Chapter 2

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Im Sommer bin ich in Italien. Wie jedes Jahr. Es ist zur Tradition geworden. Meine Familie und ich. Eine wunderbare Zeit. Aber auch eine Zeit durchsetzt von Einsamkeit.
Ich sitze auf dem Vorsprung. Ein Felsen am Ende des Stegs. Weit reicht er ins Meer hinaus. Mein Blick liegt in der Unendlichkeit.
Das Wasser schäumt sich unter mir. Meine Schwester schreit, ich solle zurückkommen. Dorthin, wo es sicher ist. Wo ich nicht weggerissen werden kann. Weggerissen aus dem Leben.
Ich blicke in den Tod.
Scharfe Muscheln, die mir die Haut aufritzen. Harte Kanten, die mir den Schädel brechen. Und das Meer, das mich verschluckt. Dass mich wegträgt und die Weite, die meinen Tod unwichtig werden lässt. Aber ich habe keine Angst. Kenne keine Furcht.
Nur Furcht vor dem Leben. Nicht vor den Tod.
Menschen kommen an den Steg. Wenige. Kopfhörer im Ohr. Blind und taub für die Schönheit der Natur.
Für sie scheint dies selbstverständlich zu sein. Sie sehen glücklich aus, unbeschwert. Sie alle haben keine Ahnung, was leben heißt. Wie schwer es manchmal ist. Man könnte sie als dumm bezeichnen. Obwohl es reine Normalität ist. Schrecklich.
Ich hasse es. Die Welt, die Menschen, mich. Die Menschen sind schuld daran. Schuld daran, dass es mir so schlecht geht. Dass ich solche Gedanken habe und solche Zwänge.
Oder dass ich mich so verhalte. Verhalten, dass viele nicht verstehen. Verstehen können oder wollen. Reines Desinteresse. Reiner Egoismus. Normalität.
Meine Schwester steht schon nicht mehr hinter mir. Sie ist fort. Lässt mich alleine. Ich bin ihr egal.
Ich stehe auf, rutsche leicht doch falle nicht. Langsam gehe ich zurück.
Alte Männer sehen mich an. Mustern mich. Widerlich.
Auffallen um jeden Preis.


21.08.2015

~horansdaydream

Wenn es kein zurück mehr gibt † |Trigger|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt