Chapter 3

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Nach meiner Begegnung mit Connor war ich nachdenklich gestimmt. Nach diesem letzten Kommentar war er gegangen und hatte mich verwirrt zurückgelassen. Er war anders gewesen als er sich normalerweise in der Schule gab. Nicht der kühle Schülersprecher, der immer, wenn sich die Gelegenheit ergab, mit Charisma ein Mädchen auf einer Party abschleppte. Er war wütend gewesen, ja, aber ich hatte ihm seine eigenen Vorwürfe um die Ohren gehauen und ihn damit wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und war er wütend gewesen, wegen mir? Lag ihm etwas an mir? Aber was sollte dann dieser Mist mit Blair? Ich verstand die Welt nicht mehr. Hätte er mich weiterhin ignoriert, wäre ich damit klar gekommen, hätte ihn vielleicht vergessen, aber so? So schwebte er nur weiterhin durch meine Gedanken. Mir war, als würde ich immer noch seinen starken Griff spüren, als er mich weg von Mr. Firestone gezogen hatte. Meine Haut kribbelte an der Stelle, wo er mich berührt hatte und ich öffnete und schloss die Finger verloren wieder. Seufzend ließ ich mich nach hinten auf mein Bett fallen, direkt neben meine Katze, welche ein protestierendes Geräusch von sich gab und sich wieder zu einer schlafenden Fellkugel zusammenrollte. „Bast, was soll ich nur von all dem halten?", fragte ich und starrte zu meiner weißen Zimmerdecke hoch. Genauso fühlte ich mich gerade. Weiß. Irgendwie ausgebrannt.

Cole erzählte ich nichts von meiner seltsamen Begegnung mit Connor, genauso wenig Abby. Ich hielt es für besser, wenn ich versuchte, diese Szene zu vergessen. Besser für uns alle. Cole würde nur anfangen, alles in rosa Herzchen zu hüllen und mir unnötige Hoffnungen machen, und Abby würde entsetzt sein. Auf noch mehr Krach und Streitereien und Diskussionen und wer weiß was noch hatte ich heute wirklich keine Lust. Also gab ich mich heute wortkarg und beschränkte mich auf einsilbige Kommentare, bis meine Freunde es aufgaben, ein Gespräch mit mir anfangen zu wollen. Dennoch bemerkte ich den ganzen Tag über Connors Blicke in meinem Rücken, wann immer ich ihm zufällig über den Weg lief. Ich legte mein Kinn auf meine verschränkten Hände auf dem Schultisch. Mein Gesicht lag verborgen hinter meinen pinken Haaren. Sie waren wie eine Art Schutzwall für mich, schirmten mich vom Unterricht und meiner Umwelt ab. Nur nicht vor meinen chaotischen Gedanken.

Irgendwie rechnete ich halb damit, dass Connor mich wieder ansprechen würde, am nächsten Tag, aber er verhielt sich so, als hätte es unsere seltsame Begegnung nie gegeben. Halb war ich erleichtert, halb enttäuscht. Aber dennoch spürte ich, etwas hatte sich verändert, es war wie eine vage Verschiebung der Kräfte im Raum. Blair schien mich plötzlich ebenso zu beobachten, und ich konnte ganz klar Hass in ihrem Blick lesen. Hatte Connor ihr von unserem Gespräch erzählt? War sie womöglich eifersüchtig? So ein Quatsch, sagte ich mir. Worauf auch? Dieser Gedanke zog nicht ohne einen Funken Selbstmitleid vorüber und ich schüttelte hastig den Kopf und konzentrierte mich wieder auf den Unterricht. Irgendwo summte ein Handy. Und noch eins. Dennoch ging mir dieser Typ einfach nicht mehr aus dem Kopf. Warum musste er mich auch gerade 'warnen', vor dem einen Kerl der mir eine gewisse Ablenkung bot, dessen Aufmerksamkeit mir sogar gefiel? Ein leises Raunen ging durchs Klassenzimmer und Zettel raschelten. Scheinbar war meine Klasse mal wieder besonders unruhig, nur ich als Einzige war tief in Gedanken. Ich schnaubte. Verdammt, ich würde mich jetzt zusammenreißen. Was er sagte, konnte mir eigentlich ganz egal sein. Wer war er auch, mir zu sagen, wem ich trauen konnte und wem nicht. Vermutlich war es nur ein blöder Scherz gewesen. Aber...er hatte irgendwie so besorgt und ernst geklungen. Abby riss mich schließlich aus meinen Grübeleien. „Merry!", zischte sie mir zu und stieß mir den Ellenbogen in die Rippen. Zusammenzuckend wandte ich mich mit einem unwilligen Gesichtsausdruck zu ihr um. „Was?" Sie schob mir unauffällig ihr Handy über den Tisch zu, die Augen immer auf den Lehrer gerichtet, scheinbar aufmerksam, aber eher wachsam. Ihr Ausdruck gefiel mir gar nicht. Ich runzelte irritiert die Stirn und nahm das Ding an mich. Mensch, wenn sie mir wieder eine unbedeutende Nachricht von Andrew zeigen würde, würde ich an die Decke gehen. Also, mal sehen...Was wollte sie denn nun wied... Ich erstarrte und spürte, wie mir das Blut aus den Wangen wich. Ein Foto war auf dem Display zu sehen, eine Nahaufnahme, offensichtlich in einer Art Rundmail versandt. Der fiese Betreff hatte mich schon vage vorbereitet, aber auf das...darauf war ich wirklich nicht gefasst gewesen. Es war ein Foto von Cole und einem anderen Jungen, wirklich süß, der Kleine; braune Haare und ebensolche Augen, Stupsnase, Sommersprossen. Und irgendwie kam er mir bekannt vor. Unsere Schule? Sie küssten sich. Niedlich, und bis dahin war ja alles harmlos, klar, wir wussten ja, dass er schwul war. Aber die Bearbeitung ließ mich das Handy fester umschließen. Es waren ein durchgestrichenes rotes X auf ihren beiden Köpfen und ein Schriftzug direkt darunter, welche in mir schieren Horror auslösten. Nein, fuck. Ich dachte, das wäre vorbei. „Raus mit den Schwuchteln und ihren Freunden. Lasst nicht zu dass diese abartigen Punks, Goths und Schwulenliebhaber unsere Schule verpesten." Als ich aufsah und in Abbys Augen blickte, waren meine dunkel vor Wut, und auch sie wirkte nur mühsam gefasst, halb den Tränen nahe. Ich stand auf, mitten im Unterricht, und unterbrach damit wohl die Lehrerin in dem, was auch immer sie gerade machte. „Gibt es etwas, Meredith?", fragte sie verwirrt und das Tuscheln in der Klasse nahm zu. Ich wusste genau, über was sie sprachen. Inzwischen hatte dieses verdammte Foto wahrscheinlich die ganze Schule auf ihrem Handy. „Ja", erwiderte ich ruhig, nahm meine Tasche und Jacke und bahnte mir meinen Weg durch die Sitzreihen hindurch, nicht hastig. Abby folgte mir nicht, sie wusste, dass ich meine ganz eigenen Arten hatte, solche abartigen Situationen zu regeln. „Ich muss da was klären, Mrs. James. Genauer gesagt, jemandem einen kräftigen Arschtritt verpassen, verzeihen Sie, M'am. Warten Sie nicht auf mich." Und mit diesen Worten stieß ich die Tür auf und ging, ließ die fassungslosen Schüler und die verblüffte Lehrerin hinter mir. Sobald die Tür ins Schloss fiel, war ich schon auf dem Weg. Es gab jetzt zwei Stationen anzulaufen. Die erste war das Jungsklo. Ich rannte beinahe, um schneller in den zweiten Stock zu gelangen, stieß ohne anzuklopfen die Tür auf und lief hindurch. Erst vor den Kabinen hielt ich an. Immer den Geräuschen nach. Es war nicht schwer, Cole zu finden. Völlig aufgelöst saß dieser auf dem geschlossenen Klodeckel, Tränen rannen ihm die Wangen hinab, und die Tür war nur angelehnt. Übel. Richtig übel. Als ich herein kam, gab er ein ersticktes Schluchzen von sich, hob den Kopf aber nicht aus den Händen und ich schloss ihn sofort in die Arme. „Hey, ist schon okay. Ich bin ja da. Lass uns hier verschwinden." Ich zog ihn sanft auf die Füße und er legte sein Gesicht an meinen Hals. Mein T-Shirt wurde feucht, und ich spürte, wie er zitterte, am ganzen Körper. Fuck. Ich würde diese Bitch killen. Natürlich wussten wir beide genau, wer dafür verantwortlich sein musste. „Reg dich nicht so auf, Baby, wir kriegen das wieder hin", meinte ich tröstend und strich ihm beruhigend durchs Haar. Innerlich kochte ich. „So eine dumme Schlampe!", stieß er heiser hervor und ich nickte. Cole tat sich noch immer schwer damit, als Schwuler in einer Kleinstadt akzeptiert zu werden. Und früher...früher hatte er solche Aktionen mehr als genug mitgemacht. Bis ich kam. Wir gaben uns gegenseitig Deckung und ich konnte mir nichts vorstellen, was er getan haben konnte, um so etwas zu provozieren. Nichts, was er getan hatte. Ich verfluchte mich und vor allem verfluchte ich Connor. „Es tut mir so Leid, Süßer. Nimm dir das nicht so zu herzen. Wir machen diese kleine Hure fertig und das wird ein Ende haben, das verspreche ich dir. Ich hab die Schnauze voll." Er umarmte mich und ich erwiderte den Druck. Sein rasender Herzschlag und auch sein Schluchzen hatten sich vermindert. Es war nur noch ein leises Hintergrundgeräusch, das mir wirklich das Herz brach. „Komm, ich bring dich Nachhause, Cole", seufzte ich und gab ihm einen Kuss auf die Wange. Seine großen, treuen, grünen Katzenaugen waren noch immer tränenverschleiert, aber ich konnte auch Zorn darin glimmen sehen. Nachdem sich der erste Schock gelegt und ihn das Déjà-vu von damals aus seinen Klauen entlassen hatte, rührte sich sein Kämpferwille. Cole war vielleicht schwul, das hieß aber nicht, dass er kein Mann war. Er konnte sich durchaus verteidigen, nur war er einfach ein Harmonie-Mensch. Er mochte Streit und Gewalt nicht, er war einfach zu empathisch und lieb für diese grausame Welt. Auch deswegen verletzten ihn solche Taten so. Er war ein guter Mensch und hatte nur den 'Fehler' anders zu sein. Der in Wirklichkeit gar keiner war, nur in den Augen von unaufgeklärten, einfältigen Kleinstädtern. „Was bildet sich diese dumme Kuh ein, wieder sowas abzuziehen! Ich bin doch kein verdammtes Opfer, das alles mit sich machen lässt, Merry! Warum tut sie das, nach so langer Zeit?" Er hatte mich inzwischen losgelassen und tigerte nun auf und ab. Ich konnte nicht weiter zulassen, dass er nach Fehlern suchte, die er gemacht hatte. „Ich denke nicht, dass es dabei um dich ging", brachte ich zögernd hervor und er verharrte. „Natür... Moment, was meinst du damit?" Mein Blick war plötzlich überall, nur nicht auf sein Gesicht gerichtet, ich kaute angespannt auf meiner Unterlippe herum. „Ich denke, sie wollte indirekt mich damit treffen. Sie könnte vielleicht...eifersüchtig sein." Er sah mich an und ich bemerkte, wie sich die Rädchen in seinem Kopf zu drehen begannen, also redete ich schnell weiter. „Auf...mich und Connor. Er hat letztens mit mir gesprochen und ich weiß nicht genau, was er ihr erzählt hat und da ist ja auch nichts gelaufen oder so...aber vielleicht hat sie das wütend gemacht." „Wütend genug, um ein Foto von mir zu machen, es zu bearbeiten und an alle Schüler zu schicken?", fragte er ungläubig, aber zunehmend grimmig. Nun war es an mir, auf und ab zu laufen, schließlich schaffte ich es aber, zu nicken. „Keine Ahnung. Ist nur eine Theorie, aber vielleicht." Cole stieß den angehaltenen Atem aus und ich kam auf ihn zu. „Tut mir echt Leid, wenn es deswegen war. Das ist alles nur meine Schuld..." Ich fühlte mich schlecht, echt mies. Es war echt unter der Gürtellinie, mir durch meine Freunde wehzutun. Aber zu Blair...passte es. Sie wusste, wie man solche Psychospielchen spielte. Und jetzt musste Cole wegen mir darunter leiden...Überraschend zog er mich in seine Arme. Sein Griff war energisch und beinahe trotzig. „Hör auf, dich zu entschuldigen. Man weiß doch nie, was in dem Kopf von solchen Oberzicken abgeht. Du hast mit Connor gesprochen, sagst du? Über was?" Ich versuchte, die Schultern zu zucken, aber an seine Brust gedrückt war das gar nicht so einfach. Er sah zwar nicht aus wie ein richtiges Kraftpaket, konnte aber durch jahrelangen Sport, beispielsweise Handball, durchaus fest zupacken. „Er hat mich von Mr. Firestone weggezogen, als dieser was mit mir besprechen wollte. Dann hat er mich auf dem Flur angemacht und gemeint, ich soll mich lieber von ihm fernhalten, wenn ich nicht als Lehrerschlampe enden will, zuerst alles sehr kryptisch, aber mir dann sowas vorzuwerfen! Er hat mich damit irgendwann echt aufgeregt und ich habe ihm die Meinung gesagt. Danach hat er sich sogar entschuldigt und mich nur gebeten, Mr. Firestone nicht zu nahe zu kommen. Anscheinend dachte er, er belästigt mich oder so", schloss ich, in Kurzfassung. Cole blinzelte verblüfft. Für eine Sekunde war seine fiese Situation wohl in den Hintergrund getreten. „Wirklich? Okay, bis auf den mittleren Teil hört sich das ja gar nicht so schlecht an. Er macht sich Sorgen um dich, denkst du, er mag dich?" 100 Punkte, mein Liebesleben war interessanter. Schon bevor er ausgesprochen hatte, fing ich an, den Kopf zu schütteln. „Nee, kann ich mir nicht vorstellen. Keine Ahnung, was ihn da geritten hat, ich denke, er wollte nur nett sein. Seltsam, der Typ." Cole hielt mich ein Stück von sich weg und musterte mich genau. „Schon klar. Aber du fliegst doch immer noch total auf ihn, oder?" Sein wissender Blick brachte mich zum Erröten. Fuck. Abstreiten war zwecklos. „Darum geht's doch gar nicht. Er ist anscheinend jetzt mit Blair zusammen, so wie die ihre Krallen die letzten Tage um ihn geschlungen hat. Und auch sonst, er ist ein totaler Aufreißer. Nie würde das was werden." Cole hob eine Augenbraue. „Und anscheinend ist sie krank vor Eifersucht, also scheinst du einen bleibenden Eindruck hinterlassen zu haben. Und es war dein erstes richtiges Gespräch mit Connor, oder? Das ist doch toll." Das Rot verstärkte sich noch weiter. Bald würde ich leuchten wie ein Ampelmännchen, wenn ich diesem Gespräch keine andere Richtung verpassen würde. „Apropos Liebesleben - wer war denn eigentlich der schnuckelige Kerl auf dem Foto da bei dir?" Cole schlug sich die Hand vor die Stirn. „Oh, fuck. Das wollte ich dir noch erzählen. Das ist Kyle. Er ist eine Stufe unter uns. Total niedlich, diese Augen lassen mich schwach werden. Und er ist geoutet, Gott sei Dank, und scheint mich zu mögen. Schien mich zu mögen", korrigierte er sich selbst automatisch. „Wer weiß, wie das nach heute aussieht. Es muss ihm sicher furchtbar gehen." Auf seinem Gesicht erschien ein dezent panischer Ausdruck. „Ich schreibe Abs eine Nachricht. Sie wird ihn finden und sich um ihn kümmern", beruhigte ich ihn und er gab mir schnell ein paar Details durch, die ich sofort an Abby simste.

New Beginning - Der Pakt mit dem TeufelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt