Boundaries und so

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Ich hab mich letztens im Gym angemeldet, weil ich mir dachte, wenn ich schon legal Testo bekomme, will ich das auch ausnutzen. Als der Trainertyp, der mich eingewiesen hat, mit mir eine Liste von Vorerkrankungen, die man eventuell bei einem Trainingsplan beachten sollte, durchgegangen ist und mich gefragt hab, ob ich irgendwelche Medikamente nehme, dachte ich, es wäre schlau/fair, zu sagen, dass ich Testo nehme, ehe man mir vorwirft, ich würde illegal Steroide nehmen oder so. Ich hatte irgendwoher mal so eine Story von nem Transdude gehört, der ausm Gym geflogen ist, weil die Trainer dachten, er würde Testo zu Dopingzwecken nehmen, obwohl er halt einfach ne ärztlich beaufsichtige Hormontherapie machte. Von wo genau ich die Story herhatte, weiß ich auch nicht mehr, aber just in case wollte ich das doch mal erwähnen.
Gegen die Hormontherapie hatte der Trainer nichts einzuwenden, aber dann hat der angefangen, ständig typische Transfragen zu fragen, und ich kannte den seit, keine Ahnung, 20 Minuten.

"Machst du dann auch alle OPs?"
"Ist das jetzt schon dein neuer Name?"
"Wusstest du schon immer, dass du trans bist?"
"Und bist du dann jetzt Junge zu Mädchen oder Mädchen zu Junge?"
"Wie bist du auf deinen Namen gekommen?"
"Wie hast du früher eigentlich geheißen?"

Wenn ich für jedes Mal, das jemand mich eine dieser Fragen gefragt hat, einen Euro bekommen würde, würde ich jetzt nicht Stress über meine zukünftige Azubivergütung und Miete schieben müssen. Dann der politische Kram.

"Ich find Gendern ja albern, ich hab ja nichts gegen Transmenschen, aber das ist so ne kleine Gruppe, für die braucht man ja nicht die Sprache umschreiben" (total ungefragt aus dem Kontext mit Blicken auf mir.)
"Ja, es gibt ja Männer und Frauen und wie nennt man die Leute dazwischen dann? Mauen?" (no joke, das hat mich meine ehemalige Englischlehrerin gefragt. Auch total aus dem Kontext gerissen, total ungefragt.)
"Meine Schwester meinte letztens, nonbinäre Menschen können transmaskulin sein, das ist doch nonsense, oder? Du kennst dich doch damit aus, stimmt das?" (Ich nehm dem Dude, der das gefragt hat, das nicht böse, aber auch das war wieder komplett aus dem Kontext und mein Gott ich bin nicht Wikipedia, google doch.)

Ich bin so unfassbar genervt davon, dass Cishet-Menschen annehmen, alles, über das ich reden kann/will, ist meine Transition.
Ich habe so viele andere Interessen; ich spiele zwei-vier Instrumente, ich male und zeichne sehr viel, ich fotografiere, ich mache viel Sport, ich schreibe Geschichten, ich lese viel, ich spiele Theater, ich bin mehr oder minder politisch aktiv. Es gibt so viele Dinge, über die man mit mir reden kann, doch sobald Menschen wissen, dass ich trans bin, dreht sich alles nur noch darum.

Mal abgesehen davon mag es ein Schocker sein, aber ich möchte nicht mit wildfremden Menschen über meinen Körper reden. Ich meine, man latscht ja auch nicht zu irgendwelchen Cishetmenschen und ist so "Oh mein Gott, du bist cisgender? Nimmst du die Pille? Benutzt du Kondome? Hast du vor, dich sterilisieren zu lassen? Hattest du diesen Monat schon deine Tage? Wann warst du das letzte Mal beim Frauenarzt/Urologen? Hast du dich schon auf HPV testen lassen?" Das ist einfach grenzüberschreitend und nicht okay. Genau wie Fragen wie "Welche OPs machst du noch/hast du schon gemacht? Wie hast du früher geheißen?" und so weiter und so fort.
Insbesondere, weil bei Transmenschen Dysphorie auch eine Rolle spielt, ist es noch dreimal grenzüberschreitender, solche intimen Fragen zu fragen. Außerdem mag ich es nicht, wenn Cismenschen so über gender affirming surgery reden - einmal, weil es Ewigkeiten dauert, bis die Krankenkasse mitspielt, und dann ist mein Körper ja immer noch mein Körper, auch, wenn der features hat, mit denen ich mich nicht identifizieren kann/die mich so sehr stören, dass ich dafür ganz viel Papierkram, physische Veränderungen und Schmerzen auf mich nehme, damit diese verschwinden.
Außerdem ist jetzt auf Testo die Dysphorie weniger geworden und ich hasse meinen Körper nicht mehr so sehr und hab nun irgendwie eine Verbindung oder so zu meinem Körper. Ich mag es nicht, wenn Menschen mich fragen, wie viel ich an meinem Körper schnibbeln lassen möchte - ich mein, hallo?! Frage ich eine Cisfrau auch, ob sie sich gerne die Brüste vergrößern lassen möchte, obwohl ich die kaum kenne?
Dann mag ich Fragen über das innere Coming-Out auch ungerne beantworten, weil das in einer Zeit geschehen ist, in der ich schwer depressiv war und an die ich mich ungern zurück erinnere, was leider nicht wenigen Transmenschen ähnlich geht. Ungeoutet trans sein ist sehr oft mit sehr viel Stress und Trauer verbunden, und auch, wenn solche Fragen nicht böse und nur neugierig gemeint sind, können auch Fragen, in denen es nicht ums physische Geschlecht geht, sehr grenzüberschreitend sein.

Leider werde ich diese Fragen immer wieder bekommen, wenn Menschen wissen, dass ich trans bin. Und diese Fragen sind ja auch nicht böse gemeint und entspringen purer Neugier, deswegen kann man schwer böse auf die fragende Person sein. Jetzt ist die Frage, wie geht man damit um?
Ich habe bisher immer recht knapp, aber ehrlich auf die Frage geantwortet, aber mit der Zeit wurde ich dabei unbeabsichtigt auch immer unfreundlicher, was mir im Nachhinein ein bisschen leid getan hat, die Person hatte sicherlich keine Ahnung, warum ich plötzlich so fies geworden bin, das war ja keinesfalls böse gemeint und Cismenschen sind ein bisschen schlecht darin, sich vorzustellen, dass sie nicht die einzigen sind, die solche Fragen stellen.
Ich nehme mir vor, in Zukunft auf solche Fragen mit einer Variation von folgender Antwort zu antworten:
"Ich möchte da gerade nicht drüber reden."
Oder:
"Tut mir leid, aber ich habe nicht das Gefühl, dass wir uns gut genug kennen, als dass ich dir solche Informationen über mich geben möchte."
Oder:
"Ich würde gerne das Thema wechseln."
Ich muss mir nur immer wieder in den Kopf rufen, dass ich nicht Wikipedia bin und somit auch nicht verpflichtet, der ganzen Welt zu erklären, wie Trans*sein funktioniert, und dass es mein gutes Recht ist, das Thema wechseln zu dürfen.

Bei der Sache mit der Pronomenkorrektur war es am Anfang ähnlich, da hab ich mich nicht getraut, die Menschen zu korrigieren, weil die das ja nicht böse gemeint hatten und ich ihnen nicht auf die Füße treten wollte.
Aber das ändert ja nichts an der Tatsache, dass es mir mit diesen Situationen extremst schlecht ging, und ein "*er" hat bisher noch niemandem dolle auf die Füße getreten. Es ist mein Recht, mit meinen Pronomen angesprochen zu werden, und mittlerweile kann ich ganz selbstbewusst "ich bin ein Kerl" sagen, wenn jemand mit weiblichen Pronomen/Begriffen über mich spricht, und meistens sind die Menschen so "oh, echt, stimmt, ja, sorry. Hab ich zuerst nicht gesehen."

Joa, Fazit oder so: Ihr habt das Recht, eure Grenzen zu kennen und zu verteidigen, auch, wenn das nicht böse gemeint war.

Und nur so am Rande, ich find es witzig, wie es immer wieder heißt "ja die Transmenschen müssen einem das ja alles nicht ins Gesicht klatschen", aber genau die Menschen, die so was sagen, immer die übergriffigsten Fragen fragen.


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