"Wohnst du ganz allein in der Hütte?, fragte ich Felix vorsichtig, während ich den Tee aufgoss und er 2 Zitronen schnitt. "Ja, die letzten zwei Jahre lebte ich bei meinen Großeltern, doch wir verstehen uns nicht sehr gut. Manchmal glaube ich, dass sie mir die Schuld an dem Tod meiner Eltern geben, bis heute weiß ich nicht wieso." Er konzentrierte sich auf die Zitronen, doch schaute mich beim reden ab und zu an. "Klingt schrecklich, was kannst du denn bitte dafür? Und wie kommt es, dass du jetzt allein wohnst?" "Mit der Zeit habe ich mich daran gewöhnt. Ich weiß ja, dass ich keine Schuld habe. Und naja, als ich vor zwei Monaten 18 wurde, zog ich auf unser Grundstück zurück. Sie konnten das natürlich nicht verstehen, aber das war mir egal. Ich bin glücklich dort und habe mir alles selbst aufgebaut. Irgendwann möchte ich das Restaurant zu Ehren meiner Eltern wieder errichten, aber das dauert noch sehr lange. "Das ist ein schöner Plan, ich hoffe das klappt alles. Bist du fertig mit den Zitronen?" Er überreichte mir das Brettchen und stellte die Tassen auf den Tisch. Lucy war mit Cassy im Bad, um die Gartenerde von den Händen zu bekommen. "Der Tee ist serviert, Lucy.", rief er die Treppen hoch und bekam ein "Wir sind sofort unten." zur Antwort.
Wir setzten uns schon mal und hörten wie ein Gewitter aufkam. "Wenn es gewittert hat, hat Dad immer eine Kerze angezündet und sich mit uns vor unsere Glaswand gesetzt, die zum Garten führte. Dann saßen wir einfach da und haben uns Geschichten erzählt, bis es aufhörte." Keine Ahnung wieso ich ihm das erzählte, vielleicht weil er auch durch diese Situation musste. "Hey, lass uns das doch später auch machen. Cassy wird sich sicherlich darüber freuen.", meinte er und lächelte mich aufmunternd an. Ich wusste nicht recht, ob ich das wollte, aber ich konnte mir vorstellen, dass sich Cassy darüber freuen würde. "Ok, geht klar.", stimmte ich einfach zu und bereute meine Antwort noch nicht. Die zwei kamen die Treppen hinunter und setzten sich zu uns an den Tisch. Cassy summte ein Lied und wippte den Kopf fröhlich dazu. Wir alle quetschten ein wenig Zitrone in unseren Tee und redeten danach viel über den Garten. "Ich möchte mich bei euch für eure Hilfe bedanken. Die Blumen sehen fabelhaft aus und passen einfach perfekt. Der Regen tut jetzt den Rest.", sagte Lucy und nippte an ihrem Tee. "Heute Abend möchte ich mit euch auf der Terrasse grillen, wenn ihr Lust habt." Cassy schaute erst mich und dann Lucy an und man konnte ihre Freude sehen. "Das wird schön, hoffentlich wird es bis dahin aufhören zu gewittern.", meinte Felix und stellte seine Tasse in die Spüle. "Bereit?" Er sah mich an und ich nickte.
Nachdem wir alle unsere Tassen leergetrunken hatten, liefen wir nach oben in mein Zimmer. Felix betrachtete die Bilder an der Wand und sagte: "Ihr seht hier alle sehr glücklich aus, es ist schlimm wie schnell sich das Leben ändern kann." Ich lief zur Wand und zeigte mit dem Finger auf eines der Fotos. "Das wurde an einem der Gewittertage gemacht, siehst du? Ungefähr so müssen wir all die Decken und Kissen zusammen räumen. "Wird gemacht, Sheriff." Ich musste lachen und sah, wie er zum Bett lief. "Darf ich?" Er zeigte auf die Decken und ich nickte lächelnd. Er schnappte sich Decken und Kissen und warf sie vor die Terrassentür. "Cassy, kannst du mir helfen? Holst du bitte noch dein Bettzeug?" Er schaute zu ihr rauf und wartete auf ihre Antwort. "Klar, einen Moment." Ich holte von unten eine Kerze und gab Lucy bescheid, dass wir auf meinem Zimmer wären. Wieder oben angekommen, zündete ich sie an und stellte sie vor unsere Kuschelecke. Obwohl es erst 14 Uhr war, war der Himmel dunkel und Blitze zuckten ab und an. Der Donner war nun sehr laut ich erschrak mich jedes Mal, wenn er aufkam. Einmal war er so laut, dass ich aus Reflex Felix' Hand nahm und sie sofort wieder fallen lies. "Sorry, das war peinlich.", lachte ich nervös und schlug mir die Hand vor's Gesicht. "Schon ok.", meinte er nur und plötzlich nahm er meine wieder. Ich kann die Gefühle, die ich in diesem Moment hatte nicht deuten, doch ich fing auf einmal zu weinen an. Cassy merkte es nicht, doch Felix sah mich an und lies meine Hand vorsichtig wieder los. "Sorry, das war peinlich.", flüsterte er etwas enttäuscht und ich schaute ihm in die Augen. "Schon ok." Er wischte mir die Tränen weg und räusperte sich, bevor er sich an Cassy wandte. "Siehst du, Cassy? Das Gewitter kann wunderschön sein." Bei diesem Satz schaute er mich wieder an und ich wurde rot. Kyle ging mir nicht mehr aus dem Kopf und ich stand auf, nahm mein Handy vom Nachttisch und verschwand ohne ein Wort im Bad.
Sie sind tot, Kyle. Sie sind tot und du hintergehst mich. Es ist vorbei und ich möchte nichts mehr von dir hören. Du konntest nicht wissen, was passiert ist, ich weiß. Aber ich kann dir nicht verzeihen. Du hast mich einfach zu sehr verletzt und ich möchte weder eine Erklärung, noch, dass du noch einmal versuchst, mich zu erreichen. -Liz
Ich atmete einmal tief durch und klickte auf "senden", nachdem ich die Nachricht nochmal durchlas. Als die Nachricht versendet war, drehte ich den Wasserhahn auf und wusch mein Gesicht kalt ab. Ich betrachtete mich im Spiegel und tupfte meine Tränen mit dem Handtuch ab. "Es ist vorbei.", sagte ich laut zu meinem Spiegelbild. Wahrscheinlich etwas zu laut, denn es klopfte an der Tür. "Liz, ist alles ok? Mit wem redest du?", hörte ich Cassy fragen. "Alles gut, Süße." Ich drehte den Hahn wieder zu und öffnete die Tür. "Hast du an Mom und Dad gedacht? Ich vermisse sie auch sehr, gerade jetzt wo wir dem Gewitter zuschauen.", sagte sie und schaute mich traurig an. Ich nahm sie in die Arme, küsste sie auf die Stirn und schaute ihr dann in die Augen. "Wir sind zusammen und das ist am wichtigsten." Sie nickte und setzte sich wieder vor die Terrassentür. Felix war nicht mehr da und Cassy meinte, er sei gegangen. Ich lief die Treppe runter und auch Lucy meinte, dass er gegangen sei. "Er bedankte sich für den Tee und meinte, er müsse etwas erledigen.", antwortete sie auf meine Frage. Etwas geknickt verließ ich den Raum und ging wieder zu Cassy, um ihr Gesellschaft zu leisten. Hundert Fragen gingen mir durch den Kopf: Ist Felix wegen meiner Reaktion gegangen? Wie hat Kyle auf meine Nachricht reagiert oder hat er sie noch nicht gelesen? Hat Lucy gemerkt, dass ich traurig darüber bin, dass Felix gegangen ist? Wird er heute zum Grillen auftauchen? Auf die Antworten musste ich wohl oder übel noch warten müssen..

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Love, Lucy
PertualanganLiz ist 16 Jahre alt und lebt in Baltimore, als sich ihr Leben für immer verändert. Beide Elternteile sterben bei einem Autounfall und lassen sie mit ihrer jüngeren Schwester Cassy allein zurück. Ihre Tante Lucy aus Deutschland hat nun das Sorgerech...