Da stand ich nun.
Mein Herz war zerrissen.
Und das schlimmste war, sie hatte vollkommen Recht.
Ich habe es versaut.
Ich sah mich in der Bibliothek um. Nachdem Em mit voller Wucht nach unten gestürmt war, bin ich ihr hinterher. Ich wollte sie aufhalten. Doch so ein Idiot wie ich war, rammte ich meine Schulter aus Versehen gegen ein Bücherregal, das, ich schwöre, vorher noch nicht dort gewesen war.
Und ich verlor sie im Gewirr einer Pariser Bibliothek.
Eigentlich konnte ich von Glück sprechen, dass ich sie genau in dieser Bibliothek gefunden habe. Es war die nächste in meiner Gegend und soweit ich mich erinnerte, sagte sie mir gestern Abend, dass ihre Schule nicht weit weg von meinem Penthouse wäre.
Eine Frau mit Krückstock und drei Büchern in der anderen Hand eingeklemmt, ging an mir vorbei und sah mich mit mitleidiger Miene an.
"Das wird schon wieder. Wenn sie die Richtige ist, kommt sie zu dir zurück."
Ich erwiderte nur ein kleinlautes "Merci" und ging an Müttern vorbei, die mir mitfühlend zulächelten. Bekam unser Streit eigentlich die ganze Bibliothek mit? So sah es irgendwie aus.
Gut, zugegeben, unauffällig haben wir uns beide nicht verhalten. Und als ich dann auch noch mit voller Wucht gegen ein Regal gerannt bin...
Am Ausgang hielt mich eine Frau zurück und sagte, ich hätte hier für die nächsten vier Monate von nun ab Hausverbot, wegen meines Fehlverhaltens.
„Junger Mann", sie sah nun streng zu mir herauf, „haben sie nicht gelernt, wie man sich in einer Bibliothek benimmt? Ich rate ihnen, lassen sie sich hier die nächsten Monate nicht mehr blicken."
Ich nickte nur und hätte noch am liebsten "Nichts lieber als das" geantwortet, doch ihre Miene verriet, dass wenn ich noch ein weiteres Wort sagte oder mich falsch benahm, sie mir mit Sicherheit die Polizei aufhetzen würde.
Das konnte ich im Moment nicht auch noch gebrauchen.
Nur was sollte ich jetzt bis 18 Uhr machen, bis mein Flieger ging? Ich fröstelte. Mir kam dieser Dezembertag noch kälter vor, wie sonst. Es musste wohl um die Minus zehn Grad haben...
Als ich langsam zum Parkplatz ging, sah ich immer wieder Paare die zusammen in einem Café lachten oder die Händchen haltend an Schaufenstern vorbeischlenderten.
Würde ich das auch bald mit dieser Aleksa machen? Würde sie ernsthaft dann mit mir glücklich sein? Und was war das mit Emily? Ich habe mich gestern so frei, wie schon lange nicht mehr gefühlt.
Doch wenn ich die Anteile retten will, habe ich keine andere Möglchkeit, als diesen Privatjet Richtung New York zu nehmen und diese Frau zu treffen.
Vielleicht hatte es mit ihr einfach nicht sein sollen.
Ich ging zu meinem Auto und setzte mich hinein. Es kam ein spanischer Song, der mir bekannt vorkam. Habe ich den nicht mal mit meiner Band gespielt...
Als hätte ich irgendeine Vorahnung gehabt, klingelte plötzlich mein Iphone.
Komisch, als ich auf die Nummer blickte, merkte ich, wie lange ich mit meinem Kumpel schon nicht mehr geredet habe. Seitdem mein Dad geheiratet hat, habe ich nicht mehr allzu viele Freunde getroffen. Ich habe Angst gehabt, ihnen das mitzuteilen, dass die tolle Familie GAMP schon lange nicht mehr existierte. Nur einer aus der Band wusste Bescheid und das war Antony, der Bassist.
Doch nun war es Léo, der Sänger, der sich bei mir meldete.
„Hey, was geht? Schon lange nichts mehr gehört von dir! Wie geht's dir Léo?"
„Salut Luc. Danke, Bro, mir geht's gut! "
Im Hintergrund hörte lautes Geschrei. Seit einem halben Jahr hat Léo das ganze Sorgerecht für die einjährige Louanne bekommen, da seine Exfreundin psychisch krank wurde und sich nicht mehr um Louanne kümmern konnte. Seine ehemalige Freundin, Manon, wohnt jetzt südlich von Marseille bei ihren Eltern, wo sie Hilfe bekommt und täglich betreut wird. An Louanne, hat sie nach eigenen Angaben kein Interesse. Wirklich tragisch.
Das skurrile war aber, dass ich damals mehr bei Léo und seiner Tochter Louanne war, als bei meiner einzigen Halbschwester Paula. Léo und Antony waren die einzigen, die mich verstanden in dieser Zeit.
„Luc hör mir zu. Es ist dringend. Bitte setze dich lieber."
„Was ist los? Ist was mit Louanne passiert?" Mein Atem stockte.
„Nein Luc, alles gut mit Louanne. Also pass auf. Gestern Abend war ich mit Antony und ein paar Kumpels in einer Bar. Und ich habe einige Mädels kennengelernt."
Was sollte das jetzt? Mein Herz raste nicht mehr so schnell, denn es handelte sich anscheinend um nichts allzu tragisches. Hoffentlich.
„Léo, könnten wir uns vielleicht heute treffen? Dann kannst du mir ja von deinen ganzen Bekanntschaften erzählen. Und hey Bro, ich muss dir auch etwas Unglaubliches erzählen."
Ich hörte Léo schnaufen.
„Luc, das würde ich ja gerne, aber heute muss ich mit Louanne unbedingt zum Kinderarzt, denn sie hat immer noch Windpocken. Tut mir Leid. Also pass auf: Ich habe mich gestern für eine längere Zeit mit einer Jolie unterhalten. Und dann klingelte ihr Handy, auf der plötzlich deine Adresse stand und dein Name und eine gewisse Emily diese Nachricht geschrieben hatte."
Ich unterbrach ihn. „Was, also du hast eine Freundin von Emily kennengelernt? Und weiter? Was ist das Problem?"
„Okay, also..."
Ich geriet in Panik.
„Léo, sag, was ist los? Ist etwas mit Jolie passiert?"
„Ich war heute, bessergesagt vor ungefähr fünfzehn Minuten kurz bei Jolie, um ihr den Schal zu geben, den sie vergessen hatte. Und...."
Okay, also wenn er jetzt nicht sofort weitersprach, dann schreie ich durchs Telefon. Meine Hände begannen zu zittern, und ich hielt mich nun am Lenkrad fest.
Bereit, sofort wenn nötig überall hinzufahren.
Jetzt vernahm ich ein Schluchzen von Léo. Was war denn jetzt passiert? Ich habe ihn noch nie traurig erlebt, nicht mal nach der Trennung seiner Exfreundin.
Er war immer schon der gewesen, der wenn Streit in der Band gab oder etwas anderes passiert war, die ruhende Quelle war.
„Es tut mir Leid Luc, nur ich muss dir sagen, dass diese Emily heute einen Unfall hatte..."
Mein Herz stand still. Ohne groß auf den Verkehr zu achten, fädelte ich mich in die Straße ein und raste los.
„Welches Krankenhaus?" schrie ich nun vollkommen verwirrt.
„Ich weiß nicht genau, ich glaube das in deinem Viertel. Es ging alles so schnell. Als ich vorher bei Jolie klingelte, bekam sie auch schon einen Anruf. Ich glaube es war der Vater dieses Mädchens.
Ich hörte ihn nicht mehr.
Das einzige was ich dachte war, dass ich sie nie so aus der Bibliothek hätte gehen lassen dürfen.
Es war meine Schuld. Einfach alles.
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One Day Per Year
Romance"Genau einmal im Jahr.", war seine Antwort. Er sah mir nun direkt in die Augen. Ich spürte, dass er Mühe hatte, diese Worte ausgesprochen zu haben. Ihre Stimme zitterte. "Was genau meinst du damit, Luc?" "Emily wir treffen uns genau einmal im Jahr...