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"Leonardo? Kommst du mal?"

Ich horchte auf und suchte mit meinem Blick Peter. Peter war mein Betreuer in der Schule. Als ich Peter entdeckt hatte, flitzte ich auf meinen kurzen Beinen so schnell wie möglich zu ihm.

"Herr Peter, was ist denn?", fragte ich ihn, als ich bei ihm angekommen war. Ich musste zu ihm hochblicken, ich war mit meinen sieben Jahren noch zu klein und konnte ihm kaum in die Augen schauen.
"Du weißt immer noch nicht, wie ich mit Nachnamen heiße, oder?", fragte er, und als ich den Kopf schüttelte, seufzte Peter.

So war es immer, und dann vergaß er mir, seinen Nachnamen zu sagen. Nun seufzte ich, wodurch Peter wieder auf mich aufmerksam wurde.

"Du sollst zu Amanda kommen. So schnell wie möglich."

"Ich frage mich wirklich, was Amanda mit einem Siebenjährigen besprechen will." Peter seufzte wieder.

Peter gab mir die Anweisung, ihm zu folgen, und das tat ich auch.

Peter sah immer ein bisschen altmodisch aus. Heute zum Beispiel trug er eine beige Hose, die bis zu den Knöcheln ging, und seine braunen Schuhe erregten meine Aufmerksamkeit.
Wer trug heutzutage solche Schuhe?

Dazu trug er ein grün-weiß gestreiftes Polohemd. Augenkrebs.

Wir liefen auf eine Villa zu, sie hatte ein rotes Dach, das aber mit Efeu überwachsen war und nur kleine rote Stellen frei ließ.
Ein gemauertes Tor machte einen verschreckten Eindruck; man wollte lieber wieder gehen.

Ich beeilte mich und lief hinter Peter durch das große braune Tor. Ich streckte meine Finger aus und wollte die Verzierungen im Holz berühren.

"Leonardo!", ertönte eine laute, energische weibliche Stimme. Ich zuckte zusammen und zog meine Hand schnell zurück.

"Da bist du ja endlich", fuhr sie fort.

"Komm mit in mein Büro! Wir haben was zu besprechen."

Peter verdrehte die Augen, und meine Brust schwoll vor stolz an.
Ich lief schnell die Treppe hoch und folgte Amanda.

Sie trat ein, und ich folgte ihr.

Die Wände waren von einem schmutzigen Grau, an manchen Stellen blätternd und mit schimmeligen Flecken gesprenkelt. Der Luftzug, der durch die Ritzen der Fenster wehte, war kühl und trug einen modrigen Geruch mit sich, der an alte Bücher und vergessene Erinnerungen erinnerte.
Ich schüttelte den Kopf und fragte mich, was ich da dachte, und schaute mich wieder um.

In der Mitte des Raumes stand ein großer, massiver Schreibtisch aus dunklem Holz, dessen Oberfläche mit einer dicken Staubschicht bedeckt war.
Auf dem Tisch lagen vergilbte Dokumente, die scheinbar seit Jahren nicht angerührt wurden. Eine flackernde Schreibtischlampe warf ein schwaches Licht auf die Unterlagen und erzeugte unheimliche Schatten, die sich an den Wänden bewegten, als ob sie ein Eigenleben führen würden. 
Amanda hatte diesen Schreibtisch scheinbar schon lange nicht mehr genutzt.

"Setz dich!", forderte sie mich auf. Ich schaute erschrocken auf und folgte der Aufforderung.
Die Stühle waren aus einem alten, knarrenden Material, das bei jedem leichten Schwanken ein unheimliches Quietschen von sich gab. Einige der Stühle waren auffällig schief, was den Anschein erweckte, als ob sie schon lange niemand mehr benutzt hatte. An einer Wand hängte ein großes, zerbrochenes Fenster, dessen Vorhänge ebenfalls verstaubt waren und sich bei jedem Windstoß sanft bewegten.
"Soll ich das Fenster schließen?", fragte Amanda.

Hatte sie meine Gedanken gelesen?

"A... aber wie denn? Es ist doch kaputt?", meine Stimme zitterte unkontrolliert.
Sie hob den Arm, und im Nu wurde das Fenster geschlossen.
Mir traten Tränen in die Augen. War ich der Einzigste?
War nur ich so?

War nur ich so unbegabt?

"Schau dich um!"  Sie zeigte mit dem Arm in das Büro.
Ich drehte den Kopf.

In einer Ecke des Büros stand ein vermodertes Aktenschrank.
Am Boden lag ein abgewetzter Teppich, dessen Muster längst verblasst war und der an vielen Stellen ausgefranst war.

"Schau genau hin!"

Schon wieder hob sie ihren Arm.

Plötzlich wirbelte etwas hoch.

Und legte sich wieder.

Ich atmete erschrocken aus.
Das ganze Zimmer sah anders aus.

Das Büro war nun ein gut eingerichteter Raum, der für die Vorbereitung und Durchführung von Veranstaltungen genutzt werden konnte.

An den Wänden hingen Bilder von früheren Events. In der Mitte des Raumes stand ein großer Tisch, umgeben von bequemen Stühlen.

Ein Computer stand bereit.
In einer Ecke befand sich ein kleiner Kühlschrank, der mit Getränken und Snacks gefüllt war.

Die Fenster ließen viel Tageslicht herein, was dem Raum eine angenehme und einladende Stimmung verlieh, ganz im Gegensatz zu vorhin.

Stille, nur Stille, umhüllte mich wie ein schwerer Schleier. Die Schatten der Erinnerungen wanderten leise durch meinen Geist, während der Raum um mich herum immer kälter wurde. Meine Erinnerungen.
Mein nicht erkennbares Talent.

Die Enttäuschung.
Ich saß allein, und die Gedanken wirbelten wild.

Die Dunkelheit bringt mir keine Ruhe, sondern verstärkt die Einsamkeit, die in mir nistet. In der Ferne höre ich das leise Ticken einer Uhr, als wäre jeder Sekundenzeiger ein Zeichen für den unaufhaltsamen Verlust. Die Welt scheint weiterzugehen, während ich hier feststecke, gefangen zwischen dem, was war, und dem, was nie sein wird.

Die Stille drängte sich in all meine Gedanken, machte sie schwer.

"Ich mache dir ein Angebot.."







Ich hoffe dieses Kapitel hat euch gefallen!!

Gestern Nacht - An Adventure just with youWo Geschichten leben. Entdecke jetzt