Ich fühlte mich noch immer, wie betäubt von diesem Samstg Morgen. Jede einzelne Sekunde musste ich seit den Morgenstunden an Emily denken. Als wäre das schöne Mädchen mit den blonden Haaren nur ein Traum gewesen. Als hätte ich sie gestern nicht geküsst. Mein Handy weckte mich um halb sieben, es war natürlich mein Dad. Wer sonst. Fuck, warum bin ich drangegangen. Warum zur Hölle habe ich es nur gewagt, dieses einzigartige Mädchen zu verlassen.
Während ich die schlafende fremde wunderschöne Frau im Arm hielt, glitt mein Finger wie in Trance zum Handy. Wahnsinn, dass sie nicht einmal der schrille Klingelton geweckt hatte, sie musste wohl viel Schlaf nachholen. Ihre Haare waren zersaust, aber es sah so süß aus. Ob sie wohl jetzt noch träumte?
Die Realität holte mich jedoch schnell wieder ein, als ich meinen Dad durchs Smartphone schreien hörte."Luc? Mon fils? Warum gehst du nicht sofort ran, wenn ich anrufe? Wo bist du? Immer noch im Penthouse?" Das war ja sowas von typisch.. Dachte er ernsthaft, ich sei noch immer in seiner tollen Villa und unterhielte mich mit meiner fast zwanzig Jahre jüngeren Halbschwester Paula? Ich hasste es, wenn ich mit meinem Dad sprechen musste, als wäre nichts gewesen. Mein Dad Bastien, hatte meine Mum vor genau vier Jahren verlassen, weil sie herausgefunden hatte, dass er seit Monaten eine Affaire hatte. Sie hätte sich sogar vorstellen können, mit dieser Lüge zu leben. Mit ihm weiterzumachen. Doch er liebte sie nicht mehr und ein paar Monate später kam die kleine Nervensäge dannn auch schon auf die Welt. Ich war damals wütend auf alle. Und ich schämte mich heute noch immer kein bisschen, meine Halbschwester nur ein einziges Mal besucht zu haben. Mein Dad lernte Paulas Mutter bei einem Kongress in München kennen, sie war Deutsche und hieß Lena. Mich enttäuschte zutiefst, dass mein Vater einfach eine neue Freundin hatte. Er war es, der meine Mutter Amal eiskalt stehen ließ. Noch immer gefriert das Blut in meinen Adern, wenn ich daran denke, als ich meine Mutter mit dem Umzugswagen abholte. Lena war hochschwanger und stand unschlüssig neben meinen Dad vor der Haustür.
Ich grüßte die beiden nicht einmal. Ich konnte es nicht ertragen, dass mein Dad eine neue Familie mit einer fast zehn Jahre jüngeren Frau beginnen wollte. Damals war ich so verletzt, ich wünschte mir sogar, Paula würde tot auf die Welt kommen...
Jedes Mal, wenn ich meinen Dad sah, kam mir immer wieder der eiskalte Blick gegenüber meiner Mutter hoch, die tränenüberströmt das Haus verlassen hatte. Keiner sah dass sie weinte, denn sie hatte ihren Schal fast bis zu ihren Augen hochgezogen. Doch ich spürte es. Sie war nur oft von außen so stark. Das war Fassade, die ihr mein Dad zu gerne abkaufte.
Er liebte Fassaden. Ich auch, das habe ich von ihm geerbt. Danach hatte ich immer viele Ausreden wenn es darum ging, doch einmal auf meine Halbschwester aufzupassen. Ich war auch nicht an Dads Hochzeit vor drei Monaten. Ich wollte nicht auf eine Fassadenhochzeit. Nein, ich wollte keinen Sohn spielen, der mit der neuen Frau meines Vaters einverstanden war und jedem Hochzeitsgast freundlich die Hand schüttelte. Stattdessen war ich mit meinem Bruder Finn bei meiner Mom, deren jahrelange Fassade genau an diesem Tag brach. Ihre Liebe zu ihrem Mann wurde so stark zerissen, und in mir kochte die Wut von jedem Tag an. Obwohl ich meinen Dad oft vermisste, begann ich ihn immer mehr zu hassen. Im Grunde war er schon immer ein Arschloch gewesen, er war nie für uns da, und hatte nur seine Firma im Kopf. Doch das Bild, dass ich ein paar Monate später sah, als er sich liebevoll um seine einzige Tochter Paula kümmerte, zerbrach auch mir, einem Vollidioten endgültig das Herz. Ich ließ seit Monaten keinen mehr an mich heran und besprach mit meinem Dad nur das Nötigste.Doch dieses Mädchen, Em... Sie nahm mir meine Fassade ab. Das schaffte bisher keiner den ich je kennengelernt habe.
Ich versuchte meinen aufgebrachten Dad zu beruhigen. "Dad, was ist denn los? Ja ich bin gerade erst aufgewacht. Warum zur Hölle schreist du mich so an?? Warte kurz..."
Nachdem ich mich so gut es ging, aus unserer Umarmung gelöst hatte, schlich ich leise hinaus in den Flur um Emily nicht zu wecken.
"So, bin wieder dran. Also, was ist los? Ist etwas mit der Firma passiert?" Ich könnte es nicht ertragen, wenn die Firma Bankrott ginge. Sosehr ich mich privat über meinen Dad ärgerte, über sein kaltes Verhalten gegenüber meiner Mutter und gegenüber uns... Ich brauchte diese Firma, von klein an war klar, dass ich sie einmal übernehmen sollte. Egal ob ich sie nun wirklich wollte oder nicht.
"Erinnerst du dich noch an Aleksa Chelsea? Sie ist die bekannte Fernsehmoderatorin aus England. Seit einiger Zeit betreut sie viele Bauten von GAMP. Wie du sicher weißt besitzen wir eine Tochterfirma in Großbritannien..."
Klar, weiß ich das. Durch diese Tochterfirma, verdient mein Dad noch zusätzlich einen Haufen Kohle...
"Ja, und? Was ist mit dieser Ms Chelsea?" Worauf wollte er nur hinaus? Kam jetzt wieder eine Verkuppelaktion, die er seit neuestem immer auf mich hetzte?
"Alors, Aleksa will dich kennenlernen. Du hast morgen ein Meeting mit ihr um 20:00 Uhr Ortszeit in New York." Jetzt wurde ich aber wütend: " Ist es ein Meeting, oder meinst du eher Date? Du kannst doch nicht einfach..." Weiter kam ich nicht. Er schrie schon wieder , diesmal weil ich Paula im Hintergrund quengeln hörte. " Luc, verdammt noch Mal! Das ist deine große Chance! Diese Frau ist grandios, sie hat einen tollen Geschäftssinn! Zusammen könntet Ihr die Firma noch größer gestalten, verstehst du das nicht? Sie zeigt auch Interesse an dir. Dann musst du dich später nicht einmal allein um die Firma kümmern. Ich will dir doch nur helfen."
Ich schrie jetzt meinen Dad an, was er sich einbildete, er könnte tatsächlich eine Frau für mich finden. Der hatte sie doch nicht mehr alle! Ich war jetzt so agressiv, ich könnte das ganze Küchenfenster einschlagen, vor dem ich gerade stand. Doch ich wollte Emily nicht wecken und dämpfte meine Stimme etwas. " Seit wann willst du mir bitteschön helfen? Dich interessieren doch nur deine tolle neue Frau, das Kind und deine Firma. Mich und Finn interessieren dich doch einen Dreck!" Ich hatte ins Schwarze getroffen, er schwieg für ein paar Sekunden, ehe er sich wieder fasste und der allseits bekannte Mr. Gamp wurde. Ich könnte gerade echt kotzen. Mir wurde heiß vor Wut. Ich hielt das Handy immer fester in meiner Hand.
"Luc, hör zu. Dein Flug geht heute Abend um 18 Uhr und wenn du deine Firmenanteile retten willst, dann kommst du zu diesem Meeting! Hast du mich verstanden?!"
"Was zum Teufel soll das werden, Dad? Willst du mich im Ernst erpressen?" Das konnte doch alles gerade nicht wahr sein. Dieses arrogante Arschloch. Und als könnte es nicht noch schlimmer kommen, rief er noch hinzu: "Ich will dass du Aleksa heiratest! Es gibt kein Wenn und Aber mehr. Ich habe jetzt auch schön langsam die Nase voll von dir. Wenn du sie nicht heiratest, werde ich dir deine Firmenanteile streichen! Ich hoffe das war klar genug! "
"Nein Dad, ich kann nicht.. " Doch er legte auf ehe ich ihm noch etwas beleidigendes an den Hals werfen konnte. Mir wurde schlecht.
Vor Verzweiflung lief ich wieder hinüber ins Schlafzimmer und hoffte, Em wäre schon aufgewacht. Doch sie schlief noch immer seelenruhig. Wahnsinn, wie machte sie das bloß? Mir wurde bewusst, dass ich vor gut drei Minuten noch total rumgeschrien habe und schämte mich, obwohl sie schlief, eine solche Aktion vor ihr gemacht zu haben. Em könnte mich genauso gut gehört haben.
Ich schrieb ihr noch einen Zettel, dann küsste ich diese wundervolle Frau noch leicht an der Stirn. Sie roch so gut. Am liebsten würde ich sie wachküssen...
Ich wusste, ich machte einen Fehler. Denn ich liebte diese Frau nun schon zu sehr, und ich musste mich zusammenreißen, sie nicht aufzuwecken. Fuck, wie kann man denn für eine Frau, die man seit nicht einmal vierundzwanzig Stunden kennengelernt hat, schon solche Gefühle entwickeln? So etwas war mir noch nie passiert...
Ich schlich mich leise aus dem Penthouse. Schon da wusste ich, dass ich einen großen Fehler machte.
Mist, warum war ich nicht so mutig sie zu fragen ob sie mit mir mitkommen würde nach New York?
Ich bin ein Vollidiot. Aber vielleicht gibt es noch eine andere Möglichkeit...
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One Day Per Year
Romance"Genau einmal im Jahr.", war seine Antwort. Er sah mir nun direkt in die Augen. Ich spürte, dass er Mühe hatte, diese Worte ausgesprochen zu haben. Ihre Stimme zitterte. "Was genau meinst du damit, Luc?" "Emily wir treffen uns genau einmal im Jahr...