Prolog

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Meine Schritte hallten laut und unheimlich auf dem Pflastersteinboden wider, was mir einmal mehr bewusst machte, wie aussichtslos das Unterfangen war, sich hier verstecken zu wollen. Nirgendwo schiere Menschenmassen wie in größeren Städten, keine Ameisenhaufen der emsig umherlaufenden Leute, in denen man ein Gesicht unter vielen war und leicht mit der Menge verschmolz, wenn man nicht bemerkt werden wollte. Hier verteilten sich einzelne Trauben von Schülern auf den ganzen Schulhof, sofort fiel auf, wer hier nicht dazu gehörte, nicht ins Schema dieses alten Gebäudes passte, obwohl äußerlich beinahe kein Unterschied bestand. Die Schuluniformen der West Side High entdeckte man an einem jeden von ihnen - doch der 'besondere' Status mancher Leute war nicht an den Klamotten abzulesen, meistens war es die Haltung und offensichtliche Einstellung, die diese Außenseiter verriet, beinahe als hätte ihnen jemand einen Stempel mitten auf die Stirn gedrückt. Sie gehörten zu niemandem, irrten auf dem Schulgelände herum wie Geister. Unsichtbar, ungesehen von den beliebten und durchschnittlichen Schülern, wenn sie Glück hatten, unterdrückt und gepeinigt von denselben, wenn das Gegenteil eintrat. Meine Miene zeigte keine Regung, doch ich nickte diesen armen Seelen freundlich und knapp zu, wenn ich ihren Weg kreuzte, doch meistens war ihr Blick glasig oder einem schlichten Tunnelblick gewichen, der alles andere als ihr nächstes Ziel ausblendete, sodass sie es nicht einmal registrierten. Andere nickten schüchtern zurück, ein Lächeln sah ich selten. Die meisten dieser Außenseiter waren Jahrgangsneulinge, und die Schule war zu klein, um dies zu verbergen. Fakt war, ich war einer dieser Außenseiter, nur das Einzige, was mich von ihrem Dasein unterschied, war mein aufrechter Gang, mein stolz vorgerecktes Kinn und der herausfordernde Blick meiner meerblauen Augen. Und natürlich, nicht zu vergessen, mein beinahe schulterlanges knallig pink gefärbtes Haar, das unweigerlich Aufmerksamkeit auf mich zog. Ich erwiderte die verwirrten und skeptischen Blicke meiner Kameraden mit einem spöttisch angedeuteten Grinsen und setzte meinen Weg fort. Meine Bücher lagen schwer in meinen Händen und der Gurt meiner Tasche schnitt unangenehm in meine Schulter, genauso wie die Gegenwart meiner neuen Mitschüler meine Nerven aufs Empfindlichste strapazierte. Ich war nervös, war aber nicht bereit, mir das anmerken zu lassen. Ich mochte nicht sehr viele Menschen, was aber nicht daran lag, dass es keine freundlichen hier oder wo anders gab, sie machten sich nur selten die Mühe, lange genug hinzusehen, um wirklich mich zu sehen, und nicht diejenige, die ich zu sein vorgab. Das verabscheute ich, diese wachsende Oberflächlichkeit. Und wer nicht mit genug Aufmerksamkeit durch die Welt ging und mich einfach übersah, an dem verlor ich genauso schnell das Interesse wie eine Maus es an einer Mausefalle täte, vorausgesetzt sie wüsste, was sie da vor sich hatte. Da ich aber das Glück hatte, das Piranhabecken, das sich so unschuldig Welt nannte, leider - oder zum Glück - recht gut zu kennen, war ich einigermaßen sicher.

Einigermaßen. „Hey, Pixie!", schrie ein Typ aus dem ersten Stock des Hauptgebäudes zu mir herunter und grinste fies. Anscheinend hatte ihn die Nachricht von einem selbstbewussten Neuling in der elften Stufe zu sehr geschockt, als dass er an die üblichen Höflichkeitsformen auch nur hätte denken können. So etwas sprach sich normalerweise schnell an einer Kleinstadt-Schule wie dieser herum, Gerüchte breiteten sich aus wie ein Lauffeuer. Ich musterte ihn kurz. Das reichte mir aber schon, um zu bezweifeln, ob er denn auch unter normalen Umständen nicht mehr als ein 'Hey, jo, Alter, was geht' herausbrachte. Seine blaue Krawatte mit dem Logo der Schule war zur Hälfte abgeschnitten, genauso wie die seiner Kumpane, die neben ihm aus dem Fenster herauslugten und dreckig lachten, während sie mich beobachteten. „Was gibt's denn, Kleiner?", rief ich zurück und verzog missbilligend die Mundwinkel, als seine Freunde uns abwechselnd erwartungsvoll anstarrten, als würde es für sie gleich ein Feuerwerk geben. Ein bisschen erinnerten sie mich an ein Rudel Welpen, das wie ein Haufen großer, böser Wölfe wirken wollte. „Siehst ja ganz scharf aus, Süße, wie wärs? Ist unter deinem Rock noch Platz für uns alle?" Das Rudel johlte und der Redeführer richtete sich weiter nach Beifall heischend auf, sah auf mich herunter. „Meine Haare sind pink. Das ist kein Freifahrtschein für dahergelaufene Arschlöcher, mich zu ficken. Ich erwarte dafür ein gewisses Niveau, das du nicht hast und niemals haben wirst. Also pack dein Gürkchen wieder ein und verpiss dich, sonst muss ich noch deiner Mami Bescheid geben, und darüber würdest du dich sicher gar nicht freuen." Ich winkte ihm kurz zu und wandte mich dann zum Gehen um, mit dem Gelächter der Jungs im Ohr und dem herzerwärmenden Bild des schockierten Oberstufenschülers vor Augen, dem offensichtlich die Worte fehlten, angesichts der unerwarteten Gegenwehr. Allein dieser Ausdruck war es wert gewesen, meinen Ruf, wie auch immer er lautete, wahrscheinlich für immer geliefert zu haben. So begann mein zweiter, vielversprechender Tag an der West Side High.

Im Laufe des Tages fand ich mich immer mehr auf dem Gelände zurecht und gelangte sogar erfolgreich und meistens mehr oder weniger pünktlich zu meinen Kursen, beinahe ohne einen der anderen Schüler zurate ziehen zu müssen. Als ich schließlich in meinem Englischkurs ankam, meiner letzten Stunde dieses Tages, setzte sich ein Junge neben mich. Ich war darauf eingestellt gewesen, entweder einen leeren Sitz neben mir wieder zu finden, wie in den vorigen Stunden auch, oder wieder kindische Jungs abwehren zu müssen, doch es kam anders. Der Junge neben mir lächelte sofort, als er mich sah und als Erstes fielen mir an ihm seine leicht abstehenden und bei dem vergeblichen Versuch, sie zu bändigen, hochgestylten blonden Haare auf. Sie waren zu hell, um ungefärbt zu sein, und sein sehr gepflegtes Aussehen plus das rosa Halstuch, das er sich fachmännisch und offenbar auch als selbstbewusstes Statement umgeschlungen hatte, sprachen eine deutliche Sprache. „Hi. Ich bin Cole Young", stellte er sich mit einem extrem starken Südstaatenakzent bei mir vor, den ich vom ersten Augenblick an mochte, weil er irgendwie niedlich klang, und reichte mir die Hand. „Meredith Moore", erwiderte ich und schüttelte sie mit einem neugierigen Blick. Dann setzte ich mich neben ihn. „Du bist schwul?", erkundigte ich mich, beinahe noch im selben Atemzug und wartete seine Reaktion ab. Normalerweise reichte meine Direktheit allein aus, um Jungs in die Flucht zu schlagen. Überrascht wanderten seine elegant in Form gezupften Augenbrauen bei meiner direkten Frage in die Höhe. „Ja. Stört dich das?" „Nein, ich bin ehrlich gesagt sogar froh drüber. Die normalen Jungs hier sind alle Arschlöcher", gab ich erleichtert zurück und einer meiner Mundwinkel zuckte. Er starrte mich für einen Moment lang erstaunt an, bevor er ein bellendes Lachen ausstieß und seine grünen Augen vergnügt anfingen zu funkeln. „Du gefällst mir schon jetzt. Ich glaube wir werden uns in Zukunft recht gut verstehen. Meredith, ja?" „Ja. Aber nenn mich bloß nicht so, sonst kriege ich heute noch einen Anfall." Ich seufzte und lehnte mich entspannt zurück. Er warf mir einen langen Blick zu, abschätzend. „Was meinst du, lieber Merry oder doch M&M?" Ich grinste amüsiert und er grinste spontan zurück. „Ich glaube, du hast Recht. Wir sollten wirklich Freunde werden, Cole."













New Beginning - Der Pakt mit dem TeufelWo Geschichten leben. Entdecke jetzt