12 | Lichtsäulen

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Die Kälte umfing mich mit eiserner Faust, doch ich wollte nicht nachgeben und aufstehen, um mir eine Decke zu holen.
Als die Hymne verklungen war, hatten Telum und ich uns nebeneinander schlafen gelegt. Weit genug voneinander entfernt, um uns gegenseitig nicht zu stören aber trotzdem nah genug um nicht ungeschützt zu sein.
Der Dolch, den ich ursprünglich in meiner Hand hatte, lag neben mir. Durch die Kälte hatten sich meine Finger verkrampft und ich konnte die Waffe beim besten Willen nicht länger festhalten.
Regungslos blieb ich liegen und wartete darauf, dass der Schlaf mich erneut überkommen würde - natürlich tat er das nicht.
Als ich Tritons Stimme hörte, die nach Telum und mir rief, setzte ich mich erleichtert auf.
Gerade als ich mich fragen wollte, wieso er uns mitten in der Nacht aufweckte, fiel mein Blick auf vier Säulen, die kerzengerade und aus scheinbar purem Licht bestehend in den Himmel empor strahlten.
Der gesamte Nachthimmel bot ein unglaubliches Bild. Mit offenem Mund schüttelte ich Telum, welcher zunächst nicht reagierte, letztlich aber doch erwachte.
Es wunderte mich, dass er sich nicht über die Kälte beschwerte, oder davon wach geworden war.
Langsam ging ich auf Lia und Triton zu.
"Gibt's schon die erste Lagebesprechung oder wieso holst du uns aus dem Schlaf?", fragte ich und klang dabei etwas unfreundlicher als ich es beabsichtigt hatte.
"Indirekt. Ich weiß nicht was ich von den Lichtstrahlen halten soll. Sie sind vor einigen Minuten einfach vom Boden aus in den Himmel gestiegen. Ich glaube zwar, es sind Fallen aber mir war es lieber auch euch nochmal zu fragen." erklärte Triton hastig und ließ seinen Blick durch die Runde schweifen.
Ich sah erneut zum Himmel und musterte die Lichtsäulen. Doch man konnte nichts entdecken, was darauf hindeuten könnte, was sie zu bedeuten hatten. Wenn wir es wissen wollten, würden wir zu einer der Säulen gehen müssen, doch wie Triton schon gesagt hatte, ich traute den Spielmachern nicht und solche wundersamen Säulen lockten nur die dummen und leichtgläubigen Tribute an, die letztlich wahrscheinlich sterben würden.
"Du hast wahrscheinlich recht. Die kleinen dummen Tribute erhoffen sich wahrscheinlich etwas von so schönen Lichtsäulen. Aber ich bin deiner Meinung, lieber bleiben wir auf der sicheren Seite und gehen unseren eigenen Weg. Ich habe keine Lust zum Gespött des Kapitols zu werden, weil wir uns schon in der ersten Nacht haben töten lassen."
Lia stimmte mir nach einer kurzen Stille zu, was sie wahrscheinlich große Überwindung kostete, und von Telum hatte ich nichts anderes erwartet, als ein Nicken.
Er drehte sich sofort wieder um und ging zurück zu unserer Schlafstelle und ich tat es ihm nach.
Die restlichen Stunden lag ich im Halbschlaf neben meinem Distriktpartner, denn die Kälte ließ mich nicht komplett abschalten.
Als der nächste Tag gerade anbrechen wollte, machten wir vier uns auf den Weg hinunter in die Stadt, wir hatten uns darauf geeinigt, dass es besser war zuerst dort nach Tributen zu suchen, als in der Ödnis einer Wüste. Außerdem brauchten wir Wasser, welches wohl eher in einer Stadt zu finden war.
Zunächst gingen wir schweigend die Treppen des Turmes nach unten, als wir dort angekommen waren ging Lia neben mir, was mir nicht unbedingt gefiel. Ich hatte keine Lust darauf schon wieder zu streiten und ich wusste, das würde sowieso geschehen, als sie die Stille auch schon brach.
"Tut.. Tut mir Leid.", sagte sie mit unergründlicher Miene.
Beinahe wäre ich stehen geblieben, so überraschend kamen ihre Worte für mich. Sie entschuldigte sich? Hatte sie das tatsächlich gesagt?
"Wie bitte?", rutschte es mir heraus und ich blickte das blonde Mädchen ungläubig an.
"Du hast schon richtig verstanden...", antwortete sie und blickte mich an. "Ich habe mich nicht gerade fair verhalten...", erklärte sie sachlich.
Ich hob eine Augenbraue. Sie überzeugte mich nicht wirklich mit ihrer mehr gezwungenen als ehrlich gemeinten Entschuldigung, jedoch war es mir ganz recht, dass sie sich den Fehler eingestand, auch wenn sie wohl eher die Worte zickig, nervig und uneinsichtig hätte benutzen sollen, anstatt fair.
Langsam nickte ich. "Entschuldigung angenommen.", ich lächelte mein gewinnendes Victoria Masterson Lächeln, auch wenn mir klar war, dass sie, genauso wenig wie ich, sich viel von dieser Versöhnung versprach.
Ich war nur froh, dass sie beschlossen hatte nicht mehr zu Nerven und immerhin hatte sie den Mut aufgebracht sich zu entschuldigen.
"Wie lange gehen wir hier eigentlich schon entlang?", bemerkte plötzlich Telum, was mich stutzig machte. Wenn ihm etwas auffiel und er sich dazu durchrang etwas zu sagen, dann stimmte etwas ganz gewaltig nicht.
Telum hielt an und ich stellte mich neben ihn.
Niemand von uns hatte auf den Weg geachtet und nun hatte ich das seltsame Gefühl, dass wir einen fatalen Fehler begangen hatten. Alles schien gleich und doch nicht gleich auszusehen.
Ich drehte mich einmal im Kreis und war mir plötzlich nicht einmal mehr sicher aus welcher Richtung wir gekommen waren.
"Ich glaube wir haben ein Problem."
Triton nickte. "Wir müssen hier weg. Das kann nicht gut sein."
"Super Idee Triton.", antwortete Lia und man hörte deutlich den sarkastischen Unterton in ihren Worten mitschwingen. "... aber wie sollen wir, wenn wir keine Ahnung haben wo es lang geht?"
Wir mussten in einer Art Labyrinth stecken, anders konnte ich es mir nicht vorstellen, doch wie um alles in der Welt sollten wir dort wieder heraus kommen?
Waren die anderen Tribute auch in einem solchen Dilemma oder führten sie nur uns Karrieros vor?
"Ich würde vorschlagen, wir versuchen erst einmal weiter geradeaus zu gehen. Wir verlaufen uns nur noch mehr, wenn wir versuchen der Rückweg zu finden. Außerdem brauchen wir dringend Wasser, sonst sind wir sowieso bald alle tot.", platzte meine erste Idee aus mir heraus.
"Harte aber wahre Worte.", sprach Triton das aus, was wahrscheinlich alle dachten. "Lasst uns weiter gehen."
Also gingen wir weiter und die glühende Hitze, schien unsere Kehlen nur noch mehr auszutrocknen. Gerade, als wir die Hoffnung schon beinahe aufgegeben hatten, jemals irgendwo anzukommen entdeckte ausgerechnet Lia unsere Rettung.
"Ein Brunnen!", rief sie aus und rannte auch schon los. Telum folgte ihr schnellen Schrittes und ich ging langsam hinterher.
Als sie den Brunnen erreicht hatte, wirkte sie nicht mehr ganz so euphorisch. Trotzdem musste ich fragen.
"Und?"
"Nichts.", antwortete Telum frustriert und ließ sich an der Brunnenwand hinuntergleiten. Ungläubig schüttelte ich den Kopf. Wollten die Spielmacher uns etwa alle gleich am ersten Tag töten? Trotzdem wollte ich nicht, dass wir heute schon die Köpfe hängen ließen. Die Sponsoren sollten sehen, dass wir uns anstrengten und weiter kämpfen wollten.
"Wir müssen darauf hoffen, dass das Wasser auf andere Weise zu uns kommt.", setzte ich zaghaft an und hoffte, dass unsere Sponsoren den Wink verstanden. "Trotzdem würde ich sagen wir bleiben hier, schlagen unser Lager auf und hoffen, dass die nächste Nacht nicht ganz so kalt wird. Vielleicht wollt ihr Jungs Holz suchen gehen, damit wir ein Feuer machen können?", unterbreitete ich meinen Plan und hoffte, dass alle einverstanden waren.
Wenige Augenblicke später machten sich die beiden auf den Weg, während Lia und ich zurück blieben.
Sie waren keine zehn Minuten verschwunden als ein Kanonenschlag die Stille durchschlug und wir uns sicher sein konnten, dass die beiden auf einen anderen Tributen getroffen waren.
Wir mussten nicht mehr lange warten, da tauchten sie auch schon wieder auf. Gerade wollte ich fragen, wer ihnen in die Quere gekommen war, als die Hymne erklang und mir der Himmel die Antwort gleich geben würde.

 Gerade wollte ich fragen, wer ihnen in die Quere gekommen war, als die Hymne erklang und mir der Himmel die Antwort gleich geben würde

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Victoria Masterson - Die 40. HungerspieleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt