Kapitel 8

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Somit verliefen die nächsten Tage wie all die anderen zuvor auch. Ich ging arbeiten, hatte einen Bürojob bei der Stadtverwaltung vor knapp 1 1/2 Jahren angefangen, kurz nachdem ich erfolgreich meine Ausbildung als Bürokauffrau abgeschlossen hatte. Denn mein Plan nach der Ausbildung in London, Stockholm oder Rom zu arbeiten ging nicht ganz auf. Der neue Job machte mir Spaß, und der Gedanke all meine Freunde und meine Familie zurückzulassen schmerzte mir doch mehr, als ich es zu Anfang gedacht hatte.

Es war Dienstag. Ich hing immer mal wieder meinen Gedanken nach, als ich im Büro saß, wann ich endlich mit Sebastian darüber reden sollte. Vielleicht hatte Hedda doch recht, und auch er konnte sich vorstellen das Abenteuer zu wagen. Wenn man vom Teufel sprach, oder in diesen Moment eher dran dachte blinkte mein Handy neben mir auf. Neue Nachricht. "Hey Schatz, ich würde heute Abend vielleicht zu Kai fahren und das Champions-League-Finale gucken. Wäre das okay? Er sagt mir später Bescheid, ob es klappt, weil er noch nicht weiß, wann er Feierabend hat." Kurz hielt ich inne und dachte einen Moment nach, was ich darauf antworten sollte. Irgendwie kamen diese Vorschläge in letzter Zeit immer so spontan, zumal sie bis vor ein paar Monaten noch nie passiert sind. Also schlug ich ihm einfach vor das Kai auch einfach zu uns kommen konnte, damit er nicht so einen Stress hatte, wenn er noch Besuch empfangen muss. Doch auf diese Nachricht von mir ging Sebastian gar nicht ein. Er hatte sie gelesen, aber geantwortet hatte er nicht. Ich konnte es nicht verhindern, dass sich ein ungutes Gefühl in mir breit machte. Ich versuchte es irgendwie den restlichen Arbeitstag einfach zu verdrängen und zu ignorieren.

Erst als ich Feierabend gemacht hatte und zuhause reinkam bekam ich endlich eine Antwort. "Und? Kommt Kai nachher vorbei?" fragte ich ihn, nachdem wir uns mit einem kleinen Kuss begrüßt hatten. "Nene, ich fahr doch gleich hin!" sagte er, als wäre die Sache schon längst geklärt gewesen. "Ooookay?" zog ich meine Augenbrauen etwas zusammen und ging in die Küche, um mit dem Essen anzufangen. "Ja was? Passt dir das wieder nicht, oder was? Ich habe dir das doch vorhin geschrieben?" fuhr er mich an und stellte sich gegenüber der Herdplatten hin und sah mich an. "Bitte? Das Einzige, was du mir mitgeteilt hast, war lediglich eine Überlegung. Das du vielleicht hinfährst, aber dieser Kai anscheinen noch gar nicht weiß, ob er es überhaupt schafft. Auf meinen Vorschlag das er auch einfach herkommen kann, bist du ja überhaupt nicht eingegangen!" zischte ich und stelle die Pfanne auf den Herd. "Tja, ich fahr halt jetzt zu ihm" zuckte er mit den Schultern, drehte sich um und ging ins Wohnzimmer. Wütend sah ich ihm nach. Dieses unfassbar egoistische Verhalten kotzte mich langsam wirklich an.

So kam es dann, wie es kam, er war den ganzen Abend weg und ich allein zuhause. Die restliche Woche redeten wir mal wieder nur das Nötigste miteinander. Ich hing viel am Handy, schrieb mit meinen Mädels und kotzte mich bei ihnen aus. Sie waren da, jeden Tag, hörten mir zu und brachten mich auf andere Gedanken. Vor allem Valentina war es, die mich immer wieder fragte, wie es mir ging und ob ich noch glücklich war in der Beziehung. Eine Frage, die ich mir momentan wieder fast täglich stellte. Aber schmiss man eine 10-jährige Beziehung einfach so weg? Es hing so viel daran, das gemeinsame Haus, die gemeinsamen Freunde. So richtig konnte ich sowohl Valentina als auch mir keine richtige Antwort darauf geben. Doch zu meinem Erschrecken sollte ich die Antwort darauf schneller finden, als mir lieb war.

Samstag. Ein schöner Sommertag, grillen mit Freunden im Garten. Alina und Tobi waren spontan vorbei gekommen, um das Wetter zu genießen, eigentlich ein Tag wie jeder andere. Zu mindestens war er das, bis wir am Abend allein auf der Couch liegen. "Schatz, können wir reden?" rissen mich Sebastians Worte aus den Gedanken und ich löste meinen Blick von Fernseher und sah ihn an "Klar, was ist los?" fragte ich, und spürte schon jetzt diese Bauschmerzen in mir aufsteigen.

Unsere Blicke trafen sich, er wirkte kühl, gefühlslos und genauso sprach er dann auch zu mir. "Ich hab dich betrogen!" Kurz, knapp und eiskalt. Ruckartig setzte ich mich auf, sah ihn mit großen Augen an "Was??" kam es fast schon als Aufschrei von mir raus, obwohl ich jedes Wort ganz genau verstanden hatte. Dennoch wiederholte er sie mir wieder "Ich hab dich betrogen" in einer Gleichgültigkeit und einer Kühlheit, als wäre es ihm scheiß egal, dass er mir gerade das Herz herausreißt. Einen Moment bin ich sprachlos, weiß nicht, ob ich darüber lachen oder weinen sollte. Das konnte nicht sein Ernst sein? Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, der Name Lina tauchte auf, Kai, diese letzten spontanen Treffen, die er angeblich hatte. Ich zählte eins und eins zusammen und stellte ihm nur eine Frage "Lass mich raten, mit Lina? Am Dienstag?" Die Worte kommen fast flüsternd über meine Lippen und spätestens, als der mit dem Kopf nickte, merkte ich wie ich keinen meiner Tränen zurückhalten konnte.

Bitterlich weinend sprang ich auf, rannte aus dem Wohnzimmer und direkt hoch ins Schlafzimmer. Wie konnte er mir so etwas antun? Wie konnte er mich so hintergehen? Meine Gefühle ausnutzen, mich verarschen und eine andere vögeln? Mein Herz schlug wie wild, mir war übel und ich hatte das Gefühl kaum Luft zu bekommen. Nie zuvor hatte ich so einen innerlichen Schmerz gefühlt, wie ich ihn gerade fühlte. Weinend saß ich auf dem Boden, schlug immer wieder gegen meine herangezogenen Beine und schrie "WARUM?"

"Es war nur ein Kuss..." kam es plötzlich leise hinter mir. Wieder springe ich auf, wieder sehe ich ihn an. "nur ein Kuss??? NUR EIN KUSS SEBASTIAN?" schrie ich ihn an. "Es ist mir egal ob es nur ein Kuss war oder ob du sie gleich gefickt hast. Allein das du mich bewusst angelogen hast, um zu einer anderen Frau zu fahren ist das Allerletzte!!! Wie lange läuft das schon??? Ich hab dich schon vor Monaten auf Lina angesprochen?? Wer ist sie?? Woher kennst du sie???" So viele Fragen schossen mir durch den Kopf, es sprudelte nur aus mir heraus, während die Tränen in meinen Augen gar nicht zu stoppen waren. "Ich kenn sie von der Schule... wir waren in einer Klasse!" verschränkte er seine Arme und unterbrach den Blickkontakt, indem er auf dem Boden sah. "Von der Schule??? Das ist 20 Jahre her???? Willst du mich verarschen???"

Ich konnte ihm nicht länger in die Augen sehen, ich musste hier raus, wollte nicht länger unter einem Dach mit ihm sein "Ich... muss weg..." murmelte ich nur griff nach meinem Handy und rannte so schnell ich konnte die Treppe herunter und raus aus dem Haus. Jetzt war der Moment, wo ich es hasste das meine Mädels so weit weg waren. Wie von allein wanderte mein Finger also auf meinem Handy zum Kontakt von Alina. Sie wohnte im gleichen Ort, wir kannten uns noch nicht sehr lange, dennoch war sie einer meiner engsten Leute, heute Mittag war sie sogar noch mit ihrem Mann zum Grillen hier gewesen.

Unter Tränen rief ich sie an, fragte, ob sie zuhause sei und machte mich sofort auf den Weg dorthin. Vermutlich hätte ich kein Auto mehr fahren dürfen, denn beim Grillen vorhin hatte ich mehrere Gläser Aperol getrunken... aber Laufen käme jetzt auf keinen Fall in Frage, brauchten ja nicht alle mitbekommen was los war. Somit schüttete ich ein gesamtes Herz bei ihr aus, brach immer wieder in Tränen aus, bis ich mich langsam wieder nach 3 Stunden beruhigt hatte. Es war inzwischen weit nach 0 Uhr, als ich entschloss, wieder nach Hause zu fahren. "Bist du dir sicher? Du kannst auch hier bleiben die Nacht und dich erst einmal etwas beruhigen?" hatte Alina vorgeschlagen. Aber ich wollte nicht, ich wollte nach Hause, ich wollte Sebastian zur Rede stellen, ich wollte Antworten auf meine Fragen.


Choose Love (H.S.)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt