Kapitel 5

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"Es tut mir Leid, wenn es dein Platz war und ich ihn dir weggeschnappt habe.", sagte ich sanft und ganz leise. Meine leise Stimme brachte mich zum Zweifeln, ob er es überhaupt gehört habe. Aber das hatte er. "Die Natur gehört uns allen. Ich habe keinen Recht auf Anspruch auf einen speziellen Platz. Keine Sorge. Dieser Platz kann mir nicht gehören."  Er hielt inne und kratzte sich am Hinterkopf. Gespannt sah ich zu ihm. "Aber ich kann verstehen, wieso du hier bist. Ein guter und stiller Ort um nachzudenken. Alleine zu sein."  Er lächelte mich an und ich bewunderte ihn. Er war groß und sah im Gegensatz zu mir um einiges mehr besser aus. Ich nickte ihm nur zu und machte Anstalten zu Gehen. "Du kannst ruhig hier bleiben. Ich werde auch nicht stören. Du siehst einfach so aus... Ehm, traurig und nachdenklich. " 

Was sollte ich schon groß sagen? Ich hatte wirklich nachgedacht. Und traurig? Das war ich täglich. Mein Inneres war wie eine Leiche, nur kümmerte dies niemand. Er unterbrach mich mit meinem Selbstmitleid. " Ich ... Ich heiße Cem.", stellte er sich plötzlich vor. 

Warum stellte er sich mir überhaupt vor? Wer wollte mich schon je kennenlernen? Warum auch? Ich war langweilig und der Opfer überhaupt. Nirgendswo hatte ich meine Ruhe oder Liebe.  Ich merkte, wie ungeduldig er auf meinen Namen wartete. "Ehrlich gesagt... Der Name Melek (übersetzt auf deutsch bedeutet der Name Engel ) würde zu dir passen. "

Sofort spürte ich wie mir mein Blut ins Gesicht schoss. Meine Wangen und auch allgemein mein Gesicht heiß wurde. War das etwa ein Kompliment? Denn sowas war ich nun mal nicht gewohnt. Nein, unmöglich. Es konnte nicht an mich gerichtet sein. Er wusste sicherlich meinen Namen und machte sich nur über mich lustig! Jaja, genauso musste es sein! Wer war ich denn schon, dass ich je ein Kompliment erhalten sollte? Ein nichts, ein niemand.  Ich betrachtete ihn genauer. Er dagegen sah verdammt gut aus. Er breit gebautund muskulös. Allerdings nicht zu viel. Auf seinem rechten Arm war ein Tattoo. Es ging von seiner Schulter aus bis zum Handgelenk. Farbiges Tattoo. Das erzeugte ein wenig das Image von einem Badboy. Doch sein Lächeln. Sein freundliches und einladendes Lächeln... Er zeigte das Gegenteil. Es passte nicht zu seinem Tattoo oder seinem Körper. Auch nicht zu seinen Gesichtszügen. Er hatte meinen Namen erraten. Er würde zu mir passen. Hatte man über mich so viel gesprochen? Soviel über mich? Dass jeder mich kannte? Sodass jeder über mich lachen konnten? Sah ich vielleicht wie ein Opfer aus? Ha! Was für eine Frage! Natürlich tat ich das. Ich lief immerhin mit einem Pullover herum, während die anderen ärmellose T-Shirts oder Tops trugen. Ich machte mich bemerkbar.  Darum... Er kannte meinen Namen und hatte ihn mir meinem Aussehen zugeordnet.

Das musste es nun mal sein. Kein Wunder, dass er jetzt anfing zu grinsen. Gleich würde es kommen! Einen Moment... Oder... Ich begann schluchzend loszurennen. Wieso? Wieso konnte ich nicht in Ruhe gelassen werden? Wieso konnte ich nicht alleine bleiben?Meine Augen nahmen die Umgebung nur noch in Risse und verschwommen wahr. Ich stieß gegen jemanden und landete auf den Boden. Ich bemerkte gar nicht, dass der Typ vom Wald mir gefolgt war. Wie hieß er nochmal? Cenk? Nein, Cem! Ja, Cem. Ich blickte herauf. Brian. Noch mehr Glück konnte ich wohl kaum haben. Er lachte und ich stand wieder auf. Ich drehte mich um und bemerkte, dass Cem, sich mir näherte. Wieso? Auch um mich zu schikanieren? Das wollte ich nicht. Ich rannte weiter und hörte trotzdem die abwertende Bemerkung. "Hässliche Dumme Kuh! Mach mal die Augen auf, sofern du das mit deinem Fett in deinen Augen machen kannst." 

"Ich hasse euch!", murmelte ich leise. Er folgte mir immer noch.  Ab nach Hause! Aber wo musste ich hin und wie? "Heeee, warte. Du hast das vergessen!", schrie er mir nach. Ich wollte nicht stehen bleiben. Aber ich tat es. Ich drehte mich um. "Dein Tagebuch.", fügte er hinzu. Sofort wurde ich rot. Teils, weil ich aus der Puste war, andererseits auch.Ich ging zu ihm näher. "Danke.", nuschelte ich, als er es mir wieder zurück gab. "Vielen Dank.", sprach ich noch einmal und dieses mal etwas lauter und in einem festeren Ton. "Gerne. Jetzt verrate mir doch deinen Namen,endlich!", wollte er wissen. "M-me-melek.", stotterte ich. Offenbar wusste er doch nichts. Noch nichts. "Ich habs gewusst. So ein schönes Wesen kann nur so heißen." Er setzte ein Grinsen auf, ein Ich-hatte-Recht-Grinsen. "Ja, ehm..." "Schon gut, verrate mir aber eins.. Wieso bist du so schnell abgehauen? War es wegen mir?" Meine rechte Augenbraue ging in die Höhe. "Nein, nein.", antwortete ich schnell. Mein Herz es raste. Warum schlug es so schnell? Lag es etwa daran, dass ich mal einem normalen Menschen begegnet war? Einem, mit dem ich einigermaßen normaler sprechen konnte, als wie Menschen wie Brian. Ich schluckte. "Es ist einfach... Kompliziert." So war es auch. Es war kompliziert. Mein Leben.

Gibt es überhaupt Liebe?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt