Am Ende des Unterrichts war ich am Arsch. Schon seit geschlagenen zehn Minuten seitdem die Klingel die letzte Stunde beendet hatte saß ich noch im Klassenzimmer, mit klopfendem Herzen, und hoffte, dass die Erscheinung, die ich hatte, von selbst verschwinden würde. Meine Klassenkameraden verließen einer nach dem anderen den Raum und nur ich verharrte, wie ein Reh im Scheinwerferlicht. Fuck, es sah wohl so aus als würde mir meine Moralpredigt, über die ich zuvor noch gescherzt hatte, nachlaufen, in Form eines großen, gebräunten, braunhaarigen Gottes mit einem umwerfenden Lächeln. Connor wartete vor der Tür. Auf mich. Das spürte ich, auch ohne die Strähnen seines bronzen schimmernden Haares gesehen zu haben. Also saß ich hier dumm rum und stellte mich tot. Gott sei Dank war Cole Zuhause und Abby in einem anderen Kurs, so bekamen wenigstens die beiden meine plötzliche Feigheit nicht mit. Ich legte die Stirn auf den Tisch und seufzte. Ich sollte Connor selbstbewusst gegenübertreten, wie ich es heute Morgen getan hatte, aber das war eher eine Folge des Adrenalinrausches gewesen und kein bedeutsames Aufwallen von Mut ihm gegenüber. Der Gedanke, mit ihm zu sprechen und mir neue Vorwürfe anhören zu müssen löste in mir den spontanen Drang aus, zu erproben, ob man sich wohl Knochen brechen würde, wenn man sich aus dem ersten Stock stürzte. Alles eine angenehmere Vorstellung als ein Gespräch mit ihm, das gleichzeitig meine Beine zittern ließ wie Espenlaub und meinen Verstand leerfegte, besser, als es jeder Matheunterricht konnte. Wäre er nur nicht so verdammt attraktiv. Ich war scharf auf ihn, natürlich, und er war sich seiner Wirkung auf Frauen ja auch sehr wohl bewusst. Genau deswegen ärgerte mich meine unkontrollierbare Reaktion auf ihn auch so sehr. Wenn ich ihn sah, wollte ich, dass er mich aus diesen sturmgrauen Augen anblickte. Wenn er mich anblickte, wollte ich, dass er mich berührte, wollte, dass er mich an sich zog und küsste. Ich wollte wissen, wie sich die Muskeln unter seinem Shirt anfühlten, von denen ich wusste, dass sie da waren. Ich wollte mit der Zunge darüber fahren und herausfinden, wie sich sein Stöhnen anhörte. Momentan hörte ich aber nur ein Stöhnen, und das war meins, das erklang, während ich meinen Kopf auf den Tisch vor mir knallte. Ich war ja so am Arsch, das war gar kein Ausdruck. Und bei diesen ganzen Fantasien war mir heiß geworden. Meine Laune sank noch weiter, wenn das denn möglich war. Ich sprang auf und atmete einmal tief durch. Beende diese Sache, Merry, dachte ich mir nur. Du wirst sonst noch irre. Mach die Tür auf und lauf! Also bewegte ich mich in Richtung Ausgang und streckte meine Hand nach der Türklinke aus. Offensichtlich hatte jemand auf der anderen Seite wohl gerade dieselbe Idee gehabt wie ich, denn das Teil wurde bereits nach unten gedrückt. Erschrocken machte ich einen Satz zurück und bedachte den Eintretenden mit einem Blick aus großen, überraschten blauen Augen. Die Tür war aufgeschwungen und heureka, was für ein Anblick - Connor stand mir gegenüber, zögernd innehaltend, als er mich so nah vor ihm entdeckte. Dann fasste er sich wohl ein Herz, trat schweigsam ein und schloss die Tür wieder hinter sich. Oh man. Das zum Thema weglaufen. Er wirkte aufgewühlt, und ich konnte nicht genau erahnen, wie sauer er war. Aber Moment, eigentlich war ich doch diejenige, die wütend war. Oder? Sicher. Ich krallte mich verbissen an den Ereignissen dieses Tages fest und rief mir Blairs Gesicht in Erinnerung. Super. Das dämpfte jegliche Euphorie und etwaige Libido, die in seiner Gegenwart wie ein Feuerwerk in mir zu explodieren drohte. „Was willst du?", fragte ich ihn also und war stolz, als meine Stimme nur ein klitzekleines bisschen schwankte. Ich suchte automatisch seinen Blick. Er schob sich eine Hand in den Nacken und erschien mir beinahe...verlegen. Verlegen? Wer, Connor? Hatte ich jetzt schon Halluzinationen?
„Ich...ich habe dich gesucht. Ich weiß, du glaubst mir das jetzt bestimmt nicht, aber ich wusste nichts von Blairs fiesen Plänen und hab damit auch nichts zu tun." Das Problem war nicht, dass ich ihm nicht glaubte, ich wollte ihm so unbedingt glauben, dass mein Magen sich bei der Anstrengung verknotete. Aber so lief das nicht. So lief das nie. „Das ist doch ganz egal, Connor. Ob du mitgemacht hast oder nicht, du bist der Auslöser für all das." Ich umklammerte meine Büchertasche und fühlte mich schlecht, als ich diese verletzenden Worte hervorstieß. Ich klang kalt, kälter, als ich mich fühlte. Er zuckte zusammen und verzog das Gesicht. Der Impuls durchzuckte mich, ihm näher zu kommen und meine heftigen Worte durch sanftere Taten zu lindern. Mein Körper lechzte nach seiner Gegenwart, doch ich blieb, wo ich war. Es war schwierig, aber ich hielt durch. Betreten sah er zu Boden. „Es tut mir Leid. Wirklich." Er sah aus wie ein kleiner Welpe, der getreten worden war und die letzten Reste meiner Wut verrauchten schlagartig. Aufseufzend fuhr ich mir mit einer Hand durch die pinken Haare. „Ich weiß nicht, was du willst, Connor. Solltest du nicht bei deiner Freundin sein und mit ihr reden anstatt mit mir?" Er sah ruckartig auf, und unsere Blicke kreuzten sich. Wow. Diese Augen. Faszinierend. Ein wirbelnder Strudel aus ausdrucksstarkem Grau, ein Spektrum an Gefühlen, die darin tanzten und drohten, mich mit sich in den Abgrund zu ziehen. Meine Lippen öffneten sich leicht ohne dass ich es merkte und meine widerstreitenden Emotionen rasten durch meine Glieder. Connor kam auf mich zu, scheinbar genauso gebannt wie ich, und ich glaube nicht, dass er überhaupt registrierte, dass er sich bewegte. Sein Haar schimmerte weich und in diesem einzigartigen Bronzeton im sanften Sonnenlicht, das durch die Fenster auf uns fiel und ich wollte einfach nur meine Finger darin vergraben und austesten, ob es sich wirklich so gut auf meiner Haut anfühlte, wie ich es mir vorstellte. Die Schmetterlinge in meinem Bauch liefen Amok. Diese verräterischen Viecher trieben mich noch in den Wahnsinn. Connor blieb dicht vor mir stehen, die Elektrizität zwischen uns war beinahe greifbar. Es sprühten die Funken zwischen uns und ich schluckte. Er hob zögernd eine Hand, nicht sicher, ob ich zurückweichen würde, doch ich konnte mich nicht bewegen. Mein Herz raste, als seine Finger meine Wange streiften. Ich schnappte nach Luft, als ich etwas wie einen elektrischen Schlag von dieser zarten Berührung bekam und auch er sog erstaunt den Atem ein. Wir ließen uns nicht aus den Augen, als er die flache Hand an meine Haut legte und leicht, geradezu zärtlich mit dem Daumen über meine Lippen fuhr. Meinen Körper durchlief ein Beben und seine Augen weiteten sich. Spürte er dieses heftige Gefühl auch, das zwischen uns pulsierte? Leidenschaft. Ich wollte mehr von ihm spüren, ich zitterte vor unterdrücktem Verlangen. In einer einzigen Bewegung hatte er mich an seine Brust gezogen und seine Lippen auf meine gepresst. Mit einem lauten Schlag fielen meine Bücher und Tasche zu Boden, als ich die Arme um seine Taille schlang. Sein Mund streichelte sanft über meinen, zuerst beinahe fragend, austestend, dann sicherer, mit zunehmender Leidenschaft. Wie von selbst ergaben sich meine Lippen dem fordernden Drängen seiner Zunge und teilten sich für ihn. Unsere Zungen berührten sich neugierig und oh Gott, er schmeckte einfach wundervoll. Erregend, männlich, verführerisch. Ich erwiderte seinen Kuss heftig, mit derselben Intensität wie er. Meine Finger ertasteten straffe Muskeln unter seinem T-Shirt und während sich seine eine Hand in meinen Nacken legte, warm und dominant zugleich, legte er die andere auf meine Hüfte. Es fühlte sich unglaublich gut an, und unsere Küsse wurden immer hitziger, unsere Leiber pressten sich hungrig gegeneinander wie im Fieber. Seine Lippen schweiften ab, glitten über meinen Hals, zogen eine feurige Spur über meine Haut. Seine Zähne bohrten sich leicht in eine Stelle direkt hinter meinem Ohr, der süße Schmerz entlockte mir ein Stöhnen, aber seine Zunge linderte diesen sofort wieder, auf ausnahmslos anregende Weise. Verdammt, ich wollte ihn, jetzt und hier. Begehren rauschte durch meine Adern und meine Finger ertasteten feste Haut an der Stelle, an der sein T-Shirt durch unsere Knutscherei wohl hochgerutscht war. An den Stellen, an denen er mich und ich ihn berührte, brannte meine Haut. Er setzte mich in Flammen. Ich legte den Kopf in den Nacken und er küsste meine Kehle, wanderte weiter nach unten und ließ die Zunge über die kleine Kuhle gleiten. Er roch unsagbar fantastisch. Natürlich, irgendwie nach Seife, Sex und Mann und... Irgendetwas machte in meinem Kopf plötzlich Klick. Das hier war Connor, der mich küsste. Connor, der Aufreißer. Ein winziges bisschen von Blairs Parfüm haftete noch an ihm. Ich reagierte schneller, als ich nachdenken wollte und stieß ihn hart von mir. Er taumelte zurück, einen Moment lang um Gleichgewicht kämpfend, offenbar hatte er mit allem, nur nicht damit gerechnet. Seine großen grauen Augen blickten verwirrt drein, ein wenig verletzt, und immer noch leicht verschleiert vor Verlangen. Die räumliche Trennung tat beinahe körperlich weh, aber ich wich mühsam weiter zurück, weg von ihm. „Was ist los?", fragte er und fuhr sich irritiert durch die wunderbaren Haare. Unsicherheit flackerte in seinem Blick und Wut regte sich in mir. „Wie kannst du es wagen, mich anzufassen", knurrte ich rau, in gleicherweise beschämt über meine wenige Selbstkontrolle und angepisst von seinem Verhalten. Und immer noch wollte ich nichts mehr, als mich an ihn zu schmiegen, diesen harten Körper noch einmal an meinem spüren. Er starrte mich an, verständnislos. Das war ihm wohl noch nie passiert. Ich holte tief Luft und meine Stimme fand ihre klirrende Kälte wieder. „Glaubst du ich bin eine von deinen Tussis? Ein Mädchen für eine schnelle Nummer im Klassenzimmer? Tut mir Leid, aber um nur als eine weitere Kerbe in deinem Bettpfosten zu enden bin ich mir echt zu schade. Tu das nie wieder." Ich schnappte mir meine Bücher und Tasche und funkelte ihn zornig an. Er schien sprachlos, und blinzelte perplex, versuchte wohl noch zu verarbeiten was gerade passiert war. „Wie gesagt, halt dich einfach fern von mir. Du machst nur Ärger." Ich drehte mich um und stürmte aus dem Raum. Auf einmal musste ich Tränen herunterschlucken, die in mir aufzusteigen drohten. Die Tür fiel hinter mir zu und ich flüchtete quer über den Gang, nach draußen. Ich riss die Pfortentür auf und stürzte ins Freie. Ich rannte solange, bis ich mich vor meinem Haus wiederfand. Keuchend beugte ich mich vornüber und stützte die Hände auf meine Oberschenkel auf. Was zur Hölle war da gerade passiert?Ich verzog mich auf mein Zimmer, warf mich aufs Bett, von dem meine Katze mit einem protestierenden Maunzen aufschreckte. Meine Gedanken drehten sich im Kreis, und alles, was ich denken konnte, war: Ich habe Connor Cunningham geküsst. Und es hat sich verdammt gut angefühlt. Viel zu gut. Ich schloss die Augen und zog mir das Kissen über den Kopf. Fuck, und dann hatte mich die Realität eingeholt. Warum verknallte ich mich auch ausgerechnet in den größten Arsch unserer Schule? Auch, wenn er sich mir gegenüber nie wie einer verhalten hatte. Ich war seit genau einem Jahr in dieser Stadt, und hatte seine Affären kommen und gehen sehen, obwohl man die meisten nicht einmal als solche hatte bezeichnen können. Er wechselte seine Mädchen so wie andere Leute ihre Unterwäsche. Es hatte Wochen gegeben, in denen er drei, vier verschiedene gehabt hatte. Ich hatte ihn beobachtet, gegen meinen Willen. Ich wusste das alles, und dennoch brach es meine Faszination nicht. Ich hatte schon so viele Schülerinnen über ihn jammern hören, darüber, dass er nur das Eine von seinen 'Freundinnen' wollte und sie kurz darauf fallen ließ. Klar, andere Jungs wurden auch als Frauenhelden gesehen, aber keiner so exzessiv wie er. Nicht einmal Jason oder Carter, selbst die hatten Beziehungen gehabt, selbst wenn wenig erfolgreiche. Blair war praktisch sein Gegenstück, nur dass sie noch den Ruf weg hatte, grausam und manipulativ zu sein, die typische schwarze Witwe eben. Mir kam es langsam so vor, als wären ihm all diese Mädchen vollkommen egal. Gut genug zum Sex, ja, aber nie mehr. Was brachte ihn dazu, so zu handeln? Wollte er denn nicht etwas anderes? Warum war er so geworden? Eigentlich war das ja auch egal. Ich war nicht wie er. Würde nie so sein. Ich verfluchte mich, ihn je geküsst zu haben. Das war mein erster Kuss gewesen, und ich hatte ihn an diesen Idioten verschwendet. Ich weiß, ich war 18, aber...ich war nun mal verliebt, hatte weder nach rechts noch nach links geblickt und keinen zweiten Blick für einen anderen Jungen übrig gehabt. Und vor unserem Umzug...hatte ich niemanden kennengelernt, der es mir wert gewesen war. Ich stöhnte. Ich war so eine Idiotin. Er würde wahrscheinlich mit Blair in den Sonnenuntergang reiten und mich spätestens morgen vergessen haben.
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New Beginning - Der Pakt mit dem Teufel
ParanormalneHighschools sind wie ein Tor zur Hölle - nur würde ich mich viel lieber mit Dämonen herumschlagen als mit verbogenen Cheerleadern und primitiven Footballern. Meine Name ist übrigens Merry, und mein Leben geht gerade komplett den Bach runter, dabei f...