Kapitel 3

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Ich rannte so schnell, wie mich meine Beine tragen konnten. Die Person vor mir hatte einen so großen Vorsprung, dass ich sie gerade noch in der Ferne erkennen konnte.

Erst jetzt kam mir der Gedanke, dass das, was ich gerade tat, einfach nur extrem dumm war. Ich verfolgte möglicherweise gerade einen völlig fremden Menschen, ohne zu wissen, wohin er mich führen würde.

Aber ich hatte eine starke Vermutung, wem ich da hinterherrannte und die Hoffnung starb ja bekanntlich zuletzt.

Also lief ich einfach weiter. Nach circa zehn Minuten passierte dann das, worauf ich die ganze Zeit gewartet hatte. Die Person blieb stehen.

So leise wie möglich schlich ich mich hinter einen Baum wartete ein paar Sekunden. Schließlich wagte ich einen Blick in die Richtung der Person und mein Verdacht wurde bestätigt.

Es war Silver.

Ich bemühte mich, nicht allzu laut zu atmen, was bei meiner Ausdauer nicht unbedingt leicht war. Ich hätte mir lieber einen Baum aussuchen sollen, der ein bisschen weiter weg von ihm war, dann hätte ich wenigstens vernünftig atmen können.

Ich ärgerte mich mal wieder über meine eigene Dummheit. Was machte Silver eigentlich hier?

Ich machte erneut einen Schritt nach vorne, um an dem Baumstamm vorbeizusehen. Unter meinen Füßen knirschte es.

Mein Blick wanderte nach unten und ich entdeckte worauf ich getreten war. Ich stand mitten auf einem Krähenkadaver. Angeekelt quietschte ich auf und machte einen Satz zur Seite.

Verdammt, wie doof konnte man sein? Erschrocken schlug ich mir die Hand vor den Mund und wollte mich gerade wieder im Schutz des Baumes verstecken, als ich seine Stimme hörte.

"Lynn? Was machst du denn hier?" Ich machte ein paar Schritte auf ihn zu und sah ihm in die Augen. Doch ich stotterte bloß vor mich hin und senkte schließlich den Blick.

Ich konnte ihm ja schlecht sagen, dass ich ihm einfach mal auf gut Glück gefolgt war, ohne zu wissen, warum. "Was auch immer dich hierher geführt hat, du musst sofort wieder gehen", sagte er mit fester Stimme.

Beschämt fixierte ich einen Punkt auf dem Boden. "Ich weiß aber nicht, wie ich wieder nach Hause komme" "Du kamst vom See, oder?", fragte mich Silver und ich nickte bloß.

Wir setzten uns in Bewegung, er ging immer ein Stück vor mir. Auf meine Frage, woher er den See kannte, erwiderte er nur, dass er ihn vor kurzem entdeckt habe.

Ich gab mich nicht wirklich zufrieden mit der Antwort aber ich harkte nicht weiter nach.

Am See angekommen, half er mir, meine Sachen zum Fahrrad zu tragen. "Ab hier kommst du alleine klar?" "Ja. Wir sehen uns dann am Montag in der Schule", entgegnete ich und schob mein Fahrrad in Richtung Wald.

"Machs gut, Lynn!", rief er mir hinterher. "Machs gut, Silver", flüsterte ich aber er war zu weit weg, als dass er mich noch hätte hören können.

Zu Hause angekommen schleuderte ich meine Tasche in die Ecke und setzte mich auf mein Bett. Ich stöpselte meine Kopfhörer in mein Handy und stellte die Musik auf volle Lautstärke.

Aber ein Gedanke ging mir nicht aus dem Kopf. Was zum Teufel machte Silver ganz alleine, mitten im Wald? Ich wusste wirklich nicht, was ich von ihm halten sollte.

Er wirkte nicht wirklich sympathisch, er redete selten und bemühte sich nicht einmal, Kontakt zu anderen Menschen aufzubauen. Aber doch war da irgendetwas an ihm, was ihn interessant machte.

Als ich 20 Minuten später fertig mit Duschen war, rief mich meine Mutter zum Essen. Ich rannte die Treppe runter, denn mittlerweile war ich echt hungrig geworden.

Away into the distanceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt