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Mein kaputtes Herz sagt, ich soll zu ihm. Das hat wohl nichts dazu gelernt. Mein Kopf sagt, ich soll gehen. Das erscheint mir als beste Lösung, also drehe ich um, verschwinde schnell im Bad und schließe mich ein.

Ich setze mich auf den Boden in die Ecke, ziehe beide Beine an und drücke die Hände an die Ohren. So versuche ich, Taddl zu ignorieren, wie er gegen die Tür klopft und sich entschuldigt. Vorerst geht das gut, doch dann werde ich wütend. Auf Luna, ihn und besonders auf mich. Wie konnte ich ihm nur glauben? Die Wut wird zu Trauer und immer mehr Tränen steigen mir in die Augen. Dann sagt er etwas und meine Grenze ist erreicht. Wiedermal.

,,Aber ich liebe dich doch." ,,Halt die Fresse, verdammt!" schreie ich und fange hemmungslos an, zu weinen. Immer mehr Tränen finden ihren Weg. Wie konnte ich glauben, ich werde jemals glücklich? Ich fasse in die Hosentasche, aber finde statt meiner Klinge nichts. Verdammt. Zombey hat sie. Mit zitternden Beinen stehe ich auf und schaue mich um.

Nichts sieht scharf genug aus. Außer der Spiegel. Flach und scharf. Ich hole aus und schlage mit voller Wucht in die Mitte. Klirrend fallen dutzende Scherben zu Boden. Eine hebe ich auf. Sie funkelt. Ein paar der Tränen tropfen auf die Hand und mischen sich mit dem Blut.

Vorsichtig setze ich mich wieder hin. Und versuche, mich zu beruhigen, woran ich erfolglos scheitere. Wie kann man nur so viel Weinen? Ich wische über die Augen und meine Sicht wird besser. Die Spitze der kalten Glasscherbe drücke ich in die Haut am linkem Unterarm. Erst leicht, dann fester und als Blut kommt, ziehe ich eine feine Linie. Dann noch eine und eine Dritte. Ich konzentriere mich auf den Schmerz am Arm und nicht auf den in meinem Herz. Doch dann wird der im Herz größer. Es ist wie ein Spiel. Das Herz und der Arm wollen mir jeder mehr weh tun, wie der Andere. Und ich muss dem Arm helfen, zu gewinnen. Also schneide ich noch ein paar Mal in die Haut. Immer tiefer, immer länger. Dass Taddl mittlerweile an die Tür hämmert, blende ich völlig aus.

Doch dann lässt mich etwas aufhorchen. Simon. ,,Manu? Hörst du mich?" Ich antworte nicht und mein Weinen verstummt. ,,Mach bitte die Tür auf. Für mich. Taddl ist im Wohnzimmer. Ich bin hier allein. Ich kann auch jemand anderen holen, wenn du willst." Simons liebe Stimme lässt mich kurz gehorchen und ich nehme die Scherbe vom Arm weg.

,,Ich möchte zu Michael." höre ich mich selbst sagen. Dann wird es still und Schritte gehen weg. Eine Weile sitze ich alleine im auf den kalten ehemals weißen, nun roten Fließen. Mein Arm blutet uns brennt immer mehr. Dann klopft jemand und ich höre die lang ersehnte Stimme. ,,Manuel. Ich bin es. Kannst du bitte aufmachen?" Langsam stehe ich auf und bahne mir einen Weg zwischen dem Blut und den Scherben hindurch zur Tür. Dort bleibe ich stehen. Meine Knie zittern und wenn ich mich nicht an einem Schrank festhalten würde, wäre ich schon umgekippt. ,,Und du bist mir nicht böse?" frage ich vorsichtshalber nach. ,,Nein, bin ich nicht. Natürlich nicht." höre ich von der anderen Seite. Ich drehe den Schlüssel und öffne die Türe. Zombey sieht mich erschrocken an und nimmt meinen rechten Arm, um mich festzuhalten. Kaum lasse ich den Schrank los, kippe ich gegen Micha, der mich auffängt und stützt. ,,Sollen wir zu mir?" fragt er freundlich. Das liebe ich an ihm. Immer nett und freundlich. Natürlich lieben im freundschaftlichem Sinne gemeint. ,,Mir egal. Bleib einfach bei mir." nuschel ich leise gegen seine Brust. ,,Dann gehen wir erstmal zu Simon, Peter und Taddl. Sie werden froh sein, dass du da nicht mehr drin bist. Und wir werden den Arm verbinden." Er geht ins Wohnzimmer, stützt mich am Arm und hebe mich an seinem Hals fest. Ich stolper neben ihm her, mit halb geschlossenen Augen und blutenden Arm. Wenn Simon Teppichboden hätte, wäre der jetzt ruiniert, da das Blut den Arm runter läuft und an meinen Fingerspitzen auf den Boden tropft

Im Wohnzimmer sehe ich, wie Taddl freudig aufspringt und auf uns zu kommt. Ich drücke Zombey etwas weg und weiche ein paar Schritte zurück. ,,Lass mich in Ruhe." fauche ich wütend, da er fast vor mir steht. Wieder drohe ich, umzufallen und ich kippe zur Seite weg, da ich nichts zum festheben greifen kann. Zum zweitem Mal in ein paar Minuten fängt Zombey mich und hebt mich im Brautstil hoch. Jetzt sieht Taddl auf meinen Arm, geht zurück und presst sich die Hände vor den Mund. ,,Scheiße. Nein. Was hab ich nur getan?" haucht er fassungslos.

Peter, welcher mit Simon auf dem Sofa sitzt und mich bis gerade erschrocken betrachtet hat, staart nun Taddl wütend an. ,,Wie jetzt, was hast du getan?!" ,,Ich- hab ihn letzte Nacht betrogen." stammelt Taddl und vergrößert den Abstand zu uns allen. Ich schließe die Augen, ich bin zu erschöpft, sie weiter offen zu halten.

Stille und ich spüre förmlich wie die Wut in meinem Bruder aufkocht. Dann brüllt er los. ,,Was hast du?! Wie konntest du nur!?" Eine Weile diskutieren die beiden. Ich könnte schwören, Peter würde nicht zögern, Taddl zusammenzuschlagen, aber er weiß, dass ich ihm das nicht verzeihen würde, da ich ihn liebe. Dann geht Peter und zieht Taddl mit. Er schlägt die Tür laut zu und ich bin allein mit Zombey, der mich immer noch trägt und Simon, der wahrscheinlich was sucht, denn ich höre, wie in einer Schublade gewühlt wird.

,,Komm hier her. Zum Waschbecken." sagt Simon leise und Zombey geht dorthin. Vorsichtig nimmt jemand meinen Arm und ich höre Simon. ,,Manu, hörst du mich?" Kurz nicke ich und er fährt fort. ,,Ich wasch jetzt das Blut weg. Könnte etwas weh tun." ,,Ist schon okay." antworte ich leise. Der Wasserstrahl geht an und mein Arm wird sachte darunter gezogen. Erst brennt es und ich verziehe das Gesicht, dann gewöhne ich mich dran und eine Weile später wird der Hahn abgestellt. Dann sprüht er dieses eklig riechende Desinfektionsmittel drauf und bevor ich mich beschweren kann, dass das Zeug so übel brennt, stellt er es wieder weg und wickelt etwas um den Arm. Verband würde ich mal sagen.

Micha setzt sich wieder in Bewegung und nachdem die Wohnzimmertür geöffnet wird, ertönen die lautstarken Stimmen von Taddl und meinem Bruder. Sekunden später verstummen beide und es ist still. Schritte kommen schnell näher und halten dann doch abrupt. Langsam mache ich die Augen auf und schaue mich um. Taddl steht einige Meter entfernt und versucht sich von meinem Bruder loszureißen, der ihn am Arm festhält.

,,Lass mich zu ihm." protestiert Taddl, aber Peter hat einen eisernen Griff, was auch ich schon ein paar mal gemerkt habe. Während Taddl bei Peter beschäftigt ist, geb ich Micha kurz ein Zeichen, mich herunter zu lassen. Als ich dann wackelig neben ihm stehe, schaut Simon leicht besorgt und fragt leise. ,,Geht's?" ,,Geht schon. Danke."

Taddl schafft es, loszukommen und kommt auf mich zu. Ich will gerade ausweichen und ihn anfauchen, mich in Ruhe zu lassen, da versperrt Zombey ihm den Weg. ,,Du solltest ihm nicht zu nahe kommen, wenn du noch weiter leben willst!" So sauer hab ich ihn noch nie gesehen, Taddl anscheinend auch nicht, denn er entfernt sich wieder. ,,Geh am besten einfach." Dieses wütende Gesicht und die Tonlage passen gar nicht zu ihm, weswegen wir Micha alle erstaunt ansehen, als er Taddl allein im Treppenhaus gelassen hat und die Wohnungstür zufällt. Bedrückendes Schweigen, das von mir zerstört wird. ,,Wir sollten die Gemeindehalle sauber machen."

GlpaddlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt