Kapitel 3

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Ich stand auf und wollte gerade das Schulgebäude verlassen, nachdem es zum letztem Mal gegongt hatte für heute. Der Tag verging wie meine alten Tage. Alte Gewohnheiten wurde man schwer los. Niemand sah wie verletzt ich war, niemand bemerkte meine Wunden und die Schmerzen, die ich in mir trug. Brian lief anscheinend hinter mir her, denn ich stolperte spontan. So was war nicht möglich, es sei denn, man stellte jemanden einen Bein! Hinter mir hörte ich lachen und unterdrückte mir weiterhin die Tränen und die Schmerzen. Ich hasste mein Leben nun einmal und mit jedem neuen Tag wuchs der Hass immer mehr. Wieso lebte ich eigentlich? Wie oft hatte ich schon daran gedacht? Wie oft wünschte ich mir selber den Tod? Aber ich hatte Angst. Ich hatte Angst vor dem Tod. Selbst dazu war ich zu Feige. Seufzend sah ich zu den Leuten, die sich wieder ihrem Gesprächspartner widmeten. Genervt rollte ich meine Augen. Ich hasste ignorante Leute, von ihnen gab es nun mal mehr als genügend. Wieso konnte keiner einmal sich gegen die Mehrheit wehren? Wieso schauten immer mehr zu während andere Menschen gequält oder gefoltert wurden? Gab es überhaupt noch Menschlichkeit? Ich richtete mich wieder auf und tat so, als ob es mich nicht stören würde. Ich dachte an ihn. An meinem Bruder, der noch immer in Amerika war um zu studieren. Er wollte ein erfolgreicher Arzt werden und ich fand, dieser Beruf war wie ausgezeichnet für ihn. Ich ließ ein Seufzer aus mir. „Na, an wen denkst du?" „Geht dich ein Scheißdreck an.", zischte ich und erhöhte mein Tempo. Offenbar wohnten wir in der selben Gegend, denn er hielt mit mir mit. „Was hast du gesagt? Du hast gefälligst richtig zu antworten!", brüllte er mich plötzlich an. Ich zuckte nur kurz zusammen und wollte weiter laufen. Immer wenn ich zögerte, würde es Ärger geben.

Doch dieses mal hinderte mich Brian daran. Ich versuchte mich zu wehren und ihn wegzutreten, aber er war nun mal stärker. Ich schrie kurz auf, weil er einen meiner Narben am erwischt hatte, wo er darauf drückte. Es brannte und ich spürte auch schon, wie etwas feuchtes in meinem Ärmel floss. Blut, was denn sonst. „Ich habe verstanden.", nuschelte ich. Ich wollte ihn nur noch loswerden und mir war es egal zu welchem Preis. Ich hatte höllische Schmerzen und hatte ein Problem. Brian, der mich immer noch hinderte - pünktlich nach Hause zu kommen. „Bitte, lass mich los.", flehte ich ihn an. „Gut so. Du hast es begriffen.", sagte er und grinste. Am Liebsten hätte ich ihm das Grinsen aus dem Gesicht geschlagen, doch ich konnte es nicht tun, wenn ich nach Hause wollte, ohne das er begriff, dass ich blutete. Er hatte meine offene Wunde zerdrückt. Immerhin hatte er mich losgelassen. „Arschloch.", murmelte ich vor mich und das leise. Dann rannte ich auch schon los,um die Zeit aufzuholen, die ich wegen ihm vergeudet hatte. Ich rannte, als ob davon mein Leben abhing, was es auch tat. Entweder würde ich tot geprügelt werden oder ich kam gerade noch so davon. Ich wollte zwar sterben, aber nicht an einem qualvollen tot. Und selbst, wenn meine Eltern Schuld wären, wollte ich ihnen eigentlich nicht die Last da lassen. Natürlich war mir bewusst, dass sie es nicht störend fänden, wenn ich sterben würde. Auch dann nicht, wenn sie tatsächlich eines Tages noch Schuld daran wären. Sie hatten kein Gewissen, zumindest glaubte ich daran. Sonst hätte sich das schon längst zeigen müssen, oder etwa nicht? Ich kam an und kramte sofort meine Hausschlüssel aus meiner Tasche. Etwas verwundert war ich schon. Ich war nämlich neu in der Stadt und kam trotzdem sofort bei uns an.

Ich hatte eindeutig mit mehr Problemen gerechnet.Aber hier fand ich mich schnell zurecht. Ob das auch so bleiben würde mit dem Ort? Ich hoffte es so sehr. Ich hatte kein Handy, ehrlich gesagt, wollte ich auch nicht nach einem Fragen. Ich war schon froh, dass ich überhaupt Nahrung und ein Dach über dem Kopf hatte bei solchen Menschen. Jetzt fiel mir wieder ein. Mein Bruder. Er war der Grund, wofür ich doch einiges stamm hielt. Er liebte mich, als einziger Mensch und dennoch konnte ich ihm nichts erzählen. Meine Wunden, das Mobbing und meine Albträume. Ich hatte Angst, dass er sich abwandte von mir, wenn er das alles wusste. Ich wollte nicht noch ihn verlieren. Ich wollte keinesfalls, dass er sich schämte für mich. Ich tat das schon selber. Ich brauchte wenigstens ihn und seine Zuneigung. Sonst blieb mir nämlich nichts mehr übrig. Sofort rannte ich hoch in mein Zimmer, um meine Tasche abzulegen. Ich musste Haushalt machen. Jetzt! So viel Zeit hatte ich auch nicht mehr und ich fing sofort an meiner Pflichten nachzugehen. Ich saugte und putzte. Nebenbei musste ich noch das Essen kochen,für die. Ich wollte sie nicht mehr Eltern nennen. Oder gar Menschen. So sah ich sie schon lange nicht mehr. Sie platzten herein und traten auf die Stellen, die ich gerade noch frisch geputzt hatte. Gereizt stand ich auf. „Euer Essen..." Doch er unterbrach mich. „Nicht nötig. Wir werden gleich abreisen. Für 2 Wochen." Ich nickte nur. „Dennoch hast du dich an die Regeln einzuhalten!", ermahnte er mich mit wütender Stimme.

Gibt es überhaupt Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt