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Liz, bitte geh ran. Es tut mir schrecklich leid und ich muss mit dir reden. Ich dachte du hast nur erfunden, dass deine Eltern gestorben sind. Heute kam es aber in den Nachrichten. Es tut mir wirklich leid, Liz. Ignorier mich nicht, ich erkläre dir die Sache mit Ally. Schreib mir bitte wenigstens zurück, ich bitte dich. Das kannst du mir nicht antun! - Kyle

"Was bildet er sich eigentlich ein? Meine Nichte erfindet doch nicht den Tod ihrer Eltern, damit sie von einem Vollidioten wie ihm Aufmerksamkeit bekommt. Liz, wenn du zu ihm zurückgehst, verstehe ich die Welt nicht mehr." Tante Lucy war unglaublich aufgebracht, nachdem ich ihr am Frühstückstisch die SMS laut vorlas. Sie legte erst mir und dann Cassy ein Spiegelei auf den Teller und setzte sich dann zu uns. Cassy tat so, als ob sie von Anfang an wusste, dass Kyle mich hinterging und schaute mich allwissend an. "Ja, oder? Und dann auch noch Ally! Ich kenne dieses Mädchen, sie geht in seine Parallelklasse und himmelt ihn schon seit Jahren an." Ich malte mit Ketchup ein Herz auf das Spiegelei und zerschnitt es dann, so wütend war ich. "Wirst du ihn denn anrufen?", fragte Lucy mit hochgezogenen Augenbrauen. "Keine Ahnung, heute erst einmal nicht. Vielleicht schreibe ich ihm eine Nachricht, dass er sich nicht mehr bemühen muss, dann hab ich hoffentlich meine Ruhe." Obwohl ich kein Hunger hatte, aß ich das Herzketchupspiegelei auf und beobachtete danach Cassy, wie sie das Ei zusammenrollte und dann aß, was äußerst komisch aussah. "Cas, was zur Hölle machst du da?", fragte ich belustigt. "Ich kann dir diese Frage gern beantworten. Zuerst habe ich das Ei eingerollt, nun esse ich es. Gibt es ein Problem damit, Schwesterherz?" Nun sah sie mir ernst in die Augen, als ob es das normalste der Welt wäre. "Ok, verstanden." Lucy lachte und sammelte die Teller und Tassen ein, um abzuspülen. 

"Geht ihr zwei schon in den Garten? Felix wartet dort schon.", sagte sie auf dem Weg zur Spüle und lies das Wasser ein. "Felix? Wer ist das?", fragte ich ein wenig verwirrt. "Ein sehr netter junger Mann, der mir oft im Haushalt und im Garten hilft. Er ist schon fast wie mein eigener Sohn den ich nie hatte." Cassy war als erstes draußen und ich hörte sie sich vorstellen. Er antwortete ihr und seine Stimme klang sehr angenehm. Neben der Tür war ein Spiegel und ich checkte mein Aussehen noch einmal, bevor ich zu den beiden raus ging. "Hallo, ich bin Liz. Du musst Felix sein.", begrüßte ich ihn und hielt ihm meine Hand hin. Er nahm sie in seine und schüttelte sie kurz. "Felix, ich bin oft hier und helfe eurer Tante ein wenig. Wie geht's euch? Hab von dem Unfall gehört und wollte mein Beileid aussprechen." Er sah mir in die Augen und meinte es ernst. Irgendwoher kannte ich ihn, und dann fiel mir die Situation auf der Terrasse ein. "Warst du zufällig gestern Abend mit dem Rad unterwegs und hast an der Straße da vorne gestanden und mich beobachtet?", fragte ich und an seinem Blick konnte ich erkennen, dass ich ihn ertappt habe. "Lucy hat mich gestern angerufen und mir alles erzählt. Eigentlich wollte ich gestern Abend noch klingeln und mich mit ihr unterhalten, weil es ihr ja auch sehr ans Herz geht, aber dann hab ich gesehen, dass du wach warst und bin wieder gefahren." Ganz abnehmen konnte ich ihm die Story nicht, er war einfach nicht überzeugend genug. 

Er schaute mich mit seinen großen Braunen Augen an und einen Moment dachte ich, ich verliere mich in ihnen. Cassy holte mich aus der Trance zurück indem sie mir am Ärmel zog und sich extra laut und räusperte. Ich wurde rot und schaute nach unten, während Felix lachte und auch rot wurde. "Oh man, seit ihr jetzt ineinander verknallt oder was?", platzte Cassy raus und ich weitete meine Augen. "Wie bitte? Nein, so ein Quatsch. Wir kennen uns doch überhaupt nicht." Ich lachte und Cassy seufzte nur, wie sie es immer tat und lief zu den Blumen, die wir heute einpflanzen würden. "Nochmal mein tiefstes Beileid, ich weiß wie es ist. Kümmert sich Lucy gut um euch?" Wir setzten uns auf die kleine Bank, die vor dem Haus stand und beobachteten Cassy beim rumhüpfen. "Danke, wir lernen gerade damit umzugehen. Lucy ist zauberhaft, sie ist nimmt Rücksicht auf uns und wir helfen uns alle gegenseitig. Wohnst du hier in der Gegend?", fragte ich ihn und schaute ihn von der Seite an. Seine braunen Haare fielen ihm etwas in sein markantes Gesicht und er schaute in die Sonne, weshalb er ein ernstes Gesicht machte. "Ja, meine Eltern hatten ein kleines Restaurant am Ende der Straße. Oben drüber war unsere Wohnung, die vor zwei Jahren in Flammen aufging und meinen Eltern das Leben nahm. Gegenüber hatten wir eine kleine Hütte, in der ich nun lebe." Ich suchte nach den richtigen Worten, doch ich fand sie nicht. "Das ist schrecklich, mir tut es auch leid." Er schaute mich an und ich wendete meinen Blick ab, bevor ich wieder anfing mich peinlich zu verhalten und mich sabbernd in seinen Augen verlor. "Schon gut, ich habe gelernt damit zu leben und wenn du willst, verrate ich dir ein paar von den Tricks. Der Anfang ist das schlimmste, danach kommen die Feiertage. Wenn ein komplettes Jahr vergangen ist, lernt man schon eher damit umzugehen und es zu akzeptieren." "Wow, klingt nach harter Arbeit und eine Menge Tränen. Können wir anfangen, die Blumen einzupflanzen?" 

Lucy kam raus und hob Cassy hoch, drehte sie einmal setzte sie wieder auf den Boden. "Bereit um den Garten zu verschönern, Kleines?", fragte sie amüsiert und voller Tatendrang. "Jaaaa, und wie! Die Schmetterlinge wollen sich nicht fangen lassen, Tante Lucy!" "Das darfst du nicht machen. Schmetterlinge verlieren ihre Kraft zu fligen, wenn man sie berührt." Ernst, aber sehr lieb zeigte Lucy auf einen vorbeifliegenden kleinen, bunten Flieger und fuhr fort. "Alles was wir sehen, lebt. Die Blätter am Baum, die Rosen dort vorn oder die Sonnenblumen, die uns die herrlichsten Farben schenkten. Wir müssen vorsichtig damit umgehen, denn wir alle teilen uns diese Welt." Cassy hörte gespannt zu und sie schien zu verstehen. "Tut mir leid, kleiner Schmetterling. Ich wollte dir nicht wehtun. Kommt nicht hoch einmal vor, Indianerehrenwort.", sagte sie zu dem Schmetterling und ich lächelte vor Stolz. "Die Kleine ist süß, sie wird noch viel von Lucy lernen.", meinte Felix und lächelte mit mir. Wir pflanzten alle Blumen ein und waren nach einer Stunde fertig. "Teezeit, kommt Kinder!", befahl Lucy und wir gingen alle zufrieden ins Haus, bevor es zu stürmen anfing. 

Love, LucyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt