Mit dem neuen Morgen kehrte mein Optimismus zurück, der alte Gefährte, den ich auf dem Lebensweg verloren zu haben glaubte. Vielleicht lag es auch am gesüßten Kräutertee, der mich belebte und mir gute Laune schenkte, und der mir zusammen mit Lembas, einer joghurtähnlichen Masse und saftigen Früchten serviert worden war.
Wieder war es die junge Elbin, die mir das Tablett mit dem Frühstück hingestellt hatte. Einen Moment lang überlegte ich, sie zu überwältigen. Doch der Gedanke, diese Elbin zu Boden zu reißen und zu verletzen, löste Unbehagen in mir aus. Davon abgesehen, dachte ich kauend, hatte ich keine Chance, an den Wachen vorbeizukommen, die außerhalb der Zelle darauf warteten, bis sie die Essensreste wieder einsammelte.
Während ich mein letztes Lembas verspeiste, musterte ich die junge Elbin. Die glatte Haut spannte sich über weiche Züge, die im Laufe der Zeit an Rundheit verlieren und an Länge gewinnen würden. Das blonde Haar hatte sie zu einem Zopf geflochten, der ihr bis zum Hintern reichte. Sie trug ein schlichtes Kleid mit floralen Ornamenten und spitzhakige Stiefel, die weder Kratzer noch Spuren von Erde aufwiesen. Wie alt mochte sie sein? Mehrere Jahrzehnte? Übersetzt in Menschenjahre könnte sie vielleicht achtzehn, vielleicht zwanzig sein.
„Wie heißt Ihr?", fragte ich kauend.
Sie sah mich erschrocken an, als hätte sie nicht damit gerechnet, dass mein Mund Töne produzieren konnte. Ich hatte nicht geglaubt, dass Elben mit ihrem Porzellanteint erröteten. Doch sie bewies mir das Gegenteil.
Wiederholt war mir aufgefallen, dass mein Armband – aneinandergereihte Perlen aus Tigerauge – ihr Interesse geweckt hatte.
Ich kramte im Gedächtnis nach dem passenden Vokabular. „Schmuck. Gefällt er dir?"
Erneut erntete ich Schweigen. Doch ihre hellgrünen Augen verrieten sie.
Ich streifte das Armband ab und reichte es ihr durch das Gitter. Die Elbin streckte ihre langgliedrigen, manikürten Finger danach aus, zögerte jedoch und zog die Hand schließlich zurück.
Okay, ein andermal, dachte ich. Mein Gefühl sagte mir, dass ich sie längst an der Angel hatte. Es beseelte mich mit Zuversicht. Einen einflussreichen Verbündeten zu haben, verschaffte einem enormen Vorteil. Aber auch ein einfacher Gesprächspartner konnte sich als ein echtes Juwel erweisen.
Satt, aber mit Wut im Bauch startete ich in den Tag. Trotzdem hörte ich auf meinen Überlebensinstinkt, der mir riet, einen launischen, kaltherzigen König nicht zu verärgern. Denn niemand wusste, ob nicht doch Gerippe von menschlichen Gefangenen unweit des Königreichs vergraben worden war. Geballte Aggressivität, wie sie manchen Protagonistinnen in Filmen und Serien eigen war, würde mich nicht weiterbringen. So viel war klar. Eher könnte sie mich den Kopf kosten. Darüber hinaus war ich auch nicht der Typ Frau dafür. Meine Taktik sah anders aus.
Der König kam, als es ihm passte, was zufällig auf den Moment fiel, als sich meine Blase meldete. Zu lange hatte ich zusammen mit den bewaffneten Elben im Verhörzimmer ausharren müssen.
Als Thranduil den Raum betrat, war es, als ob sich seine Präsenz weit über das Körperliche hinaus ausdehnte und jeden Quadratmillimeter besetzte. Mir wurde mulmig zumute, was den Harndrang dummerweise nur verstärkte.
„Seid Ihr bereit, Euer Wissen zu teilen?", fragte er, ohne mich anzusehen.
Zum Glück redete er langsam und deutlich, sodass ich beinahe jedes Wort verstehen konnte.
„Wer hat Euch geschickt?" Mit großen Schritten marschierte Thranduil durch den Raum.
Ich klaubte ein paar elbische Wörter zusammen, von denen ich hoffte, dass er sie verstehen würde, aber meine Sätze klangen ausgesprochen leider nach Kauderwelsch. „Niemand. Ich wünschte mir das Auenland ... sehen. Ja, das Auenland sehen! Aber ich landete, äh, hier."
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Die Weltenwanderin I - In Thranduils Reich
FanfictionElben waren gutaussehend, schlank, arrogant und echte A...löcher. Thranduil war der schlimmste von allen. Er hatte mich eingesperrt und meinen Ring an sich gerissen, den einzigen Gegenstand, der mich wieder zurück in meine Welt bringen konnte ...