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Mia saß allein auf der Treppe der Cafeteria, das laute Geplapper ihrer Mitschüler drang wie ein ohrenbetäubendes Murmeln zu ihr. Der Geruch von frisch zubereitetem Essen mischte sich mit dem Duft von Jugend und Unbeschwertheit. Doch für Mia war das alles nur ein unscharfer Hintergrund, während sie mit ihren eigenen Gedanken kämpfte. Ihre Augen blickten auf den Boden, und sie versuchte, sich so klein wie möglich zu machen, als ob sie sich in die Stufen hineinpressen könnte. Wenn ich nur unsichtbar wäre...

Jeden Tag saß sie an diesem gleichen Platz, beobachtete die Gruppen von Freunden, die miteinander lachten und plauderten. Warum kann ich nicht so sein wie sie? Der Gedanke schnürte ihr die Kehle zu. Die beliebten Mädchen trugen perfekt sitzende Klamotten, ihre Haare fielen in sanften Wellen über die Schultern. Ich sehe aus wie ein gestrandeter Wal. Sie schüttelte den Kopf und versuchte, sich auf das Buch zu konzentrieren, das sie mitgebracht hatte. Es war ihre Flucht aus der Realität, ein Ort, an dem die Charaktere Mut und Stärke hatten – genau das, was ihr fehlte.

Zuhause war es nicht besser. Ihre Eltern stritten oft, die lauten Stimmen drangen durch die Wände, als ob sie die Stille in der Wohnung ersticken wollten. Wieso kann ich nicht einfach ein normales Leben führen? Mia hatte gelernt, ihre Gefühle zu verbergen, um den Frieden zu wahren. Sie war die Tochter, die alles in sich hineinfriss, die niemals zu viel Aufmerksamkeit auf sich zog. Doch je mehr sie sich zurückzog, desto einsamer fühlte sie sich. Niemand versteht, wie es mir geht.

An diesem Tag hatte sie sich besonders unwohl gefühlt. Der Druck, gut auszusehen und den Erwartungen gerecht zu werden, lastete schwer auf ihren Schultern. Sie hatte sich für ein einfaches, weites T-Shirt und eine bequeme Jeans entschieden – nichts Auffälliges, nichts, was Aufmerksamkeit erregen könnte. Warum kann ich mich nicht einfach akzeptieren, wie ich bin? Sie sah in den Spiegel und wünschte sich, sie könnte die Unsicherheiten einfach ablegen wie ein zu enges Kleidungsstück.

Plötzlich setzte sich jemand auf die Stufen neben sie. Mia zuckte zusammen und blickte auf. Es war Lisa, ihre beste Freundin, die sie immer wieder versuchte, aus ihrem Schneckenhaus zu holen. „Hey, Mia! Was machst du hier? Lass uns zusammen essen!"

Mia lächelte schwach. „Ich wollte nur lesen..."

„Komm schon, du kannst auch später lesen", drängte Lisa mit einem ansteckenden Lächeln. „Du musst einfach mehr mit den anderen abhängen. Ich mache mir Sorgen um dich." Wie kann ich ihr das erklären? dachte Mia. Sie versteht nicht, wie es ist, in der Ecke zu sitzen und sich wie ein Fremdkörper zu fühlen.

„Ich komme gleich", sagte Mia, während sie versuchte, den Knoten in ihrem Magen zu lösen. Lisa seufzte, aber schließlich stand sie auf und ging, um einen Platz für sie beide zu suchen.

Muss ich wirklich? fragte sich Mia, als sie dort saß und die anderen beobachtete. Vielleicht könnte ich einfach wieder nach Hause gehen... Doch der Gedanke, Lisa im Stich zu lassen, schnürte ihr das Herz zu. Sie hat sich so bemüht, mir zu helfen.

Als Mia schließlich aufstand und sich zur Cafeteria bewegte, wurde ihr klar, dass sie ihre Unsicherheiten nicht für immer im Schatten verstecken konnte. Der Gedanke an die bevorstehenden Begegnungen mit anderen Schülern ließ ihr Herz schneller schlagen. Was, wenn sie über mich lachen? Was, wenn ich einfach versage?

Doch vielleicht, nur vielleicht, könnte dieser Tag anders sein. Vielleicht konnte sie einen Schritt nach vorn machen und sich endlich akzeptieren – so wie sie war. Es ist nur die Cafeteria. Nur ein Raum voller Menschen. Ich kann das.

Mit diesem Gedanken im Kopf trat sie ein und nahm einen tiefen Atemzug, bereit, sich der Herausforderung zu stellen. Und wenn es schiefgeht? Ein Teil von ihr wollte sich zurückziehen, aber der andere Teil – der Teil, der es leid war, immer im Schatten zu stehen – drängte sie vorwärts.

Ich bin mehr als das, was sie sehen. Ich bin mehr als die Stimmen in meinem Kopf.

Als sie Lisa entdeckte, die an einem Tisch saß und sie anlächelte, spürte sie einen Funken Hoffnung. Vielleicht war es an der Zeit, die Mauern einzureißen, die sie so lange um sich gebaut hatte.

Zwei Welten,ein HerzWo Geschichten leben. Entdecke jetzt