Gehetzt laufe ich über die Straßen, versuche dabei nicht von einem Auto angefahren zu werden oder über einen der vielen Touristen zu stolpern, die heute auf magische Weise immer wieder in meine Laufwege springen. Ein Hupen erklingt, dicht gefolgt von einer Schimpftirade die ich nur hören kann, weil der Fahrer des Lexus die Fenster unten hat.
Kurzerhand strecke ich ihm den Mittelfinger entgegen und verkneife es mir ihn darauf hinzuweisen, dass die Ampel für die Fußgänger grün ist und seine Protzkarre keine eingebaute Vorfahrt hat. Sobald ich wieder sicheren Bürgersteig betrete, nippe ich an meinem dreifachen Espresso, den ich mir erst vor ein paar Minuten im Coffeeshop an der Ecke besorgt habe. Laufend, trinkend und ausweichend bewege ich mich kontinuierlich vorwärts und da soll mir nochmal einer verklickern wollen, ich hätte kein Talent für Multitasking.
Normalerweise hätte ich heute keinerlei Termine, außer ein paar Besorgungen, die erledigt werden wollen und einem abendlichen Dinner-Date mit meinem Mann. Doch ich habe noch nie zu den Frauen gehört, die ihre Tage ausschließlich mit dem Haushalt verbringen können und sich nicht schon nach fünf Minuten zu Tode langweilen.
Deshalb kam mir die spontane Einladung zum Mittagessen mit meinen zwei einzigen Freunden hier in San Franzisco nur recht. Ehrlich, noch eine Sekunde länger alleine in der Wohnung und ich hätte ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich nicht doch mal mit dem Trinken anfangen sollte.
Im allerletzten Moment kann ich stoppen und einen Zusammenstoß mit einen Bermuda-Shorts tragenden Kerl verhindern, der mitten auf dem Gehweg verharrt und planlos auf einen Stadtplan von San Francisco starrt. Er hätte mich beinahe wie der letzte Depp von den Beinen gerissen und bekommt es nicht einmal mit! Schnaubend verdrehe ich die Augen bei so viel Ignoranz und Dessinteresse.
„Oh", bemerkt der Kerl schließlich auch mal meine Anwesenheit und hat wenigstens genug Anstand, verlegen zu merken, dass er nicht nur mir im Weg steht. Mittlerweile staut es sich auf dem Gehweg und auch andere Passanten blicken mehr als genervt drein.
Sobald sich der Kerl also endlich wieder in Bewegung setzt und den damit verursachten Fußgänger-Stau aufhebt, laufe ich direkt weiter und kann mein Ziel schon fast sehen. Noch ein letztes Mal beschleunige ich meine Schritte.
Denn ehrlich gesagt bin ich wie immer reichlich spät dran und kann wirklich froh sein, dass meine Freunde mich inzwischen gut genug kennen. Es ist demnach unwahrscheinlich, dass die beiden mir meine zehnminütige Verspätung wirklich böse nehmen. Jedenfalls hoffe ich das.
Vor dem Gebäude, in dem wir arbeiten, wollten die beiden auf mich warten. Ja, wir sind nicht nur Freunde sondern auch Kollegen.
Jedenfalls kann ich erleichtert aufatmen, als ich sie ziemlich schnell neben der Eingangstür ausmache. Was wiederrum kein Wunder ist. Mein bester Freund -Nathaniel Johnson- ist ein hünenhafter Riese, der mit seiner Größe jeden ohne große Probleme überragt und den Durchschnittsmann mit seinen gestählten Muskeln mickrig aussehen lässt. Dazu kommen seine mit Adonis gleichkommenden Gesichtszüge, die durch einen dichten Bart etwas ursprüngliches und raues bekommen und mit den stechend waldgrünen Augen zieht er sowohl weibliche als auch männliche Blicke auf sich. Und die meisten sind eindeutig schmachtender Natur.
Lydia Rings hingegen, hebt sich mit ihren natürlichen Kurven, die jede Frau im Umkreis von mindestens einer Meile vor Neid erblassen lassen, aus der Masse hervor. Sie ist genauso wie ich 29 Jahre jung und im Gegensatz zu Nate kennen wir uns seit unserem Studium. Obwohl dazu gesagt werden muss, dass wir einige Jahre so gut wie keinen Kontakt zueinander hatten, da ich die Uni vor ihr verlassen habe.
Denn sie hat neben einem abgeschlossenen Journalismus Studium, noch einen Abschluss im Hauptfach Gender Studies drangehängt, mit Schwerpunkt auf Feminismus und Gleichberechtigung der Geschlechter. Jetzt hat sie eine eigene kleine Kolumne im gleichen Lifestyle Magazin, für das auch ich hin und wieder schreibe.
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Broken Hearts
RomanceJohnson-Brüder-Reihe | Band 1 Ein Besuch bei der Familie sollte etwas Schönes sein. Jedenfalls ist das in den meisten Familien so, bei den Bells hingegen bedeutet ein Besuch zu Hause, eine Armee an Bediensteten, endlos langweilige Essen, mit noch l...