24 - Kingston Valley

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Noelies POV

Es ist ein merkwürdiges Gefühl, als das Ortsschild von Kingston Valley an meiner Fensterscheibe vorbeizieht. Ich beobachte, wie es im Rückspiegel immer kleiner wird, bis es letztendlich nur noch als grüner Farbtupfer zwischen den dunklen Regenwolken zu erkennen ist.

Natürlich bedeutet es mir sehr viel, dass mir Brendon seine Heimatstadt zeigen möchte, aber trotzdem fühle ich mich ein bisschen wie ein Eindringling. Wie jemand, der Brendons Privatsphäre missachtet. Ich weiß, was er hier erlebt hat und wie viel Schmerz er an diesem Ort erfahren musste. Hoffentlich holen ihn die negativen Erinnerungen nicht wieder ein.

Kaum sind meine Gedanken verblasst, werfe ich einen vorsichtigen Blick zu Brendon hinüber. Er starrt zwar konzentriert auf die Straße und versucht sich sein Unbehagen nicht anmerken zu lassen, doch das Flackern seiner Pupillen verrät mir, dass er Angst hat. Wahrscheinlich, weil er nicht weiß, was ihn in Kingston Valley erwartet.

Um ihn abzulenken, frage ich ihn: „Wie lange dauert es eigentlich noch? Ich glaube, meine Beine und mein Po sind eingeschlafen."

„Nicht ..." Brendon räuspert sich, um das Kratzen in seiner Stimme loszuwerden. „Nicht mehr lange."

Nur drei Minuten später parkt er die quietschgelbe Knutschkugel seiner Mom vor einem schicken Einfamilienhaus, an dessen rechter Wandseite sich Efeu emporschlängelt. Der Vorgarten ist ordentlich und gepflegt. Farbenfrohe Blumen sind kunstvoll in mehreren Beeten angeordnet und kleine Sträucher säumen den Weg zur Haustür.

Insgesamt wirkt das Haus sehr einladend und liebevoll. Als würde es seine Bewohner mit einer warmen Umarmung empfangen.

„Wollen wir?", reißt mich Brendons fragende Stimme in die Realität zurück, sodass ich meinen Blick von den vielen, bunten Blumen löse. „Logan und Dad warten bestimmt schon auf uns."

„Klar. Dann nichts wie los!" Ich setze mir die Kapuze meines Hoodies auf und schnappe mir meinen Rucksack, ehe ich die Autotür öffne. Sofort peitschen mir eisiger Wind und dicke Regentropfen entgegen.

Mit gesenktem Kopf eile ich über den gepflasterten Weg, der von Sträuchern eingerahmt wird, bis ich unter dem verglasten Abdach der Haustür Schutz finde.

Brendon ist direkt hinter mir. „Was für ein Shit-Wetter!", flucht er leise.

Seit wir heute Morgen in Ravenvale losgefahren sind, ist es ununterbrochen am Regnen. Zwischendurch hat es sogar mal für ein paar Minuten gewittert.

Typisch Herbst ...

„Zum Glück sind wir ja nicht aus Zucker", necke ich Brendon grinsend, woraufhin er seine Augen verdreht.

Ich kann sehen, dass er etwas erwidern möchte, allerdings schwingt in diesem Moment die Haustür auf. Gerade noch rechtzeitig springe ich einen Schritt zur Seite, damit sie nicht mit voller Wucht gegen meine Stirn knallt.

„Da kann es wohl jemand kaum erwarten, seinen Bruder wiederzusehen", schmunzele ich, als niemand Geringeres als Logan zum Vorschein kommt.

„Ben!", freut er sich. Er nimmt ein paar Schritte Anlauf, bevor er wie ein Äffchen in Brendons Arme springt und ihn knuddelt.

Bei diesem niedlichen Anblick wird mir ganz warm ums Herz. Es ist schön, dass sich die beiden so gut verstehen.

Mittlerweile hat sich Logan auch damit abgefunden, dass Brendon gerne seine Zeit mit mir verbringt und er nicht mehr auf Knopfdruck abrufbar ist. Angeblich hätte sich Logan sogar am Telefon dafür entschuldigt, dass er mir vor zwei Wochen auf dem Spielplatz von Brendons Vergangenheit erzählt hat.

Loving you in the stormiest autumn eveningsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt