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-Jonathan-

Ich ziehe gespielt beleidigt meine Unterlippe vor und schauen dann übertrieben traurig drein, dann folge ich ihm. Sein Lachen, welches seine Reaktion auf mein Schmollen ist, ist einfach das schönste Lachen, das ich je gehört habe. Er ist einfach der wundervollste Mensch auf diesem Planeten. Schon so lange schwärme ich nun für den kleinen Tommi. Er ist zwar vier Jahre jünger als ich, geht in die Neunte, während ich gerade mein Abi mache, und ist mein bester Bro, würde ich jetzt mal so behaupten, aber trotzdem ist da mehr, als nur Freundschaft. Zu mindest von meiner Seite aus. 

„Was willste Vielfrass den essen?", grinst er mich mit völlig übertriebener Stimme in der Küche an. „Was wilsste? Hä? Was willste?" Dann brechen wir beide in schallendes Gelächter aus. Narürliche beruhige ich mich als erster wieder, kann somit aber seinem wundervollem Lachen lauschen. Ok, manchmal bin echt ein wenig übertrieben und benehme mich vielleicht wie ein Stalker, dafür schaffe ich es allerdings niemanden zu erzählen, dass ich nicht so ganz hetero bin, sondern viel mehr zwischen den Geschlechtern springe. Es ist nicht so, dass ich Angst hätte, meine Familie könnte mich verstoßen, ich könnte aus dem Basketballteam oder der Schülervertretung fliegen oder gar das sich mein Status vom Beliebten zu Mobbingopfer fallen könnte. Ich glaube nicht, dass das alles so einfach passieren würde und selbst wenn, würde es mir nicht so viel ausmachen. Ich hab nur Angst um den kleinen Idioten, der sich langsam wieder beruhigt. Ich will ihn nicht verlieren!

„Also? Was willst' essen?", lächelt er mich nun an. 

„Lass' zu Mecces fahren; ich will deiner Mum nicht immer auf der Tasche liegen!", grinse ich und füge, als er mit einem „Ich... Also..." ansetzt, noch schnell hinzu: „Ich lade dich ein." Irgendwie hab ich die Vermutung, dass er sein Taschengeld, welches er vor zwei Tagen erst bekommen hat, schon wieder ausgegeben hat. Hoffentlich nur nicht für irgendwelche sinnlosen Taler für irgendwelche Onlinespiele. Das hat er eigentlich, wie er immer betont, nicht nötig, weil er ein echter Gamer ist. Echte Gamer brachte so etwas laut Tommi nicht. Trotzdem hat er kein Gelde mehr. Vielleicht hat er sich gerade ein neues Spiel zugelegt? Muss ich ihn unbedingt fragen.

Nachdem wir unsere Schuhe und Tommi noch sein schwarzen Hoodie, er besteht darauf, dass ich das Teil Hoodie und nicht Sportjacke nenne, angezogen haben, öffnet Tommi auch schon die Tür und stürmt zu meinem Wagen. Bevor ich jedoch die Haustür hinter mir schließe, rufe ich ins Haus: „Ich entführe dann mal eben Tommi."

„Gut! Viel Spaß, euch beiden!", höre ich seine Mutter noch antworten und schließe die Tür. Dann erst gehe ich gemütlich auf mein Auto zu, welches Tomchen schon wieder bewundert. Mein geliebtes Cabrio. Es ist ein Audi, ein Audi A3 um genau zu sein. Ich hab ihn zur bestandenen Fahrprüfung bekommen, hatte dafür letztes Jahr weder etwas zum Geburtstag noch zu Weihnachten von meinen Eltern bekommen, außerdem glaube ich nicht, dass ich dies Jahr etwas großartiges zum Geburtstag kriege, muss meiner Meinung nach auch nicht sein. Geschenke sind nicht alles. Was ich damit eigentlich nur sagen wollte, ist, dass Tommi, obwohl er den Wagen jetzt schon so lange kennt und ich ihn unzählige Male schon rumkutschiert habe, ihn immer noch bewundert, wie am ersten Tag. Den glänzenden roten Lack, die dunklen Ledersitze, aber vor allen Dingen mein Radio. Immer, wenn wir länger Strecken zusammen fahren, sucht er den Sender aus, welchen er dann auch quasi nach jedem Lied ändert. Wir steigen in das Auto und fahren los. Es würde zehn Minuten dauern, bis wir da sind, nicht gerade lang.

„Sag' mal, wofür hast du dein Geld diesmal ausgegeben?", grinse ich, schaue flüchtig zu ihm rüber und wieder auf die Straße. Erst nach ein paar Minuten kommt die Antwort: „Ich hab'n Geschenk für Mum gekauft..." Diese Antwort kommt so spät und so zaghaft, dass ich sie ihm nicht glauben kann. Außerdem hat seine Mum erst in einem Monat Geburtstag und er kauft immer alles auf den letzten Drücker. Ob das mit seinem Handgelenk zu tun hat? Wenn ich ihn das frage, wird er mir dann antworten oder erfindet er noch so eine unglaubwürdige Ausrede? Die Frage wird mir vorerst abgenommen, als ich auf den Parkplatz von McDonald's fahre. Kaum steht mein Wagen, springt er auch schon raus und rennt schon fast zur Tür. Drinnen bestehlen wir uns beide ein Menü und setzen uns. Völlige Stille schwebt zwischen uns, als wir die Tablets abstellen und genüsslich in unsere Bürger beißen. Wieder machen sich diese Fragen in mir breit. Wieso belügt er mich? Wieso redet er nicht mit mir? Wieso hat er das getan? Ich lege meinen RoyalTS wieder in seine Schachtel, falte meine Hände und sehe Tommi an.

„Tommi, bitte, rede mit mir!" 

Er wirkt ein wenig ertappt, antwortet jedoch, bevor noch einmal in seinen Big Mac beißt: „Jap, aber worüber?"

Ich weiß, dass er ganz genau weiß, worüber ich mit ihm reden will. Er hofft vielleicht, er würde sich täuschen, aber er weiß eben so gut wie ich, dass er das nicht tut.

„Wieso?", hauche ich. Ich bin mir sicher, dass er es gehört hat, auch wenn es um uns herum erfüllt ist, von Stimmen.

„Ich hab dir doch gesagt, dass war 'ne Kurzschlussreagtion", er zuckt mit den Schultern, „wegen dem Stress in der Schule und so..." Das Ganze kommt total gleichgültig. Als wäre es nicht von Bedeutung.

„Wieso hast du mich dann angelogen? Du hast sicherlich kein Geschenk für deine Ma gekauft, das hätte nämlich noch Zeit.", ich bleibe ruhig, obwohl ich vor Wut und Trauer platzen könnte. Ich hab schon eine recht gute Selbstbeherrschung.

„Ich... Also... Ähm...", stotterd er. Er läuft rot an, so wie immer, wenn ich ihn beim lügen erwische. Nun verstummt er, schaut auf sein Essen und steckt sich ein paar Pommes in den Mund, damit er mir nicht antworten muss. Nach ein paar Minuten und einer halben Portion Pommes reicht es mir.

„Ich hab' verstanden, dass du nicht mit mir darüber reden willst. Sagst du mir dann, bitte, wie oft?", meine Hände sind immer noch gefaltet und meine Ellenbogen stützen immer noch auf den Tisch.

„Das war das erste Mal...", murmelt er und knackt mit seinen Fingerknöcheln.

„Und das soll ich dir jetzt glauben?" Er rutscht schuldbewusst noch tiefer in den Stuhl und schüttelt bedrückt seinen wundervollen Kopf. Ein paar Tränen unterdrückend fange ich an aufzuessen. 

†ViolettaHT†

The Disatvantage of LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt