Victoria Masterson - Die 40. Hungerspiele

7 | Einzeltraining

Während den nächsten Tagen trainierten Lia und ich häufiger zusammen. Sie wurde mir nicht unbedingt sympathischer, doch das behielt ich für mich. Schließlich war ich auch nicht hier um irgendwelche Freundschaften zu schließen, die in der Arena sowieso wieder zerstört wurden.
Ob sie mich mochte oder nicht interessierte mich letztlich auch überhaupt nicht. Sie war eine gute Trainingspartnerin und das war das Wichtigste.
Außerdem musste ich ihre Kampfweise genau studieren, um herauszufinden wie ich sie am besten Schlagen konnte.
Ihre Paradewaffe, den Dreizack, beherrschte sie wie niemand anderes. Sie war nahezu perfekt darin und ich wusste, dass ich mit meinen Dolchen ihr gegenüber nicht unbedingt im Vorteil war. Doch ich wusste, dass ich sie schlagen konnte, denn ich hatte das Gefühl, dass sie eine Schwäche für Triton entwickelt hatte.
Ein solcher Fehler konnte nur einem dummen kleinen Mädchen passieren, nicht aber einer wahren Kämpferin.
Sie würde mir unterliegen, das war sicher.
Telum wirkte konzentrierter wie nie, war jedoch noch immer der Stummfisch, den ich von jeher kannte, auch wenn wir beide uns öfter und besser unterhielten. Meistens war es zwar ich, die ein Gespräch begann, doch das war egal. Immerhin antwortete er mir, im Gegensatz zu Kathleen, die es mittlerweile aufgegeben hatte ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
Viel eher widmete sie sich mir, um alle Details des Trainings zu erfahren.
Am letzten Tag des Trainings saßen wir alle, nach Distrikten aufgereiht, in einem kleineren Raum und warteten darauf, aufgerufen zu werden.
Die Einzeltrainings waren etwas, das ich in den vergangenen Hungerspielen liebte.
Sie zeigten was die Tribute wirklich konnten, wie sie sich tatsächlich präsentierten und wer es wert war, unterstützt zu werden. Ich brannte darauf endlich vor die Spielmacher treten zu können, um ihnen allen beweisen zu können, dass ich die wahre Siegerin sein würde.
Mein Herz schlug immer schneller, als der Junge und dann das Mädchen aus Distrikt 1 verschwunden waren. Gleich würde ich dran sein. Gleich würde ich die Chance haben mich zu beweisen.
Telum saß schweigend neben mir. Ganz ruhig, als gäbe es nur ihn in diesem Raum.
Manchmal wünschte ich diese Ruhe auch zu haben. Er schien nie darüber nachzudenken was andere von ihm hielten, sondern beharrte darauf, was er tat und was seine Überzeugungen waren.
Als sein Name aufgerufen wurde, stand er auf und wollte ohne ein Wort zur Tür hinaus, doch ich hielt ihn am Arm fest.
"Viel Glück. Vermassel es nicht.", zwinkerte ich ihm zu und er rang sich sogar ein Grinsen ab.
Eine viertel Stunde später erklang mein Name aus dem Lautsprecher und ich war an der Reihe, um zur Tür zu gehen.
Lächelnd betrat ich den Trainingsraum, welcher schön aufgeräumt und wie leer gefegt aussah.
Am Rand standen ein paar Trainer, die zu Vorführungszwecken da waren. Vorerst würde ich niemanden von ihnen brauchen.
"Victoria Masterson, Distrikt 2.", stellte ich mich mit einem noch breiteren Lächeln vor und die Spielmacher nickten mir mit erwartungsvollen Mienen zu.
Ich ging selbstbewusst zu der Dolchstation und metzelte eine Vorführpuppe nach der anderen nieder.
Ebenso bei der Schwertstation und auch bei der Messerwurfstation traf ich immer ins Schwarze und tötete alle Puppen perfekt.
Zuletzt wollte ich meine Nahkampftechniken zeigen und rief den größten und muskulösesten Trainer zu mir.
Der Kampf war ausgeglichen, wir konnten uns beide nicht zu Boden bringen und ich hatte Angst, dass mir dies Punkte kosten würde. Daher erinnerte ich mich daran, was die Trainer in Distrikt 2 zu einer solchen Situation immer sagten.
Nutze deine vermeintliche Schwäche aus.
Ich war viel kleiner und schmächtiger als er. Er würde mich sofort zu Boden reißen können, hätte er die Chance dazu.
Einen Moment konzentrierte ich mich, schlug dann einen Haken nach links, als er gerade einen Schlag von mir parieren wollte. Er trat ins Nichts und war einen Moment irritiert und diese kurze Unachtsamkeit nutze ich für mich aus um ihn perfekt zu Boden zu bringen und hätte ich eine Waffe gehabt, wäre er jetzt tot.
Die Spielmacher nickten mir zu und einige schrieben eifrig Notizen auf ihre Papiere. Ich war zwar etwas außer Atem, doch glücklich. Ich hatte es sehr gut gemacht und wusste, dass ich eine gute Punktzahl erreicht haben musste.
Es war ein nahezu perfektes Training gewesen.
Niemand würde mich übertreffen können.
Außer Telum vielleicht.
Langsam verließ ich den Trainingsraum und ging zu den Aufzügen, um nach oben zu fahren.
Bei uns im Appartement angekommen grinste mir Kathleen schon entgegen.
"Wie war es? Erzähl schon! Telum hat mal wieder nichts von sich gegeben und ist einfach in sein Zimmer verschwunden.", aufgeregt hüpfte sie vor mir herum.
Also blieb ich stehen und unterdrückte ein Augenrollen.
"Ich habe natürlich die Dolch-Station voll für mich ausgenutzt, ebenso die mit den Schwertern und Messern. Alles ist perfekt gelaufen. Beim Nahkampf habe ich den größten Trainer zur Strecke gebracht und die Spielmacher schienen mehr als zufrieden zu sein.", ich lächelte breit und Kathleen schien mit meiner Antwort einverstanden zu sein, denn sie ließ mich durch.
Doch natürlich hielten auch Athena und Romolus, die ich irgendwie immer nur im Doppelpack zu Gesicht bekam, mich auf.
Also wiederholte ich meine Worte und auch sie schienen zufrieden mit mir zu sein.
Grinsend ging ich in mein Zimmer und stellte mich augenblicklich unter die Dusche. Das warme Wasser wusch den Schweiß des Kampfes von mir und beseelt ließ ich mich trocknen.
Anschließend zog ich mir etwas bequemes an und blickte auf die Uhr. Irgendwie hatte ich es geschafft beinahe über eine Stunde zu duschen. Gleich würde die Punktevergabe beginnen.
Gleich würde ich wissen, wer der Beste gewesen war, wer mich vielleicht geschlagen hatte.
Auch wenn ich mir ziemlich sicher war, dass ich diejenige war, die das Bestergebnis für diese Spiele erreicht hatte.
Wie immer warteten schon alle aufgeregt auf mich, denn noch bevor ich mich neben Telum setzen konnte, flammte der Bildschirm auf und Ramos Leivron erschien.
Die Punktevergabe begann.