8* Eine folgenschwere Bedingung

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In den darauf folgenden Wochen wurden unsere nächtlichen Gespräche immer weniger. Loki hatte viel damit zu tun König zu sein und ich hatte angefangen mich unter das Volk außerhalb des Palastes zu mischen. Frigga hatte mich schon vor meinem Ausflug zu den Eisriesen komplett vergessen und ich nahm es ihr momentan nicht einmal übel. Natürlich war sie für mich wie eine Mutter gewesen, aber nach den Lügen, die in letzter Zeit ans Licht kamen hatte ich jegliche Bindung zu ihr oder Odin verloren. Oft verbrachte ich mehrere Tage außerhalb des Palastes bei einer netten Familie am Stadtrand und schon vor ein paar Wochen hatte ich angefangen regelmäßig einer Händlerin zu helfen. Ich brauchte jede Ablenkung, die ich bekommen konnte und das Verdrängen, der ganzen Fragen und Zweifel wurde immer schwieriger. In meinen freien Minuten dachte ich oft über Lokis Worte auf dem Dach nach, ich wusste nicht ob ich ihm trauen konnte und das machte mich verrückt. Er war der Gott der Lügen und mich zerfraß es nicht zu wissen wie seine Entschuldigung gemeint war. Wollte er mich manipulieren? War sie tatsächlich ernst gemeint? Oder spielte er doch nur mit mir? Nach diesem Mal hatten wir uns noch zweimal zufällig auf dem Dach getroffen und fast die ganze Zeit nur geschwiegen, aber es war nicht unangenehm gewesen. Jeder war seinen Gedanken nachgegangen, aber nun waren weder er, noch ich seit Wochen dort gewesen und ich glaubte nicht, dass wir uns noch einmal treffen würden. Manchmal, wenn ich Zeit dafür fand, beobachtete ich ihn beim Regieren, schwebte als Wind hinter ihm und sah zu was er tat. Irgendwie hatte das eine beruhigende Wirkung auf mich, gerade weil die Fragen in seiner Nähe verschwanden. Es war einfach still und ich hätte nie geglaubt Ruhe irgendwann so zu schätzen. Nur dadurch hatte ich zufälligerweise mitbekommen wie Thors Freunde zu ihm gekommen waren und ihn gebeten hatten Thor zurückzuholen, doch er hatte abgelehnt. Der rote Schimmer in seinen Augen war wieder dort gewesen, aber anscheinend hatte nur ich ihn sehen können. Es kam immer öfter vor, dass sich seine Augen rot färbten und ich machte mir wirklich Sorgen um ihn aber als ich ihn das letzte Mal darauf angesprochen hatte, hatte er direkt das Thema gewechselt. Ich wusste nicht ob es an dem roten Schimmer lag aber Loki veränderte sich extrem, er wurde machtgieriger und härter. Da ich diesen Abend nach längerer Zeit wieder im Palast war wollte ich mich auf den Weg zum Dach machen, auch ohne Loki war es ein schöner Ort um nachzudenken und für sich alleine zu sein. Doch auf dem Weg dorthin hörte ich Stimmen aus der Kammer in der Odin lag. Mein Kampf gegen die Neugier dauerte drei Sekunden, dann schlich ich zu der Tür.

»Ich werde mich nie daran gewöhnen ihn so zu sehen.«, hörte ich Loki mit belegter Stimme sagen. Ich konnte nicht erkennen wie viel davon gespielt war.

»Er hat so lange damit gewartet, ich fürchte...«, murmelte Frigga. Ihre Trauer war echt, sie hatte ihn ihr Leben lang geliebt.

»Wie lange wird es andauern?«

»Ich weiß es nicht. Dieses Mal ist es anders, wir waren nicht vorbereitet.« »Wieso hat er gelogen?«, Lokis Stimme klang kalt als er das sagte.

»Er hat dir die Wahrheit verschwiegen, weil er dich über alles liebt. Du bist unser Sohn, Loki und wir sind deine Familie. Wir dürfen nicht aufhören zu hoffen, dass dein Vater zu uns zurück kehrt. Und dein Bruder.«

»Und Arya?«

Ich war überrascht von Lokis Frage, ich hätte nicht damit gerechnet, dass er an mich dachte. Gespannt auf Friggas Antwort rückte ich näher zur Tür.

»Odin hatte immer so ein großes Herz, selbst als diese Kriegerin zu uns kam und erzählt hat sie hätte in einem dieser Monster ihre Liebe gefunden, nahm er ihr Kind auf, sagte es wäre der Wille der Götter. Doch ich war diejenige, die ihr nicht vorlügen wollte eure Schwester zu sein. Ich hatte schon dich. Odin hat ein Kraut gefunden, von dem vorher niemand wusste, es hat sie ihre Fragen vergessen lassen. Es hat gereicht ihr zu erzählen sie sei hier, weil sie so ist wie du.«

Erschrocken wandte ich mich ab, das erklärte meine Naivität in den letzten Jahren, dennoch war ihre ehrliche Antwort für mich ein noch größerer Vertrauensbruch. Sie hatte immer noch nicht mit mir geredet, erzählte Loki jedoch meine Lebensgeschichte. Es machte mich verrückt, dass sie mir meine Identität, sowie meine richtigen Eltern verheimlicht hatten. Was für eine Frau war meine Mutter gewesen? Wussten Frigga und Odin überhaupt ihren Namen oder war sie nur irgendeine Kriegerin? Die Fragen wurden immer und immer lauter, ich musste hier weg. Mehr stolpernd als laufend rannte ich auf das Dach und ließ mich erst oben angekommen auf die Knie fallen, um meinen Kopf in den Armen zu vergraben. Einatmen. Ausatmen. Einatmen. Ausatmen. Langsam bekam ich wieder die Kontrolle über mich und schaffte es die Fragen zu verdrängen. Ich wollte es nicht wissen, nichts davon. Was würde ich jetzt für das Kraut von Odin geben. Warum konnte nicht alles wieder wie vorher sein?

»Arya?«, hörte ich Loki plötzlich hinter mir fragen. Warum musste er ausgerechnet heute hierher kommen? Langsam drehte ich mich um, in seinen Augen war kein roter Schimmer und Erleichterung durchströmte mich. Er schien einen klaren Moment zu haben. Einerseits wollte ich nicht, dass er mich so sah, aber andererseits war es schön ihn, und zwar wirklich ihn, wiederzusehen.

»Ja.«, war meine knappe Antwort. Das gute an diesen Nächten zu zweit war, dass der eine den anderen zu nichts drängte und ich hoffte, dass Loki sich auch heute daran halten würde. Tatsächlich legte er sich auch jetzt einfach neben mich und wir beobachteten die Sterne.

Nach einer Weile war ich es, die die Stille brach.

»Ich will hier weg.«, ich war selbst überrascht von meiner Aussage aber in dem Moment in dem ich es aussprach setzte sich die Entscheidung fest und ich wurde mir immer sicherer.

»Ich werde in drei Tagen auf die Erde gehen. Ich kann dich mitnehmen.«, antwortete er und drehte den Kopf zu mir. Auch ich drehte meinen Kopf zu ihm und schaute ihn hoffnungsvoll an, ich hatte nicht mit so einer Antwort gerechnet. Unsere Köpfe waren kaum voneinander entfernt und ich spürte, dass er mein Gesicht aufmerksam musterte.

»Das wäre perfekt.«, murmelte ich leise. Ich wollte den Moment nicht zerstören.

»Aber nur unter einer Bedingung.«

Ich schreckte mit meinem Kopf zurück, sein Tonfall ließ auf nichts gutes schließen. Auch der Moment war vorbei und ich war wirklich erleichtert darüber, denn hätte er mich länger so angeschaut, wusste ich nicht was passiert wäre.

»Ich habe das Kraut von Odin - versuch erst gar nicht so zu tun, als wüsstest du nicht wovon ich rede. Ich weiß, dass du gelauscht hast - ich kann es dir entweder geben, du vergisst alles und bleibst hier, oder du hörst auf die Fragen die ganze Zeit zu verdrängen, denn du wirst du sowieso nicht ewig weglaufen können, und ich nehme dich mit.«

Ich schluckte schwer, nachdem er geendet hatte. Das war eine schwierige Entscheidung. Als ich nach einer Weile immer noch nicht geantwortet hatte stand Loki auf.

»Ich komme morgen wieder, dann will ich eine Entscheidung.«, flüsterte er mir ins Ohr, dann verschwand er durch die Luke im inneren des Palastes.

Ich verbrachte noch die ganze Nacht oben auf dem Dach und versuchte eine Entscheidung zu treffen. Er könnte mir meinen Wunsch hier weg zu kommen, von dem ich mittlerweile nicht mehr abzubringen war erfüllen, doch dafür müsste ich mich den Fragen stellen. Ich müsste mich damit beschäftigen wer meine Eltern waren, was ich war, was mit meinem bisherigen Leben war, wie mein weiteres Leben aussehen sollte und so vieles mehr. Ich wusste es war feige mich vor diesen Fragen zu verstecken, doch ich hatte so unglaubliche Angst davor, was passieren würde, wenn ich es zulassen würde. Würde ich auch so wie Loki werden? Alles in mir sträubte sich dagegen mein Leben hier zu verbringen, natürlich würde ich mich nicht mehr an alles erinnern aber wollte ich das wirklich? Wollte ich mein ganzes Leben weiterhin diese Lüge leben, umgeben von Leuten die mir das alles schon so lange vorgespielt hatten? Doch, dass es eine Möglichkeit gab all das zu vergessen ließ mich zögern. Vor noch nicht einmal zwei Stunden hatte ich mir das Kraut so sehr gewünscht, wollte ich es jetzt trotzdem ablehnen? War es nicht egal, wer um mich herum war, wenn ich mich eh nicht erinnerte? Ich war mir schon fast sicher, als mir wieder Lokis Worte einfielen, ich würde nicht ewig fliehen können. Was wenn ich die Lüge in drei Jahren wieder aufdecken würde und mich allem noch einmal stellen müsste? Ich wollte das nicht nochmal durchleben, dann würde ich mich lieber meinen inneren Dämonen stellen, auch wenn ich panische Angst vor den Folgen hatte.



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