Der Termin beim Friseur zieht sich über zwei Stunden, die mir vorkommen wie eine halbe Ewigkeit. Wenigstens hatte ich so genug Zeit, um den besten Scheidungsanwalt in San Francisco über mein Handy ausfindig zu machen.
Da ich praktisch an den Friseurstuhl gefesselt war, konnte ich ein erstes Telefongespräch mit Melissa Cattral führen und ihr meine Situation erklären. Die erstklassige Scheidungsanwältin war zum Glück auf Anhieb bereit, mein Mandat zu übernehmen, und hat heute Nachmittag gleich einen Termin für mich freigeschaufelt.
Denn es steht nicht zur Debatte, dass ich länger als nötig mit jemandem verheiratet bleibe, der mich betrogen, hintergangen und aufs Übelste gedemütigt hat. Nein, ich will die Scheidung! Das steht fest und davon wird mich auch niemand abbringen.
Währenddessen hat Chris, mein Hairstylist, oder wie er sich selbst nennt -Hairdesigner- alles gegeben, sich völlig verausgabt und es hat sich gelohnt. Jetzt habe ich nämlich einen klassisch, eleganten Bob, anstatt meiner selbst eingekürzten Zotteln. Dazu kommt, dass ich zu meiner eigentlichen Haarfarbe zurückgefunden habe.
Das dunkle Kastanienbraun ist nun von vorteilhaft gesetzten Highlights durchzogen und ich habe diesen natürlichen Look wirklich viel zu lange missen müssen. Es waren lange acht Monate mit diesem künstlichen Blond, zu dem mich Troy überredet hat, weil mir das angeblich ja so viel besser stehen würde. Zu sagen, dass ich froh bin und mich mit der neuen Frisur wieder ein wenig mehr wie ich selbst fühle, wäre eine Untertreibung.
Jetzt warte ich vor dem Salon auf die beiden Johnson-Männer und bereite mich innerlich auf das Unausweichliche vor. Allein bei dem Gedanken, noch einmal einen Fuß in das Haus zu setzen, in dem ich meinen Ehemann mit einer anderen Frau erwischt habe, sträubt sich alles in mir. Aber bisher bin ich noch keinem Kampf aus dem Weg gegangen und damit fange ich ganz bestimmt auch nicht an!
Als Nates Wagen vor mir am Straßenrand hält, komme ich wieder im Hier und Jetzt an. Ohne weiter darüber nachzudenken, öffne ich die hintere Tür, gleite auf die Rückbank und schnalle mich an, ehe ich nach vorne sehe. Nur um zu bemerken, dass die beiden Männer mich schon anschauen und große Augen machen.
„Was?", frage ich argwöhnisch und hebe die linke Augenbraue, während mich beide Männer intensiv mustern.
„Die Frisur steht dir, Kit", meint Nate belegt und räuspert sich sofort vernehmlich. Verwundert betrachte ich meinen besten Freund und kann seine Aussage nicht so recht einordnen.
„Was mein Bruder damit wohl eigentlich ausdrücken wollte: du siehst absolut bezaubernd aus", schmeichelt Constantin mir charmant vom Beifahrersitz aus, schenkt mir ein hinreißendes Lächeln und überrascht nicht nur mich mit seiner Aussage.
„Oh... ähm... danke?", entgegne ich von dem Kompliment überrumpelt und streiche mir eine Strähne verlegen hinters Ohr. „Können wir dann los, oder wollt ihr meinen neuen Haarschnitt noch weiter in Augenschein nehmen?"
„Nein, nein, wir können los", schaltet Nate sofort, dreht den Schlüssel und ordnet sich nach einem Schulterblick im Verkehr ein.
Entspannt lehne ich mich zurück und beobachte schweigend das Geplänkel der beiden Brüder. Constantin macht sich über das offensichtliche Fehlen von Nates Gesangstalent lustig, als dieser das Radio aufdreht und mit Dean Lewis mitsingt. Daraufhin tut Nate auf beleidigt und trällert nur umso lauter und schiefer den Text von ‚Be Alright'.
Vielleicht liegt es daran, dass ich meine eigenen Brüder schon viel zu lange nicht mehr gesehen habe und mein Herz sich insgeheim nach diesen Chaoten sehnt, aber das Verhalten von Nathaniel und Constantin lässt mich innerlich zur Ruhe kommen. Es ist, als würde es mir Kraft geben.
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Broken Hearts
RomanceJohnson-Brüder-Reihe | Band 1 Ein Besuch bei der Familie sollte etwas Schönes sein. Jedenfalls ist das in den meisten Familien so, bei den Bells hingegen bedeutet ein Besuch zu Hause, eine Armee an Bediensteten, endlos langweilige Essen, mit noch l...