Chapter 11

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Nachdem ich mir selbst versprochen hatte, dass das definitiv nie wieder passieren würde, kriegte ich mich wieder einigermaßen ein. Ich meldete mich für den restlichen Tag krank, lieber wollte ich jetzt nicht auf Connor, Blair oder sogar noch mal auf Chris selbst treffen und flüchtete Nachhause. Kaum war ich da angekommen, stieß ich auf meine Mutter, die überraschenderweise doch gerade nicht auf der Arbeit war. Super. Sie lächelte mich halb an, als ich die Tür hinter mir zu zog und meine Jacke aufhängte. „Hallo, Schatz. Wieso bist du denn schon da? Hattet ihr eher aus?" Ich schüttelte den Kopf und kickte meine Schuhe in eine Ecke. „Nein. Mir gings nicht so gut und ich bin gegangen." Ihre braunen Augen funkelten besorgt und sie flatterte aufgeregt um mich herum. Mist. Schon bereute ich es, ihr etwas gesagt zu haben. „Was fehlt dir denn, Baby?" Ich seufzte genervt. Ich würde ihr ganz sicher nicht von Chris oder gar Connor erzählen, das Theater, das darauf folgen würde, würde mich wahrscheinlich noch monatelang verfolgen. „Schon gut, ich komm klar. Ich geh hoch in mein Zimmer und leg mich ein bisschen hin." Sie versperrte mir den Weg, als ich auf die Treppe zuhielt. „Meredith", tadelte sie mich mit diesem kritischen Blick. Innerhalb von zwei Wimpernschlägen konnte sie ihre Laune ändern. Wusch.
„Ich weiß wirklich langsam nicht mehr, ob du die Schule ernst genug nimmst. Du bist in deinem Abschlussjahr, da kannst du nicht einfach mal so fehlen, nur weil du gerade keine Lust hast." Ich schüttelte den Kopf. Meine Geduld hing heute am seidenen Faden. „Darum geht's doch gar nicht, Mom." Sie hob eine Hand. „Doch, natürlich. Du strengst dich wirklich nicht genug an, und ich weiß doch, dass du es besser könntest. Du bist schließlich nicht dumm."
„Mom, lass mich vorbei", meinte ich verärgert. „Du hast doch eh keine Ahnung, wovon du redest. Bei dir ist alles so einfach. Und ich hätte jetzt einfach nur gerne meine Ruhe." Sie blickte mich enttäuscht an und verschränkte die Arme, bewegte sich aber keinen Zentimeter. Ich hasste es, wenn sie mich so ansah. „Meredith, so redest du nicht mit mir. Dein Vater und ich sind uns einig darüber-" Ich unterbrach sie, jetzt reichte es mir langsam. „Ach, ihr redet wieder miteinander?" Meine Stimme triefte vor Sarkasmus und sie blitzte mich empört an. „Meredith!", zischte sie und ich drehte mich um und ging. Schnell und zu sauer, um mich weiter mit ihr herumzuschlagen und noch etwas zu sagen, was ich später bereuen würde, zog ich mir wieder meine Sachen an, die ich erst vor einem Moment abgestreift hatte. „Sei so nett und lass mich einfach zufrieden. Du interessierst dich ja sonst auch nicht für mein Leben, aber gerade jetzt musst du mich damit nerven. Darauf habe ich wirklich keinen Bock." Ich öffnete die Tür. Der Himmel sah aus, als würde es bald anfangen zu regnen. Passte zu meiner Laune, die sich gerade im freien Fall befand. Bevor meine Mutter mir weitere Vorwürfe machen konnte, lief ich nach draußen und knallte die Tür zu.

Was sich als nicht wirklich überlegt erwies. Ich saß bereits im Park, schmollte, meine schwarze Lederjacke bis zum Kinn hochgeschlagen, als der Himmel seine Schleusen öffnete. Klar, nicht wirklich überraschend, aber dennoch unnötig. Ich presste mich an den Baumstamm und zog die Knie an, damit meine Füße nicht nass wurden. Halbwegs trocken blieb es ja unter der breiten und dichten Baumkrone der alten Linde, unter der ich mich niedergelassen hatte. War ja wieder einmal klar, Cole fand an einem wunderschönen Frühlingstag mit warmem Sonnenschein hier seine wahrscheinlich wahre Liebe und das Einzige was ich von diesem Park bekam, war wahrscheinlich eine fiese Erkältung. Ich sah zu, wie der Regen durch die Blätter tropfte und um den Baum herum schier in Fäden zu Boden fiel. Die Blumen reckten ihm ihre bunten Köpfe entgegen, wie kleine Regenschirme, die das Wasser auffingen, anstatt es abperlen zu lassen. Ich war allein. Sowohl in diesem Moment, als eigentlich auch mit meinen Gefühlen. Klar, es schüttete inzwischen wie aus Eimern, wer zur Hölle sollte mir hier schon Gesellschaft leisten? Das war ein Wetter, bei dem man nicht einmal den Hund vor die Tür ließ. Und was meine Gefühle anging...Gott, ich würde noch ausrasten, wenn das so weiterging. Chaos war noch untertrieben. Ich verstand mich selbst ja nicht mal wirklich mehr. Das Einzige was ich kapierte, war, dass ich Connor liebte. Ich wollte das nicht, und ich wollte nicht mit ihm zusammen sein, nur um zu sehen, wie er anderen Mädchen nachstellte und mit seinen Kumpels über mich und meine Naivität lachte. Dieses Bild ließ sich aber irgendwie nicht mit meinen Vorstellungen von Connor vereinbaren. Er war kein schlechter Mensch. Er war relativ ehrlich, hatte versucht, mich zu beschützen und hatte sich für Blair und ihre Dummheiten entschuldigt. Ich hatte auch nie gehört, dass er über die Mädchen, mit denen er etwas gehabt hatte, schlecht, oder überhaupt geredet hätte, wie mir gerade auffiel. Andere hatten geredet, sicher. Vermutungen angestellt, und natürlich hatte sie irgendwer irgendwo gesehen und es irgendwem weitererzählt, sodass es in Kürze die ganze Schule wusste. Connor war beliebt - obwohl er nicht im Footballteam war. Wie kam das eigentlich? Ich runzelte die Stirn. Ich wusste es nicht einmal. Vage klingelte etwas bei mir, dass er früher Schwimmer gewesen war, bevor er aufgehört hatte. Glaubte ich zumindest. Auch hatte er sich nie an irgendwelchen bösen Streichen beteiligt. Also warum gab er sich mit Blair und diesen ganzen Mädchen ab, anstatt eine feste Freundin zu finden? Das sollte doch eigentlich für jemanden wie ihn kein Problem sein. An diesem Punkt stutzte ich immer, und fand doch keine Antwort, und meine Gedanken schweiften weiter. Blair dagegen war beliebt, weil sie die Anführerin der Cheerleader war, obwohl die meisten eher Angst vor ihr hatten als sie wirklich zu mögen. Sie wurde durchaus immer von ihrer Meute aus absolut gleich gestylten Barbies umschwirrt, teilweise selbst Cheerleader, aber selbst die waren eingeschüchtert von ihr und hatten wohl mehr Interesse daran, sich in ihrem Ruhm zu sonnen als an wahrer Freundschaft. Sie war schließlich auch bekannt für ihre Rachsucht und ihre fiesen Ideen, die den guten Ruf einer Person oder deren Selbstbewusstsein locker und rücksichtslos zerstören konnten, und deswegen war wohl jeder an der Schule bemüht darum, sich mit ihr gut zu stellen oder zumindest nicht zur Zielscheibe zu werden. Alle, außer mir. Und dennoch hatte Blair nicht - oder noch nicht - zurückgeschlagen, nachdem ich sie vor der halben Schule blamiert hatte. Warum? Hatte Connor etwas gesagt? Aber warum hätte er das tun sollen? Mochte er mich vielleicht zuletzt doch noch irgendwie? Ich kaute nachdenklich auf meiner Unterlippe. Der Wunsch, dass er mit mir zusammen käme und seine ganzen Frauengeschichten mit einem Mal aufgeben würde, war wirklich kindisch. Das würde er nicht tun, darauf konnte ich mich einstellen. Wollte ich ihn dennoch? Sehr zu meiner Schande lautete die Antwort darauf ja. Meine Schwäche für ihn ärgerte mich. Selbst wenn er mit mir zusammen sein wollte, ich wollte ihn nicht teilen. Weder emotional noch körperlich. Und dennoch... Ich schüttelte den Kopf. Ich wusste einfach nicht, was ich wollte. Und dann war da noch ein weiteres Problem. Ich blickte auf meine Hände und sah sie skeptisch an, als wüsste ich nicht genau, was ich mit ihnen anfangen sollte. Was zum Teufel hatte es mit diesem Feuer auf sich, das scheinbar immer dann ausbrach, wenn ich total durcheinander, sauer oder angeturnt war? Ich schluckte. Ich fühlte mich schon wie in irgend so einer kitschigen Fernsehserie. Eine dumme Frage beschäftigte mich bei dieser Tatsache am Rande, wie so ein Störbild auf dem Fernseher, im Hintergrund, das nicht verschwinden wollte. Wenn ich das tatsächlich konnte, und nahmen wir mal an das alles war möglich, dann fragte ich mich: Warum war es in der Schule passiert, Zuhause, und in der Besenkammer, aber als Einziges nicht bei Connor, obwohl ich in seinen Armen, bei seinem Kuss, von allen Situationen am Meisten empfunden hatte? Diese Ungewissheit nagte an mir und machte mich nervös. Ich bewegte zaghaft die Finger. Wenn ich wollte, konnte ich dann auch...? Das Feuer war zu mir gekommen, als ich es nicht erwartet hatte. Konnte es auch zu mir kommen, wenn ich es...rief? „Feuer", flüsterte ich und hielt den Atem an. Gleich darauf kam ich mir ziemlich bescheuert vor. Nein, das war doch Quatsch. Und selbst, wenn...brauchte es dafür zumindest Gefühle. Starke Gefühle. Ich biss mir abschätzend auf die Lippe und betrachtete wieder meine Fingerspitzen. Okay, das schrie geradezu nach einem kleinen Experiment. Selbst wenn ich mich damit selbst als Vollidiotin abstempelte, immerhin war hier niemand, der mich sehen und für verrückt erklären konnte. Also schloss ich die Augen, die Hände aneinandergelegt, wie um die Wassertropfen aufzufangen, die um mein trockenes Versteck herum die Wiese tränkten. Und dachte an Connor. Ich spürte dem Gefühl nach, das ich in seiner Gegenwart hatte. Als ich ihn das erste Mal gesehen hatte, war ich noch neu auf der Schule gewesen, hatte gerade eben erst Cole und Abby kennengelernt und zögernd angefangen, mich mit ihnen anzufreunden. Im Flur hatte ich noch etwas orientierungslos nach meinem Schließfach gesucht, und war dabei quasi in Connor hineingerannt. Ich denke nicht, dass er sich an diesen Moment erinnerte, aber für mich hatte für eine Sekunde die Welt um uns herum aufgehört, zu existieren. Ich hatte nur ihn gesehen, seine honigbraunen, freundlichen Augen, das niedlich verwuschelte, braune Haar. Hatte seine Wärme gefühlt und seinen überraschten Laut gehört, als wir zusammenstießen. Er hatte mich halb aufgefangen, ganz kurz die Arme um mich gelegt. Und ich hatte gespürt, wie ich fiel. Ihm verfiel. Bis dahin hatte ich nicht geglaubt, dass ich mich je auf diese Weise in jemanden verknallen würde. Dann tauchte das Bild in meinem Verstand auf, wie er mich von Chris weggezogen hatte, und wurde kurz darauf von unserem Kuss abgelöst. Das Gefühlschaos stieg wieder in mir auf, diese Leidenschaft für Connor kämpfte mit der Angst vor Enttäuschung. Ich wollte nicht verletzt werden, aber irgendwie kam ich dennoch nicht gegen diese verwirrenden, intensiven Emotionen an. Als letztes tauchte plötzlich der Traum vor meinem inneren Auge auf, den ich die letzten Tage über tunlichst verdrängt hatte. Connor, der mich streichelte, Connor, der mich küsste. Der die Lust in mir entfachte, und dessen Berührungen die Einzigen waren, die das Feuer in mir löschen konnten. Winzige Funken, die zwischen uns in der Dunkelheit verglommen. Hitze fuhr durch meinen Körper, nur bei der Erinnerung daran und ich schnappte reflexartig nach Luft. Ich öffnete die Augen, erwartungsvoll, ob wohl ein winziges Flämmchen vor mir in der Erde lodern würde. Ich brauchte erst eine geschlagene Minute, um zu kapieren, was ich da sah. Was ich nun erblickte, ließ mich dann aufkeuchen. Die Unmöglichkeit dieses Anblicks verpasste mir einen echten Schock. Um mich herum, in einem perfekten Kreis, brannte das Gras. Die Flammen leckten bestimmt fünf Zentimeter hoch. Mit offenem Mund starrte ich das Gebilde an. Auch wenn ich zuvor nur halb an dieses seltsame Phänomen geglaubt hatte, jetzt konnte ich es kaum mehr leugnen. Das war ja kein Wink mit dem Zaunpfahl mehr, ich fühlte mich eher so, als hätte mich ein LKW überrollt. „Fuck", hauchte ich, verwirrt und gleichzeitig irgendwie...beeindruckt. Ich dachte noch einmal an Connor, an seine unglaublichen bronzenen Augen, und beobachtete fasziniert, wie die Feuerzungen auf zehn Zentimeter anwuchsen. Sie loderten in die Höhe, unbeeindruckt von dem Regen, der vereinzelt in ihre Mitte tropfte. „Wow", meinte ich und stand vorsichtig auf. Genauso unsicher wagte ich mich näher heran und ließ mich direkt vor dem Kreis auf die Knie sinken. Er breitete sich nicht weiter aus, er blieb genauso perfekt, wie er war. Sehr, sehr zögernd streckte ich eine Hand aus, bereit dazu, sofort die Finger zurückzuziehen. Ich spürte die Wärme, die Hitze der Flammen, hörte ihr Knistern, sie wirkten so ungeheuer echt, real, und...beinahe normal, wenn ich es nicht besser wüsste. Wesentlich mutiger als sonst beugte ich mich weiter vor, das Risiko eingehend, mich zu versengen. Aber als meine Fingerspitzen in die Zungen eintauchten, fühlte ich keinen Schmerz. Wärme, ja, aber nicht unangenehm. Dieses Gefühl sandte ein leichtes Prickeln durch meinen Körper, bis hinab in die Zehenspitzen. Verblüfft zog ich die Hand wieder zurück. Okay, seltsam. Kurz darauf versuchte ich es noch mal, mit demselben Ergebnis. Daraufhin testete ich weiter, griff in das Feuer und schloss meine Finger zur Faust. Dann entzog ich mich den Flammen wieder und sah auf meine Hand. Langsam öffnete ich sie und beobachtete fasziniert das winzige Flämmchen, das in ihr zurückgeblieben war und munter vor sich hin flackerte. Krass. Es flackerte, erlosch aber nicht, und unter meinem Blick wuchs es wieder an. Ich lachte leise. Was für ein irres Gefühl. Ich streckte die Hand weit aus und ließ das Feuer übermütig höher schießen. Hastig senkte ich sie aber wieder, um nicht versehentlich den Baum anzufackeln. Ich konnte einfach nicht aufhören, zu grinsen. Pure Kraft raste durch meine Adern, es fühlte sich so an, als würde flüssiges Feuer hindurchfließen. Obwohl ich durchaus Lust hatte, weiter mit dieser neu gewonnenen...Gabe...zu spielen, fiel mir plötzlich siedend heiß wieder ein, wo ich mich befand. Park. Sollte hier doch jemand durch den Regen irren...dann würde es keine fünf Minuten dauern, bis die Feuerwehr hier ihr Lager aufschlug und sowohl mich als auch mein kleines Lagerfeuer hier löschen würde. Hastig pustete ich gegen die Flamme in meiner Hand und tatsächlich, wie eine Kerze verlosch sie. Bei dem Feuerkreis zögerte ich kurz, entschied mich aber für dieselbe Möglichkeit, die ich schon einmal angewendet hatte. „Geh aus", flüsterte ich. „Danke Feuer, aber bitte, geh aus!" Die Flammen wurden kleiner und kleiner, fielen in sich zusammen, bevor nur noch rauchender Boden übrig blieb und die Hitze verflog. Mit einem dezenten Anflug eines schlechten Gewissens fragte ich mich, was sich wohl später jemand denken würde, der hier vorbeilief, mit diesem perfekten Kreis, der rund um den Baum in die Erde gebrannt war. Bestimmt lautete die nächste Überschrift in der Zeitung: Kornkreise im Stadtpark? Ich kicherte amüsiert und bemerkte erstaunt, dass es inzwischen aufgehört hatte, zu regnen. Schnell lief ich durch die nasse Wiese, mich kurz versichernd, dass mich niemand gesehen hatte. Ich war mir sicher jeder, der mir auf dem Heimweg begegnete, sah noch den Nachhall des Feuers in meinen Augen tanzen.

New Beginning - Der Pakt mit dem TeufelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt