Kapitel 7 - Die Fahrt nach Süden

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Schnellstraße 13, Allianz Deutscher Länder (ADL)
Samstag, 20. August 2061, 18:09 Uhr

Die Einreise in das Herzogtum Sachsen verlief ohne dramatische Zwischenfälle. Am Kontrollpunkt nahe Ortrand wurden lediglich die Identitätsdaten erfasst, was in wenigen Augenblicken erledigt war. Wie in den meisten Fällen, hielt Issandra ihren zweiten Ident-Credstick an das Lesegerät des Grenzbeamten, auf dessen Display der Name Kassandra Herrmann angezeigt wurde.

Danach fuhr der Camper abermals monoton und mit gleichmäßiger Geschwindigkeit nach Süden dahin. Marie hatte ihr finsterstes Schmollgesicht aufgesetzt und starrte in die Landschaft, die vor der Seitenscheibe vorbeiflog. Kiefernwälder wechselten sich mit Wiesen und Äckern ab, über denen vereinzelt große Vögel ihre Bahnen zogen. Manchmal erschienen einige kleinere Häuser in der Ferne, die scheinbar zufällig in der Gegend herumstanden.

Doch für all diese Eindrücke interessierte sich das Mädchen nicht. Sie brütete darüber, warum sie diese Spritze in den Arm bekommen hatte. Wieder und wieder durchlebte sie, wie diese riesige Nadel auf sie zukam und schließlich in sie eindrang. Aber am tiefsten saß der Schmerz und die Enttäuschung darüber, dass ihre Tante Issandra sie angeschwindelt hatte, denn es hatte doch weh getan, auch jetzt nach fast einer Stunde noch. Unbewusst griff sie an die Einstichstelle, die das Medkit zum Schluss mit einer liquiden Wundabdeckung versiegelt hatte.

„Marie? Marie, du bist mir immer noch böse, stimmts?", fragte Issandra in das monotone Fahrgeräusch hinein.
„Du hast mich angeschwindelt!", erwiderte das Mädchen mit enttäuschter Stimme und einem Schluchzen.
„Aber ich habe Dir doch nun haarklein erklärt, warum die Spritze nötig war und warum ich dir nicht vorher gesagt habe, was passieren würde", rechtfertigte sich Issandra mit leicht genervtem Unterton.

„Das ist egal, du hast geschwindelt und man darf seine Freunde nicht beschwindeln! Das haben mir Mama und Papa immer gesagt und Gary und Granny auch. So!", begann Marie nun wieder zu weinen.
„Aber Marie, du ...", versuchte Issandra nochmals dem Mädchen ihre Gründe nahe zu bringen.
„Nein, nein, nein! Du willst nur nicht mehr meine Freundin sein!", brach es unter Tränen aus dem achtjährigen Kind heraus, während sie beide Hände auf ihre Ohren presste.

Jetzt beugte sich Issandra nach vorn und tippte abermals auf dem Display ihres Auto-Nav.
„Rastplatz Finkenberg West, wird angefahren", bestätigte das Nav-System.
Issandra war nicht verborgen geblieben, dass sie von Marie aus den Augenwinkeln mit höchster Aufmerksamkeit beobachtet wurde, während sie das Display bediente. Doch als sie selbst zu Marie hinüber schielte, wandte sich das Mädchen postwenden wieder zur Seitenscheibe, um Issandra mit Verachtung zu strafen.

Der Camper verringerte seine Geschwindigkeit und wechselte auf die Abfahrtsspur, um schließlich auf den Rastplatz zu gelangen. Marie hatte ihre Hände vor die Augen gehalten und schlunzte durch ihre Finger hindurch auf das Nav-Display. Issandra tat so, als ob sie das Kind nicht durchschauen würde und lächelte still in sich hinein.

Auf dem Display erschien nun eine kleine Übersichtskarte des Rastplatzes auf der die noch freien Parkflächen grün angezeigt wurden. Aufmerksam verfolgte Marie, wie Issandras Finger auf eine der grünen Flächen tippte, die sich nahe am Toilettenhäuschen befand. Sofort erschien eine Linie auf dem Display, die dem programmierten Fahrweg bis in die Parklücke entsprach.

„Komm, wir gehen auf Klo!", forderte Issandra das Mädchen in der Hoffnung auf, dass der Toilettengang die verfahrene Situation aufbrechen würde.
„Ich muss nicht auf Klo!", gab Marie trotzig zurück. „Ich muss nie wieder auf Klo! So!"
„Hm, dann machst du dir eben irgendwann in die Hose. Aber dann wirst du ganz nass und riechst doof und alle lachen über dich!", beschrieb Issandra, was unweigerlich geschehen würde.

Schattenhelden - Blutige FerienWo Geschichten leben. Entdecke jetzt