Kapitel 13- Ur ino

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Ich wurde zunehmend nervöser, niemand ging ran, weder Mama, Baba noch Samia oder Hanae. Alle waren einfach weg, wie vom Erdboden verschluckt. Ich hatte keine Ahnung was ich jetzt hätte machen sollen. Aber etwas musste passiert sein. Solch eine Ungewissheit zerfrisst einen. Nachdem ich auch eine weitere Stunde vergeblich auf ein Zeichen wartete, fing ich an sämtliche Tanten und Onkel zu erreichen, doch auch dort ging niemand ran, bis ich endlich eine SMS von Jaouad, meinem Cousin bekam.
"Wo bleibst du nur ? Komm ins Krankenhaus, beeil dich ..."

Als ich diese Zeilen las, drohte mein Herz zu explodieren, was ist nur passiert und wem ich das passiert ? Mein Herz raste vor Panik und aufgrund der ganzen Fragen, die in meinem Kopf herumschwirrten, konnte ich keinen kühlen Kopf bewahren oder klar denken. Ich zog mich in Windeseile an und nahm das Auto Richtung Krankenhaus.
Die sonst so kurze Strecke kam mir heute endlos vor. Es waren Minuten der Angst, der Sorge, ich wusste nicht was passiert ist und genau diese innere Ungewissheit brachte mich beinahe zum zerbrechen. Ich wollte unbedingt wissen, was denn los ist und wer derjenige ist, dem es schlecht geht. Ich parkte das Auto, man konnte wirklich nur von Glück sprechen, dass ich auf der Strecke keinen Unfall baute, denn vor lauter Unkonzentriertheit und Gedanken die in meinem Kopf schwirrten, wusste ich gar nicht mehr weiter.
Also ging ich schnell auf die Dame an der Verwaltung zu, und fragte "Wo liegt jemand aus der Familie El Ourdani? Schnell sagen sie es mir, wo ?"
Ich würde mit jeder Sekunde nervöser.
"Ja eine Frau Fatima El Ouardani wurde eben eingeliefert, aber wer sind Sie denn ?"

"Meine Mutter, Ya Allah lasse es ihr gut gehen, Ya Allah heile meine Mutter und gebe Ihr Gesundheit." Ich wiederholte es immer und immer wieder, ich wusste und merkte, dass ich nur Allah hinter mir habe, nur seine Kraft ließ mich überhaupt noch etwas Verstand wahren.

"Wenn ich sie richtig verstanden habe, sind Sie der Sohn ? Dann kommen Sie bitte mit, folgen Sie mir...

Aufgeregt folgte ich ihr, sie brachte mich zu meiner Familie, alle waren am weinen, ich konnte nicht mehr still sein.
Es platzte förmlich aus mir heraus: "Was ist mit Mama? Wie geht's ihr ?"

Samia und Hanae kamen beide heulend auf mich zugerannt, sie drückten mich so fest wie sie nur konnten.
Ich hatte wahnsinnige Angst um meine Mutter, die wichtigste Person liegt nur ein paar Meter hinter einer Scheibe von mir entfernt, doch ich weiß nicht, was mit ihr los ist.

"Was hat Yemma ? Kann mir denn keiner sagen was los ist, verdammt nochmal? "
Es war zu viel während ich das sagte, wurde ich wohl zu schwach, meine Nerven hielten diese Ungewissheit über den Zustand meiner Mutter nicht mehr stand.
Ich sah nur noch schwarz vor Augen, dann war es zu spät, ich bin ohnmächtig geworden. Das erste an das ich mich wieder erinnern konnte, waren die Stimmen meiner Schwestern, sie beide saßen auf den Stühlen direkt neben meinem Bett. Das erste woran ich jetzt natürlich wieder dachte, war meine Mutter.
"Samia, Hanae, kann mir bitte jetzt jemand sagen was mit Mama los ist?", sagte ich noch sichtlich erschöpft und mit einer leisen Stimme.

Samia fing an direkt an zu erzählen, dass meine Mutter einen Herzinfarkt gahabt hätte und, dass ihr Herzkreislauf so sehr geschwächt war, dass sie Notoperiert werden musste, die Ärzte meinen, dass es zwar noch etwas dauert, aber sie sich in'shaa'Allah gut davon erholen kann.

Wenigstens das; mit fiel bei Samias letzten Worten ein großer Stein vom Herzen, doch ich hatte trotzdem Angst um meine Mutter, ich hoffe die ganze Zeit ununterbrochen gehofft, meine Gedanken waren nur bei ihr. Ich hoffte so sehr, dass die keine Schäden davon tragen wird für später und schnell wieder alles gut werden kann. 

Ich redete noch etwas mit den beiden, als sie sich vergewissert hatten, dass es mir wirklich gut geht, schliefen auch sie vor lauter Müdigkeit ein. Ich verlies mein Zimmer und ging zu meiner Mutter. Ich versuchte unbemerkt von der Nachtschwester die Tür zu öffnen, doch dies gelang mir leider nicht so ganz.

"Wohin der Herr ? Um diese Uhrzeit ?"

"Ich möchte nur ganz kurz nach meiner Mutter sehen, dann bin ich wieder weg."

"Aber auch nur ganz kurz, rein und wieder raus."

"Alles klar."

Ich ging langsam und vorsichtig rein und sah sie dort liegen, sie schlief, all die Geräte um sie herum, machten laute Pip- Geräusche. Sie tat mir so leid, ich wünschte mir, dass ich an ihrer Stelle wäre und nicht sie, sondern ich das Leid durchmachen müsse. Sie hat genug gelitten, immer hat sie alles dafür gegeben, dass es allen anderen gut geht, bei diesem Gedanken kamen mir erneut die Tränen, ich habe es vermisst, mit meiner Mutter einfach wieder etwas zu unternehmen, mir wurde bewusst, wie wenig ich durch den Abistress in den letzten Monaten mit ihr gemacht habe. Mein schlechtes Gewissen konnte ich nicht mehr beheben, es war einfach zu groß. Ich wünschte mir so sehr und betete dafür, dass sie so schnell wie möglich wieder gesund und munter wird. Ich möchte einfach nur meine geliebte Mutter wieder strahlend vor mir sehen.
Ich gab ihr noch eine Kuss auf die Stirn und ging wieder in mein Zimmer, da auch ich hier nichts mehr zu suchen hatte. 

Am nächsten Morgen ging ich wieder früh ins Zimmer meiner Mutter.

"Sbah El Kheir Yemma. Ich hoffe dir geht's in'shaa'Allah besser, es wird alles wieder gut, verlasse dich darauf, ich werde immer bei dir bleiben, komme was wolle. Ich liebe dich Yemma. Ich liebe dich Ur ino."

Ich schaute sie noch eine kurze Zeit lang an, doch sie zeigte keine Regung, bis ich das Zimmer verlassen wollte.

Plötzlich ertönte eine sehr leise, aber sanfte Stimme, es war Yemma, ich würde ihre Stimme unter Millionen von Stimmen erkennen, ihre Stimme ist wie das Paradies für meine Ohren, ich liebe ihre Stimme, einfach alles an ihr. Sie erhörte sich sehr erschöpft an, aber sie lebte Alhamdoulillah, das ist die Hauptsache.

"Thabekhchek a ouldi. Ur ino. Für immer. (Ich liebe dich mein Sohn. Für immer.)"

"Und ich erst Yemma, ich hatte solch einen Schock bekommen gestern, hoffentlich jagst du mir so etwas nie wieder ein. Ich hoffe, dass das nie wieder vorkommt. Du bist nicht nur meine Mutter, du bist mein Herz, wenn es deinem nicht gut geht, wie soll es dann meinem noch gut gehen."
Eine Träne lief mir über die Wange, weil die Liebe zu meiner Mutter unendlich ist und ich sie nicht mit Herzschmerz leiden sehen möchte.

"Ist doch nichts passiert, alles in Ordnung mein Kind. Ich hoffe euch geht's auch allen gut, pass gut auf alle auf, auch auf Baba, schau mal wie er hier schläft, bis ich hier raus bin, dann übernehme ich das wieder gerne.", gab sie von sich.

"Werde ich machen. Mach du dir bloß keine Sorgen und werde erst einmal wieder gesund."
Doch bis sie es gesagt hat, habe ich meinen Vater gar nicht gesehen, sein Kopf lag auf der Matratze des Bettes von meiner Mutter, er ist auf dem Stuhl neben ihr eingeschlafen, um ihn habe ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Es war schön anzusehen, wie zwei sich liebende Menschen auch noch nach mehreren Jahrzehnten Ehe in guten sowie schlechten Tagen zusammenhalten, das ist auch das, was ich mir für meine Zukunft später sehnlich wünsche.

Right Direction - From Zero to HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt