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Ich legte das Handy in die Tasche zurück und setzte mich auf Lucy's Couch. Ich wollte nicht unhöflich wirken, deshalb ging ich nicht in irgendwelche Zimmer. Drei Minuten später kam Lucy die Treppe herunter und musste meinen traurigen Blick vernommen haben. "Cassy schläft, ich hab ihr eine Geschichte erzählt und saß noch eine Weile bei ihr. Möchtest du einen Tee haben und mit mir reden? Tee hilft immer.", sagte sie und ich nickte, stand auf und folgte ihr in die Küche. Langsam wurde es dunkel und der Wind pfiff vor dem Fenster. Ich setzte mich und beobachtete Lucy, wie sie den Tee ansetzte. "Ich vermisse sie so, wie konnte das nur passieren?", fragte ich sie, und wusste, dass sie keine wirkliche Antwort darauf finden wird. "Es ist unfair, ich weiß. Eure Eltern waren wunderbare Menschen und sie haben euch mehr geliebt als alles andere. Ich vermisse sie auch sehr, und das wird sich auch nicht ändern." Nachdem der Tee fertig war, saßen wir eine Weile wortlos da, während wir die Tassen umhielten und ab und an mal daran nippten. "Mein Freund hat mich betrogen, ich habe ihn vorhin angerufen und ein Mädchen war bei ihm.", rückte ich langsam mit der Sprache raus. "Seit einiger Zeit schon war irgendetwas faul, aber das hätte ich ihm nicht zugetraut." Lucy schaute mich traurig an und streichelte mir den Rücken. "Menschen tun manchmal Dinge, die sie später bereuen. Tut mir leid, dass du sowas in dieser schlimmen Zeit erfahren musstest. Das hat niemand verdient und ich hoffe, er merkt bald, was er verloren hat." "Also meinst du, ich soll ihn endgültig verlassen?" Ich schaute sie an und wusste nicht, wie ich mit dieser Situation umgehen sollte. "Naja, ich halte es für das beste. Dadurch, dass du jetzt in Deutschland bist, siehst du ihn nicht jeden Tag und so wird es einfacher sein, darüber wegzukommen. Es ist furchtbar wichtig, dass du dich jetzt mit deiner Trauer befasst und auch für Cassy da bist." Sie schaute auf ihre Tasse und ich sah, wie ihr eine Träne über die Wange lief. 

"Weißt du noch, als ich euch das letzte Mal besucht habe? Deine Mutter hat sich so gefreut mich zu sehen und sie musste mir zwei Stunden lang alles erzählen, was sie erlebt hatte. Sie war die beste Schwester, die ich mir wünschen konnte und ich wünschte mir, ich hätte sie öfter besuchen können." Sie wischte ihre Tränen weg und lächelte müde. "Sie hat dich sehr geliebt und sie war auch traurig, dass ihr so wenig Kontakt hattet. Aber im Herzen wart ihr immer zusammen, oder? Schwestern bleiben Schwestern, ganz egal welche Entfernung zwischen ihnen liegt. Und genau so ist es jetzt auch." Ich hörte mich so erwachsen an und es fühlte sich gut an. Mir ging es nun viel besser, auch wenn ich nur vorhatte, Lucy zu helfen. "Danke, Liz. Liebeskummer ist Mist, aber er vergeht, ok? Komm, ich zeig dir dein Zimmer." Ich trank den letzten Schluck Tee und stand auf, um ihr zu folgen. Wir gingen die Treppe hoch und dann liefen wir einen langen Flur entlang. "Dafür, dass du alleine wohnst, hast du ein riesiges Haus!", sagte ich erstaunt und zählte nun schon sechs Türen. An der siebten blieben wir stehen. "Ich weiß, aber nun bin ich ja nicht mehr allein.", zwinkerte sie mir lächelnd zu und öffnete die Tür. Ich machte das Licht an und blieb mit offenem Mund stehen. "Wow, das ist mein Zimmer?" Ein riesiger Kronleuchter malte die schönsten Muster an die Decke und weinroten Wände, die mit Bildern meiner Eltern und mir geschmückt waren. Weiße Möbel standen im Zimmer und die braunen Vorhänge umrahmten das riesige Fenster mit Tür zur Terrasse. "Wie hast du das Zimmer so schnell einrichten können?" "Weißt du, ich hab den Anruf gestern bekommen und habe den ganzen Tag in euren Zimmern gearbeitet. Ich habe jedes Foto von euch eingerahmt und an die Wand gehangen. Der Rest war einfach, denn die Möbel stehen schon in jedem Zimmer. Damals wollte ich eine kleine Pension aufmachen, aber hier draußen lohnt es sich nicht wirklich.", sagte sie und war zurrecht stolz auf dieses Zimmer. "Neben deinem Zimmer schläft Cassy, ihr teilt euch die Dachterrasse, also könnt ihr euch dort auch zusammen aufhalten." "Danke Lucy, das ist einfach traumhaft. Ich hole meine Taschen nach oben und packe ein wenig aus."

 Ich ging mit ihr wieder runter und nahm so viele Taschen wie ich konnte auf meinen Rücken. Wieder oben angelangt warf ich sie auf's Bett und begann die Schränke einzuräumen. Eine weitere Tür im Zimmer führte in mein eigenes Bad, in dem ich meine Handtücher und Pflegeprodukte unterbrachte. Meine Bücher stellte ich ins Regal und die Kuscheltiere kamen auf's Bett. Ich setzte mich erschöpft in den Sessel, nachdem alles eingeräumt war. Ich schaute mich um und kam mir vor wie in einem Hotel, nur dass hier all' meine persönlichen Gegenstände vorhanden waren.

 Ich öffnete die Tür und betrat die Terrasse, auf der ein Tisch mit vier Stühlen stand. Cassy's Raum war dunkel und ich schaute in die Sterne. Der Wind brachte die benötigte Kälte und lies meine Haare wehen. Ich verschränkte meine Arme und dachte an Mom und Dad. "Gute Nacht ihr zwei, uns geht es gut hier unten. Passt bitte auf euch auf." Von hier aus konnte ich die Straße sehen und ich erkannte einen Jungen, der mich beobachtete. Er saß auf seinem Fahrrad und starrte mich an. Ich war kurz davor ihm etwas zuzuschreien, doch in diesem Moment fuhr er los. Was war das denn bitte? Schnell ging ich wieder rein und schloss die Terrassentür. Ich holte Unterwäsche und meinen Pyjama aus dem Schrank und lief ins Bad, um zu duschen. Mit dem Wasser spülte ich all' die Anspannung und Probleme von meinem Körper und ich lies mir extra viel Zeit. Sauber kehrte ich ins Zimmer zurück und  bevor ich mich ins Bett legte, holte ich das Handy. 36 verpasste Anrufe. 21 Nachrichten. Kyle. Ich schlief ein und träumte von tausend Dingen. 

Love, LucyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt