7* Gespräche bei Nacht

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Die nächsten Tage lief ich wie ein Roboter durch den Palast. Jegliche Gefühle waren wie abgeschaltet und ich befürwortete das sehr, sonst hätte ich mich sehr wahrscheinlich schon vor Selbsthass zerfleischt. Da Odin im Odinsschlaf lag und Frigga nicht von seiner Seite wich sah ich sie so gut wie nie und auch Loki oder Thors Gefährten, die schon seit seiner Verbannung unauffindbar waren, bekam ich selten zu Gesicht. Die meiste Zeit verbrachte ich alleine und das trieb mich langsam aber sicher in den Wahnsinn, weil ich mich ohne Ablenkung irgendwann mit den ganzen Fragen in meinem Kopf beschäftigen müsste und ich wusste nicht ob das gut ausgehen würde. Das führte auch dazu, dass ich Nachts mehrere Tabletten nahm um ruhig und ohne Träume in denen ich entweder zu einem Eisriesen wurde, oder von einem Eisriesen erstochen wurde, schlafen konnte. Doch diese Nacht hatte ich keine mehr. Ich lag also wach im Bett und starrte meine Decke an. Nach einer Weile kamen die Fragen, ich versuchte sie zu verdrängen aber es wurde immer schwerer, je später es wurde. Wer war meine Mutter? Was war ich eigentlich? Blitzschnell stand ich auf und rannte schon fast aus meinem Zimmer. Ich brauchte etwas um mich abzulenken. Erst als ich schon weit von meinem Zimmer entfernt war fing ich an langsamer zu laufen, ich war barfuß und der kalte Marmorboden jagte mir einen Schauer über den Rücken. Ziellos lief ich durch die vielen Gänge, fing an Lampen oder Bodenfliesen zu zählen, nur um mich nicht mit anderen Themen beschäftigen zu müssen. Die Stimmen in meinem Kopf flüsterten ununterbrochen. Plötzlich kam mir die Idee mich bei Loki zu bedanken, das hatte ich noch nicht vernünftig gemacht und mit jemand anderem zu reden war eine verdammt gute Ablenkung. Also drehte ich mich um und lief in Richtung seines Zimmers weiter. Vorsichtig und mit zitternder Hand klopfte ich an seiner Tür, wobei ich mir nicht sicher war, ob das von der Aufregung oder der Kälte kam. »Loki?«, fragte ich leise gegen das kalte Holz der Tür. Mein Hals war kratzig und meine Stimme klang rau und heiser, so als hätte ich sie lange nicht mehr benutzt. Erst passierte eine Zeit lang nichts und ich wollte schon wieder gehen als ich ein scharrendes Geräusch hörte. Kurz darauf kamen Schritte und die Tür wurde grob aufgerissen. Anscheinend hatte er jemand anderen erwartet, denn als er mich sah wechselte sein wütendes Gesicht zu Überraschung.

»Du lebst ja auch noch.«, meinte er und sah mich schmunzelnd an. Die Fragen, die seit Tagen durch meinen Hinterkopf schwirrten und mich in den Wahnsinn trieben verstummten plötzlich. Es war komplett still. Ich konnte in diesem Moment nicht anders und mir war egal wie komisch das war aber ich ging auf Loki zu und umarmte ihn. Erst wirkte er überrascht aber dann legte er vorsichtig einen Arm um mich. Kaum einen Wimpernschlag später löste ich mich wieder von ihm.

»Danke. Danke Loki.«, flüsterte ich erleichtert. Er wusste nicht, dass es hauptsächlich darum ging, dass die Stimmen in meinem Kopf soeben verschwunden waren. Doch ich wollte das gerade nicht richtig stellen, ich war noch zu überfordert damit, dass es plötzlich still war.

»Schon ok.«, meinte er nur und zuckte die Schultern. Er war sichtlich überrascht von meiner Reaktion.

»Ich, ich lege mich dann mal wieder hin.«, meinte er dann etwas unbeholfen.

»Nein!«, rief ich aus. Loki sah mich an als wäre ich nun vollkommen verrückt aber das war mir egal. Ich wollte nicht, dass die Fragen wiederkamen, ich wollte das einfach alles verdrängen. Dennoch ging er nicht rein, sondern sah mich abwartend an. Wir standen uns noch länger schweigend gegenüber, während ich fieberhaft nach einem Weg suchte ihn dazu zu bringen noch länger mit mir zu reden. Er wirkte immer genervter und ich traf eine schwere Entscheidung.

»Kennst du den schönsten Platz in diesem Palast?«, die Frage kam schwer von meinen Lippen, aber ich war verzweifelt.

»Gibt es hier noch schöne Plätze außer dem Thron?«

»Ja, zumindest einen. Ich habe ihn entdeckt als ich unsichtbar war. Willst du mitkommen?«, fragte ich matt, jetzt war es zu spät umzukehren. Loki schien mit sich zu ringen und er sah nicht wirklich so aus als wollte er etwas mit mir tun.

»Loki bitte! Ich weiß, dass ich gerade wahrscheinlich total verrückt wirke und wir uns eigentlich nicht besonders mögen aber seit ich mit dir geredet habe haben die Stimmen aufgehört.«, versuchte ich zu erklären und hatte die Hoffnung eigentlich schon aufgegeben als er mich plötzlich verstehend ansah.

»Ich komme.«, meinte er nur leise, verschwand in sein Zimmer und kam kurze Zeit später mit einem schwarzen Mantel wieder, den er mir gab. Ich zog ihn an und der warme Stoff schmiegte sich an meine Haut. Danach ging los, ich musste mich nicht umdrehen, ich vertraute darauf, dass Loki mir folgte. Immer weiter liefen wir durch die schwach beleuchteten Gänge bis wir schließlich vor einer kleinen unscheinbaren Wendeltreppe hielten. Er sah mich skeptisch an aber ich ignorierte es und machte mich daran die Treppe nach oben zu gehen. Oben angekommen stieß ich die Luke auf und mir blieb der Atem weg. Das letzte Mal als ich hier oben gewesen war war es Tag gewesen doch jetzt leuchteten Millionen Sterne am Himmel. Ich kletterte ganz durch die Luke und ließ mich auf das Dach des Palastes fallen. Als ich mich zu Loki umdrehte sah ich, dass auch ihm der Ort gefiel, seine Augen glänzten und irgendwie machte mich das glücklich.

»Du hast Recht, der Ort ist toll.«, flüsterte er und ließ sich neben mich fallen.

»Ja, eine der wenigen Sachen die hier toll sind. Danke, dass du hier bist. Ich halte diese Stimmen kaum noch aus. Diese ganzen Fragen und der Selbsthass.«

Er beobachtete mich eindringlich von der Seite als ich das sagte.

»Ich weiß, ich habe es zugelassen. Es wird dann erst schlimmer aber danach verschwinden sie.«

Ich dachte über seine Worte nach, während ich die Sterne am Himmel beobachtete.

»Du wirst es nicht ewig verdrängen können.«, meinte Loki nachdem wir eine Zeit geschwiegen hatten.

»Ich weiß, aber solange es geht will ich es verdrängen. Ich habe Angst was danach kommt.«, erwiderte ich.

»Vielleicht ist es doch gar nicht so schlimm das alles zu akzeptieren. Weißt du eigentlich, dass ich dadurch, dass Odin im Odinsschlaf liegt König über Asgard bin? Ich könnte dich zur Königin machen, dann regieren die Eisriesen über diese Welten.«, meinte Loki und plötzlich schwang Machthunger in seiner Stimme mit. Ich richtete mich auf. Das passierte, wenn man es akzeptierte, das passierte, wenn ich mich als einen von ihnen sehen würde.

»Nein! Bezeichne mich nicht als einer von ihnen! Hörst du?!«, fauchte ich ihn an und rutschte etwas weg.

»So meinte ich das nicht! Ich bin jetzt König und ich finde du solltest auch etwas zu sagen haben. Immerhin wurdest du auch belogen.«, meinte er und zog mich vorsichtig aber bestimmt wieder auf meinen Platz. Ich gab auf und rutschte wieder zu ihm. Ich erwähnte nicht, dass mir dieses machthungrige Angst einjagte und dass sich seine Augen kurz rot gefärbt hatten. Diese ganze Situation war komisch und ich wusste, dass Loki das auch dachte.

»Loki, ich will hier weg.«, meinte ich und es war mein komplett ernst gemeinter Entschluss. Er sah mich überrascht an. Fast schien er traurig darüber zu sein.

»Und wohin willst?«

»Egal, einfach weg. In eine andere Welt. Ich muss die Fragen weiter verdrängen.«

»Du wirst dich zerstören.«

»Das werde ich so oder so.«, sagte ich und wir verfielen wieder in Schweigen. Ich dachte über unser Verhältnis nach, meines und Lokis. Wir standen uns zwar deutlich näher als früher, aber es war dennoch alles andere als normal mit ihm hier zu liegen. Doch trotzdem fing ich an es zu mögen hier neben ihm zu liegen, in seiner Nähe zu sein. Obwohl ich wusste, dass das mein schlimmster Fehler sein würde.

»Vor 11 Jahren habe ich dich gehasst und vor nicht einmal zwei Wochen fand ich dich noch ziemlich scheiße und jetzt liege ich hier mit dir und du kennst eines meiner größten Geheimnisse. Das ist nicht wirklich schlau, oder?«, sprach ich meine Gedanken laut aus.

»Ich mag es hier mit dir zu liegen. Ich habe mich früher nicht gut gegenüber dir benommen.«

Seine Antwort kam überraschend. Ich hatte nicht mit so etwas gerechnet.

»Ist das eine Entschuldigung?«, lachte ich aber innerlich hatte mein Herz kurz ausgesetzt und ich wusste nicht was ich davon halten sollte. Er war der Gott der Lügen, ich konnte nicht wissen was er ernst meinte und was nicht aber seit neustem fing ich an ihm zu vertrauen und ich war verdammt besorgt, dass mir das noch zum Verhängnis werden würde.


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