Was für ein Mann!

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Panisch sammelte ich in Gedanken alle Informationen über den Düsterwald zusammen. Schließlich kam ich zu dem Ergebnis, dass es mich zwar hätte schlimmer treffen können, dass ich allerdings vermutlich in einem Schlamassel steckte, denn die Waldelben waren nicht gerade für ihre Güte und Herzlichkeit bekannt. Unterstützung konnte ich von ihnen nicht erwarten. Sie galten als rau, einsiedlerisch und wilder. Wenn sie nun auf eine Fremde stießen, die es geschafft hatte, sich an den Wachen ins Herz des Königreichs zu schleichen ... Was blühte mir dann wohl?

Ich steckte den Ring in die Hosentasche, krempelte die Ärmel hoch und zog meine flauschigen Hausschuhe, die die Knöchel bedeckten, höher.

Hektisch musterte ich meine Umgebung. Zu blöd, dass sich nirgendwo „Exit"-Schilder fanden. So blieb mir nur eines zu tun: Mich für eine Richtung entscheiden. Da ich bereits Wachen erspäht hatte, meinte ich, den Ausgang gefunden zu haben. Ich überschlug meine Chancen. Diese standen angesichts der Tatsache, dass ich mich im Reich der Elben aufhielt, denkbar schlecht. Schließlich galten Elben als stärker, klüger, geschickter als Menschen und uns grundsätzlich auf allen Ebenen überlegen. Doch Mum hatte mich gelehrt, sich auch ausweglosen Situationen zu stellen und niemals aufzugeben, selbst wenn der Ausgang des Kampfes bereits bestimmt war.

Des Königs Hallen bestanden aus einzelnen Inseln, wie ich sie nennen würde. Über schmale Treppen waren sie miteinander verbunden. Auf der niedrigsten Ebene würde man mich bei diesen Lichtverhältnissen vermutlich schlechter ausmachen können. Also sprang ich runter und stieß einen leisen Fluch aus, als etwas unter meinen Füßen knackte. Nach dem ersten Schreck begann meine Flucht.

Den Blick gen Norden, Osten und Westen gerichtet, arbeitete ich mich langsam vor. Glockenhelles Lachen hallte von den Mauern wider, die im Dunkeln verschwanden. Nichts schien sich zu rühren.

Ich trat gegen etwas, das über den Boden sauste und gegen Holz stieß. Vermutlich ein Steinchen. Mist! Da knirschte es unter meinen Füßen, und mit einem Mal wurden die Wachen auf mich aufmerksam.

Zwar hörte ich nicht, was sie sagten, doch ich sah, wie sie sich in Bewegung setzten. Trotz der großen Entfernung zwischen uns hatten sie mich geortet. In aufkeimender Panik fuhr ich herum und schlug den Weg ein, den ich eigentlich hinter mir lassen wollte.

Kleidung raschelte, Schritte näherten sich mir. Ich hastete weiter, tiefer in die Dunkelheit, bis mir dämmerte, dass es eine andere Möglichkeit geben musste. Also hechtete ich eine Treppe hoch, erreichte ein Plateau und verließ es, sobald ich glaubte, meine Verfolger direkt hinter mir zu hören. Kaum war ich auf dem harten Grund angekommen, wirbelte ich herum und jagte unter der größten der Inseln hindurch.

Das Herz schlug mir bis zum Hals. Aus dem Augenwinkel heraus bemerkte ich einen Schatten, der lautlos über die Treppengeflechte huschte, weit über meinem Kopf. Hinter mir die Elben, über mir irgendwas Undefinierbares.

Als ich ein riesiges Tor in der Ferne erblickte, gab ich Gas, wohl wissend, dass sie mich so gut wie eingeholt hatten. Meine Muskeln brannten und die kühle Luft schnitt mir in die Kehle. Trotzdem strengte ich mich an.

Da landete etwas Hageres und Großes etwa fünf Meter vor mir. Vor Schreck stoppte ich abrupt und starrte auf eine Pfeilspitze, die auf mein Gesicht gerichtet war.

Legolas.

Ich rollte mit den Augen. Legolasing war absolut überflüssig gewesen, denn die Wachen hatten mich nur Sekunden nach ihm erreicht.

Mein Elbisch war stark eingerostet, weshalb ich nicht verstand, was der blonde Prinz sagte. Sein feindseliger Blick verriet jedoch mehr, als es seine Sprache zu tun vermochte.

Worte ertönten in der Halle, gesprochen mit einer tiefen und melodischen Stimme, klar und deutlich, sodass ich trotz der feinen, sprachlichen Unterschiede verstehen konnte: „Dann ist die Jagd endlich zu Ende."

Die Weltenwanderin I - In Thranduils ReichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt