Kapitel 10 • Kit

70 8 8
                                    

„Hey, Mom. Du siehst gut aus", murmele ich angespannt zur Begrüßung, hebe zaghaft meine Hand und ich muss den Impuls unterdrücken, mich wie Houdini der Situation zu entziehen, die auf uns unaufhaltsam zusteuert.

„Katheryn", erwidert sie affektiert lächelnd und gibt dem Stereotyp der ‚Southern Belle' eine ganz neue Dimension.

Ihre dunkelblonden Haare sind aufwendig frisiert und ihr Make-up ist gleichermaßen zurückhaltend wie vorteilhaft, um ihre natürliche Schönheit zu unterstreichen. Denn ja, Beverlie Bell ist bildschön und es ist wahrlich eine Schande, dass ich bis auf meine zierliche Nase so gut wie nichts von ihr habe.

„Wo ist denn Dad?", frage ich in dem aussichtslosen Versuch, die nicht zu leugnende Spannung in der Luft zu ignorieren.

„Wer ist denn dein Begleiter, Katheryn?", will sie, ohne meine Frage zu beantworten, wissen und bleibt schließlich direkt vor mir stehen. Ja, diese Woche wird genauso lustig wie ein Kaffeekränzchen mit Al Capone!

„Constantin Johnson, Ma'am", stellt er sich unerschrocken der Chanel Nr. 5 umnachteten Präsenz, die mich und meine Brüder in die Welt gesetzt hat. „Ihr Haus ist wirklich wunderschön und äußerst beeindruckend."

„Sehr freundlich von Ihnen, Mr. Johnson."

„Constantin ist der Bruder eines Freundes. Er hat eine Woche Urlaub und hat sich mir angeschlossen", erkläre ich ihr und würde am liebsten hinter seinem großen Körper vor dem schneidenden Ausdruck ihrer Augen in Deckung gehen. Doch da ihr das wohl erst recht missfallen würde, bleibe ich stark und bewege mich keinen Millimeter.

„Na wenn das so ist, freuen wir uns natürlich, dass Sie hier sind, Mr. Johnson. Auch wenn Katheryn das vorher mit keinem einzigen Wort erwähnt hat", trällert meine Mutter in ihrer besten passiv-aggressiven-Südstaaten-Freundlichkeit. Die Haustür hinter uns hat schlagartig wieder eine äußerst verlockende Wirkung auf mich, als sie sich voll auf mich fixiert und ohne Luft zu holen ihre nächste Salve im Plauderton abfeuert: „Zwar hätte ich dem allgemeinen Anstand nach zumindest eine Vorwarnung erhalten müssen, aber jetzt ist es wie es ist!"

„Es war ein kurzfristiger Entschluss", argumentiere ich, was nicht einmal gelogen ist.

„Kurzfristig oder nicht, Katheryn Bell, du hättest anrufen können!", wirft meine Mutter mir schneidend vor, erinnert sich dann aber offenbar wieder daran, dass wir nicht unter uns sind, und setzt ein Gast taugliches Lächeln auf, ehe sie ihre Stimme dämpft: „Wir leben ja schließlich nicht mehr im Zeitalter der Brieftauben und Postkutschen, die vielleicht solch eine unerwartete... Überraschung unweigerlich zur Folge hätten! Und wie siehst du eigentlich aus? Was hast du nur mit deinem Haar angestellt?"

„Ich brauchte eine Veränderung und hatte außerdem genug vom ständigen Blondieren", antworte ich ihren abfallenden Tonfall einfach überhörend und zucke mit den Schultern, während ich mir eine dunkelbraune Strähne hinters Ohr streiche, die wegen des Flugs hierher leicht zerzaust sind.

Es war mir schließlich von Anfang an klar, dass meine Mutter mit meiner neuen Frisur nicht glücklich sein wird und es auch nicht unkommentiert lassen kann. Nein, dafür ist sie einfach nicht der Typ Frau... aber ich habe das auch nicht für sie gemacht! Deshalb kann sie auch toben und meckern, wie sie will. Ich liebe die Länge und die Farbe und hätte das schon viel eher machen sollen!

„Das kann nicht dein Ernst sein! Du hast dir deine Haare also freiwillig verstümmeln lassen, obwohl das lange Blond doch so viel femininer aussah und nicht so...", kritisch deutet sie auf meinen Kopf und scheint nicht das richtige Adjektiv für ihre nächste Beleidigung zu finden. Letztlich schüttelt sie ganz und gar verständnislos den Kopf und fährt fort, indem sie ihre Augen an mir herabwandern lässt. „Und was trägst du da eigentlich für ein entsetzliches Outfit, Katheryn Bell?!"

Broken HeartsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt