„Geh nach ihr gucken, wenn du dir so Sorgen machst das sie abgehauen ist", schlug Zayn mit einem Augenrollen vor.

Er durfte heute wegen dieser ganzen Situation zuhause bleiben. Ich weiß auch nicht wirklich warum. Wahrscheinlich nur weil wir drei erwachsenen heute morgen nicht aufgestanden sind und Zayn sich dann dachte das es ein gute Tag wäre um Schule zu Schwänzen.
Auf jeden Fall tun wir alle einfach so, als wenn es gewollt gewesen wäre.

„Zayn, dass ist nicht lustig!", zischte Joey.

„Ist schon gut Joey. Er hat ja recht". Zögernd stand ich auf und rubbelte am vorbei gehen Zayn's Haare.

„Ey!", zischte er.

Grinsend ging ich hoch zu Rues Tür. Ich klopfte ein Mal dagegen. „Rue? Bist du wach? Kann ich rein kommen?", nachdem nach 10 Sekunden keine Antwort kam, gab ich ihr Bescheid, „Ich komme jetzt rein, ja?".

Als immer noch keine Antwort kam, machte ich die Tür auf.

Rue lag unter der Bettdecke, noch immer am schlafen.
Als ich sie aber genauer betrachtete, sah ich das sie nicht Lynn's Schlafanzug trug. Nein, sie trug Klamotten von Zayn. Dieses Langarmshirt hat er vor ein paar Jahren immer getragen, dass weiß ich genau.
Warum hatte sie Klamotten von Zayn an?

„Rue? Es ist schon 12 Uhr. Möchtest du nicht mal langsam aufstehen?", flüsterte ich, als ich ihr die Haare aus dem Gesicht strich.

Doch als ich dies tat, sah ich einen kleinen Blauen Fleck auf der rechten Seite ihrer Stirn, am Ansatz ihres Haares. Vorsichtig strich ich drüber und beäugte ihn genauer.

Dann machte sie auf ein Mal die Augen auf und fuhr erschrocken zurück. „Corbin?".

„Guten Morgen kleines, hast du gut geschlafen?"

„Ja", antwortete sie verschlafen.

„Möchtest du runter kommen und was essen? Dann können wir etwas reden?"

„Oh, ja klar, ich ziehe mich nur kurz um wenn das okay ist?"

„Natürlich ist das okay Rue. Ich bin schon mal unten".

Ich stand von ihrem Bett auf und ging wieder nach unten.
Dann machte ich etwas Rührei und zwei Toasts.

Nach wenigen Minuten kam Rue auch schon.

„Guten Morgen süße, gut geschlafen?", fragte Lynn sie direkt.

„Guten Morgen, ja hab ich, danke", verlegen sah sie auf ihre Hände, mit denen sie spielte.

Eine Angewohnheit die sie schon seit unserer Kindheit hatte.
Mit den Händen spielen wenn sie nervös war.

„Setz dich neben Zayn", sagte ich ihr, damit sie nicht wie ein verlorener Pudeln in der Küche rum steht.

Langsam setzte sie sich hin.

„Hey Rue. Ich bin Joey, Lynn's großer Bruder. Wir haben uns gestern nicht wirklich vorgestellt". Lächelnd schaute Joey sie an.

„Hey Joey", flüsterte Rue, auch mit einem kleinen Lächeln.

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