Auf dem Maskenball

2 1 3
                                    

Da es für meinen Erzeuger keine Rolle gespielt hatte, ob ich bei meiner Geburt atmete oder nicht, war es Mum, die mir den Namen gab. Inspiriert von ihrer Lieblingsblume Calla hatte sie mich Callie genannt. Der Irrtum fiel erst auf, als wir in der Schule Namen und ihre Bedeutungen durchgingen.

„Callie, die Schönste?!", rief der fiese Junge in unserer Klasse aus. „Aber du bist doch hässlich!"

Auch in den nächsten fast drei Jahrzehnten würde ich niemals das Wort „Schön" aus dem Mund eines Jungen oder Mannes hören. Doch immerhin hatten sie mich als hübsch, sexy oder wundervoll bezeichnet. Das Wort „hässlich" war allerdings auch nie mehr in meiner Gegenwart gefallen.

Aber heute, eingezwängt in dieses Elbenkleid, einem Zweiteiler, fühlte ich mich hässlich und mies proportioniert. Hatte sich die Schneiderin verrechnet, oder war ihr der Stoff ausgegangen?

„Die kann das nicht so gut, hm?" Ich schaute auf mich herab und ärgerte mich. Mein Bäuchlein war unter dem Stoff eingequetscht wie in einem Korsett, und die Brüste quollen geradezu aus dem Oberteil. Wieso ging ich eigentlich nicht gleich nackt zur Feier?

„Wer?", fragte Nessa.

„Eure Schneiderin. Was macht sie eigentlich hauptberuflich?", murrte ich, wohl wissend, dass Nessa den Witz nicht verstehen würde. In meiner Sprache fügte ich hinzu: „Vielleicht will sie mir signalisieren, dass ich mich auf Size Elf runterhungern muss. Das kann sie vergessen!" Ich schwang die Faust.

„Du siehst zauberhaft aus."

„Du meinst wohl, dass man mich nicht schlimmer entstellen kann", knurrte ich. Ich fiel auch so bereits durch meinen Körperbau auf. Aber dank dieses Kleides waren mir die abschätzigen Blicke der großen, perfekten Schönen garantiert. Immerhin war es in gedeckten Tönen gehalten, was die Hoffnung in mir schürte, nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen.

Bei der Maske in meinen Händen hatte man sich augenscheinlich Mühe gegeben. Blätter in allen Formen und satten Gelb-, Grün- und Rottönen reihten sich aneinander. Feine Zweige mit Beeren durchzogen das formvollendete Kunstwerk und verliehen ihm etwas verklärt Romantisches.

„Sehen wir uns, Nessa?"

Sie senkte traurig den Kopf. „Wahrscheinlich werde ich den ganzen Abend arbeiten."

Meine Gefängnistür ging auf. Einer der Wachen befahl mir, mitzukommen. Es war also soweit. Ich verabschiedete mich von Nessa, atmete tief ein und trat hinaus.

Ich war nicht vorbereitet auf das, was mich erwartete. Und so erschlugen mich die Eindrücke, die über mich hereinbrachen. Ich wusste nicht, wohin ich zuerst schauen sollte. Überall leuchtete und glitzerte es. Maskierte Elben in edlen Kleidern und Gewändern schwangen zur Musik der Saiteninstrumente das Tanzbein, wirbelten durch den Saal und rissen andere mit wie ein gewaltiger Strom. Der Wein floss und Häppchen und Hauptgerichte wurden vertilgt, als gäbe es keinen Morgen. Diese mistigen Elben, schoss mir durch den Kopf. Sie schlugen sich die Bäuche voll und blieben dennoch schlank. Noch ein weiterer Grund, diese eingebildeten Schnösel zu hassen!

Wie um die negativen Gedanken zu vertreiben, schüttelte ich den Kopf und mischte mich unter die Menge.

Über mir tanzten Blätter in allen Farben in der Luft. Licht spendeten nicht nur die Fackeln, sondern auch kleine Erscheinungen, die in der Luft hingen.

Ich ließ meiner kindlichen Neugier freien Lauf, streichelte hier und da über unterschiedliches Material, drückte dies und jenes, von dem ich eine Reaktion erwartete, und wanderte durch den Saal.

Die kleinen Lichter hatten es mir besonders angetan. Ich konnte nicht anders, als zu versuchen, eines, das sich in meiner Reichweite befand, zu schnappen. Doch die Dinger waren verdammt schnell. Sie wichen zurück oder änderten ihre Höhe, wenn ich versuchte, nach ihnen zu greifen. Eines jedoch stellte sich der Challenge. Mir gelang es, es drei Mal anzustupsen, und ich staunte, dass es sich weder kalt noch warm anfühlte. Ohne jede Vorwarnung wehrte sich die Lichterscheinung: Sie donnerte gegen meine Stirn. Mit einem „Aua" torkelte ich rückwärts und konnte nicht verhindern, dass es mir zusätzlich noch eine Kopfnuss verpasste.

Die Weltenwanderin I - In Thranduils ReichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt