Kapitel 12 - Tod unterm Königsstein

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Herzogtum Sachsen, Allianz Deutscher Länder (ADL)
Donnerstag, 25. August 2061, 15:18 Uhr

Nach einigen Minuten intensiver Suche konnten weder Robert, noch Issandra den kleinen Jannes finden. Während die Blondine noch einmal das Vorschiff absuchen wollte, hielt Robert abermals auf dem Achterschiff Ausschau.

Nochmals betrat die Söldnerin den offenen Teil des Vorderdecks und schaute sich nach Jannes um. Wiederum konnte sie den Jungen nirgends sehen. Nur der Personenschützer hielt sich nach wie vor an der vorderen Railing auf. Doch diesmal war er in die Hocke gegangen und hielt sich auffällig den Bauchbereich.

Issandra wurde augenblicklich klar, was diese ungewöhnliche Körperhaltung zu bedeuten hatte und aktiviere ihre Reflexbooster.

„Was ist los?", sprach sie den Mann von weitem an, der jedoch nur mit seinem Kopf einige nickende Gesten vollführen konnte.
Als sich die Schattensöldnerin vorsichtig näherte, erkannte sie, dass der Bodyguard stark aus zwei großen Bauchwunden blutete. Sie hockte sich unmittelbar neben ihn und schaltete die Booster wieder ab.

„Sie haben den Falschen!", sagte er mit gebrochener Stimme. „Sie sehen sich so ähnlich und Eurer hatte Ferdinands Pullover!"
„Wer hat unseren Jannes?", fragte Issandra. „Und was wollen die?"
„Hubertus Hartung ist Staatssekretär im Herzogtum", stöhnte der Personenschützer. „Es muss um eine Erpressung gehen. Aber sie haben euren Jungen mit Ferdinand verwechselt."

„Aber warum haben sie dich dann ...", setzte Issandra zur nächsten Frage an.
„Ich habe es mitbekommen und wollte ihm helfen. Aber dieser Typ zog eine schwere Pistole mit Schalldämpfer und ... und es ging voll durch die Weste."

„Ist schon gut! Ich danke Dir! Wie heißt du?"
„Thorsten", antwortete der Schwerverletzte mit schwindender Stimme. „Bitte, meine beiden Kinder, meine Frau ..."
„Du wirst sie wiedersehen, schon bald! Ich hole Hilfe und dann schließen wir dich gleich an ein Medkit an. Die haben hier bestimmt ein Neuner-Medkit an Bord, da bin ich mir sicher", versuchte Issandra den Mann zum Durchhalten zu bewegen.

„Ein Unfall!", rief die Blondine über das Vorschiff. „Holen sie Hilfe, schnell! Wir brauchen einen Arzt und ein Medkit! Na los, machen sie schon!", forderte sie von den umstehenden Passagieren mit energischer Betonung.
Unversehens spurteten zwei Männer los, um den Hilferuf an die Besatzung weiterzugeben, während sich Issandra wieder dem inzwischen am Boden liegenden Verletzten zuwandte.

„Es wird gleich alles besser! Bleib bei mir, hörst du. Du musst jetzt kämpfen!", versuchte sie seine letzten Kräfte zu aktivieren und sah im selben Moment, dass er bereits die Augen schloss.
„Ich, ... sag ihnen, ... ich, ... ich liebe sie!"
„Nein, nein, nein, nein! Das sagst du ihnen selbst, hast du verstanden! Du musst hierbleiben, hörst du mich. Mach die Augen auf! Du musst ..."
„Ich, ... liebe euch ...", hörte die Söldnerin noch seine geflüsterten Worte, bevor sich der Brustkorb des Mannes ein letztes Mal senkte.

Behutsam und seufzend legte sie seinen Kopf auf den Decksplanken ab und wischte sich die aufsteigenden Tränen aus den Augen. Es war nun das zweite Mal, dass jemand direkt in ihren Armen starb, der hätte nicht sterben sollen und Issandra spürte, wie eine unbändige Wut begann in ihr hoch zu kochen. Ein kontrollierender Griff unter sein Jackett bestätigte Issandras Vermutung, dass die Angreifer ihm die Waffe abgenommen hatten. Der Schiffsarzt und einige Besatzungsmitglieder trafen wenige Momente später ein, doch für den Personenschützer kam jede Hilfe zu spät.

Ihre Tränen aus purer Wut konnte Issandra nicht mehr zurückhalten. Nur um die Oberhand ihres Verstandes zu wahren gelang es der Söldnerin schließlich ihren aufkommenden Zorn zurückzudrängen, den sie gegenüber dem Täter empfand. Zuerst jedoch würde sie Jannes finden müssen, der sich nun anstelle dieses verwöhnten Luxusbengels in der Gewalt mindestens eines Geiselnehmers befand.

Schattenhelden - Blutige FerienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt