Kapitel 08 • Kit

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„Was machst du da?", will ich neugierig wissen und linse auf das iPad, das auf Constantins Schoß liegt. Er zeichnet schon, seitdem die Anschnallzeichen erloschen sind und wir unsere optimale Flughöhe erreicht haben, darauf herum und sieht dabei so unglaublich konzentriert aus.

„Hmm?", kommt es geistesabwesend von ihm und er hebt perplex den Kopf. Offenbar hat er nicht damit gerechnet, angesprochen zu werden. Doch nachdem ich die letzte Viertelstunde damit zugebracht habe, aus dem Fenster zu starren und darüber nachzudenken, dass ein Flugzeugabsturz für mich doch eigentlich alle Probleme lösen würde, muss ich mich definitiv auf andere Gedanken bringen.

Draußen ist noch nicht mal die Sonne aufgegangen, so früh ist es, und ich fantasiere schon lebhaft darüber, dass mein Tod einfacher wäre, als mich meinen Eltern zu stellen. Gott, ich bin sowas von verkorkst!

„Was machst du da?", wiederhole ich meine Frage und deute mit dem Kopf auf das iPad.

„Oh", stockt er, während sein Blick zweimal zwischen dem Gerät und mir hin und her wandert und schließlich bei meinem Gesicht hängen bleibt. „Ähm... Ashton, einer meiner kleinen Brüder hat vor, sich eventuell mit seinem Restaurant zu vergrößern, und ich plane schon mal ein wenig, bis es soweit ist."

„Ich weiß, wer Ashton ist, Constantin", werfe ich augenverdrehend ein, was ihm ein fast schon spöttisches Schnauben entlockt und etwas, das verdächtig nach ‚Natürlich weiß sie, wer Ashton ist' klingt. „Er wird also wirklich ein weiteres Lokal aufmachen?"

„Wahrscheinlich schon, das Aramis läuft gut, und auch wenn er es abstreiten würde, Ashton ist der wohl ehrgeizigste Mensch, den ich kenne, und er braucht langsam eine neue Herausforderung, um auf Trapp zu bleiben."

„Wo will er das zweite Restaurant eröffnen?", hake ich nun mit einer gewissen Ungeduld nach.

„San Francisco –"

„Oh mein Gott!", hauche ich aufgeregt und kann gerade so das begeisterte Quitschen und Hüpfen, das in mir aufsteigt, unterdrücken. „Oh Gott! Bist du dir sicher? Ganz sicher!?"

„Davon ist auszugehen, aber warum interessiert dich das? Kennst du meinen Bruder... näher?", fragt er mit einem gewissen skeptischen Unterton. Aber ich kann es ihm nicht verdenken, schließlich ist mein Enthusiasmus vielleicht ein bisschen zu überschwänglich. Vor allem bei Ashtons Vorgeschichte.

Er ist, soweit ich weiß, der Einzige der Johnson-Brüder, der Vater ist und den Schritt in die Ehe gewagt hat, nur um seine Frau dann viel zu früh wieder zu verlieren und sie beerdigen zu müssen. In so ziemlich jedem Interview, das ich über Ashton gelesen habe, wurde mehr oder weniger deutlich, dass der Zweitälteste Johnson nie wirklich über den Tod seiner Frau hinweggekommen ist und eigentlich kein Interesse an einer neuen Beziehung hat.

„Nein, ich habe ihn leider nie persönlich kennengelernt", erkläre ich ihm voller Bedauern, aber er hebt nur seine linke Augenbraue, was irgendwie ziemlich heiß ist. „Ich kenne ihn nur aus Erzählungen von Nate und über das, was man über ihn schreibt... aber ich habe vor knapp einem Jahre im Aramis gegessen, und wenn es möglich wäre, hätte ich wohl eine sehr leidenschaftliche und versaute Affäre mit diesem unglaublichen Lachsforellenragout mit den Krebsschwänzen gehabt!", stöhne ich, und noch heute, wenn ich daran zurückdenke, kann ich diese unglaublich intensive und harmonische Geschmacksexplosion auf der Zunge schmecken. „Ich glaube, ich war dem Himmel niemals näher als in diesem Moment!"

„Ja, das ist wirklich gut... aber sein Bison-Rib-Eye-Steak mit Ahornsirup-Butter ist noch etwas besser", zwinkert er mir nun verschwörerisch zu und hat dabei ein fast schon kindliches Funkeln in den Augen, als ich mir theatralisch ans Herz fasse.

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