Prolog

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Zweibrücken, Badisch-Pfalz, Allianz Deutscher Länder (ADL)  Samstag, 25

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Zweibrücken, Badisch-Pfalz, Allianz Deutscher Länder (ADL) 
Samstag, 25. Dezember 2060, 04:38 Uhr 

Die Heilige Nacht hatte das Land mit Minusgraden und einer Reifdecke überzogen, die am Morgen sanft glitzernd auf allen schönen und schrecklichen Dingen dieser Welt lag. Issandra war als erste erwacht. Leise und von den anderen unbemerkt erhob sie sich von ihrem improvisierten Nachtlager und verließ fast ohne Geräusch die Wellblechhütte. Aus ihren Kinder- und Jugendjahren wusste die Schattensöldnerin genau, mit welchen gezielten Handgriffen sie die alte Tür leicht anheben musste, um jegliches Quietschen und Knarzen zu verhindern.

Die dünne, gefrorene Oberfläche des Bodens knirschte leicht unter den starken Sohlen ihrer schwarzen Schnürstiefel als sie zu einem alten Telegrafenmast hinüberlief, ihrem Telegrafenmast.
Die Beine der hochgewachsenen Blondine mit offenen, langen Haaren waren von einer enganliegenden Hose bedeckt, die wie eine dicke Strumpfhose wirkte. Über ihrem roten Pullover trug sie einen hellbeigen Mortimer Ulysses Mantel. Den modischen Abschluss bildete ein passender Schal mit einem weiß-dunkelgrau abgesetzten Muster. 

Vor dem Sternenhimmel zogen langsam einige Wolken vorüber und das Mondlicht verlieh dem Raureif einen magisch silbernen Glanz. Mit einem Gefühl der Wehmut schaute sich Issandra um. Erinnerungen an gute und schlechte Zeiten brachen sich in ihren Gedanken Bahn und schickten sie zurück in jene Jahre, in denen sie an diesem Ort in ihrer Schrottplatzgang Schutz und Geborgenheit fand. 

So vieles war geschehen seit dieser Zeit. Vieles, das genau so geschehen sollte und vieles, das niemals hätte geschehen dürfen. Der Tod ihrer Mutter, Schulabschluss, Beruf, ihr Einstieg ins Zweibrücker Milieu an der Seite eines berüchtigten Bosses und schließlich ihr selbstgewählter Weg in die Schatten. 

Schon hatte sie die Bilder ihres ersten Mordes wieder vor Augen, den sie in einem nächtlichen Sommerregen an einem Mann verübte, der nur wenige Augenblicke zuvor seine Frau und deren Tochter mit einem Stein erschlagen hatte. Issandra dachte an jenen Sinnspruch, der ihr damals durch den Kopf ging, als sie beschloss, niemals wieder Opfer zu sein. Es waren die Zeilen eines thüringischen Dichters gewesen, die sie schon lange vorher kannte. Doch erst damals in dieser besonderen Nacht, wurde deren Bedeutung zu ihrem neuen Wegweiser. 

„Musst herrschen und gewinnen, oder dienen und verlieren, leiden oder triumphieren, Amboss oder Hammer sein", sprach sie leise in die Kälte des frühen ersten Weihnachtsfeiertages und ließ ihren Blick über den Schrottplatz schweifen. Und tatsächlich, ein Hammer war sie geworden. Eine Schattensöldnerin, die stets versuchte, ihre Aufträge perfekt auszuführen, und keineswegs vor tödlicher Gewalt zurückschreckte, so es erforderlich war. Tief geprägt durch die dramatischen Ereignisse ihrer Kindheit, war ihr die Weihnachtszeit verhasst. War sie doch für sie das Fest der Heuchelei und des Irrglaubens an eine friedliche und freundliche Welt voller Mitgefühl. 

Doch vor nur wenigen Stunden war etwas geschehen, das sie innehalten ließ, ja sogar vollkommen überwältigte. Ein kleines Mädchen hatte der Söldnerin ins Bewusstsein gerufen, dass das Licht der Menschlichkeit wärmer und heller in ihr strahlte, als sie es die ganzen Jahre über wahrhaben wollte. Für einen Moment hatte ihr Marie Weihnachten zurückgebracht.  

Schattenhelden - Blutige FerienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt